An diesem Wochenende lädt das Stuttgarter Schauspiel zum Saisonfinale ein. Mit dabei: das dreitägige Gastspiel „Karamasow“ mit Devid Striesow in der Titelrolle – ein StZ-Interview mit dem Schauspielstar.

Stuttgart - Er ist ein vielbeschäftigter Mann und dreht zehn, elf, zwölf Filme pro Jahr, fürs Kino und fürs Fernsehen. Seit auch der Saarbrücker „Tatort“ dazu gehört, kennt fast jeder sein offenes Gesicht mit den stahlblauen Augen. Angefangen aber hat der 1973 auf Rügen geborene Devid Striesow mit Theater – und zum Theater kehrt er hin und wieder zurück, sofern es der Zeitplan erlaubt. Jetzt ist er von Freitag bis Sonntag im Stuttgarter Kammertheater zu sehen. In „Karamasow“ nach dem Roman von Fjodor Dostojewskij spielt er den Gottsucher Aljoscha. „Ich bin ein gläubiger Mensch, ordne mich aber keiner Religion zu“, sagt der in Berlin lebende Schauspieler, den wir am Telefon gesprochen haben.

 
Herr Striesow, was rauscht denn da bei Ihnen im Hintergrund?
Die Autobahn. Ich bin auf dem Weg nach Hamburg zu einer Drehbuchbesprechung. An den Tagen zuvor aber habe ich in Berlin wieder mal Theater gespielt: „Karamasow“, eine Inszenierung, mit der wir den Friedrich-Luft-Preis gewonnen haben.
In dieser preisgekrönten Arbeit, die jetzt auch in Stuttgart zu sehen ist, stehen neben Ihnen unter anderem André Jung, Ernst Stötzner und Ursina Lardi auf der Bühne. Wie kommt es zu diesem All-Star-Ensemble?
Das ist dem Regisseur Thorsten Lensing zu verdanken, mit dem Ursina Lardi und ich schon seit rund zehn Jahren arbeiten, außerhalb jeglicher Stadttheaterstrukturen. Da kommen Schauspieler zusammen, die Lust aufeinander haben, was unangenehme Reibereien von Anfang an ausschließt. Dass die Kollegen gut und liebevoll miteinander umgehen, sieht man den Inszenierungen positiv an.
Wie oft haben Sie in diesem hochklassigen Off-Bereich schon zusammengearbeitet?
„Karamasow“ eingerechnet, drei Mal. Zuvor haben wir zwei Tschechow-Stücke gespielt, die auch noch nach Stuttgart kommen werden: „Onkel Wanja“ und „Kirschgarten“, letzteres mit Joachim Król und Peter Kurth. „Karamasow“ ist die Weiterentwicklung unserer kollektiven Arbeit. Es ist Theater, das wir Schauspieler uns gönnen.
In „Karamasow“ spielen Sie den Mönch Aljoscha. Was ist das Besondere an der Figur?
Kutte und Kurzhaar.
Und das Besondere an seinem Wesen?
Das fragen Sie mich? Sie sind doch der Kritiker, der mir sagt, was er gesehen hat! Ich jedenfalls nehme meine Geheimnisse gerne mit auf die Bühne.
Okay, letzter Versuch: Können Sie mir das Besondere an der Karamasow-Fassung von Thorsten Lensing und Dirk Pilz erklären?
Das kann ich. Von den drei Karamasow-Brüdern bei Dostojewskij haben wir nur einen erhalten, meinen Kurzhaar-Aljoscha. Ins Zentrum rücken dafür die im Roman auftauchenden Kinder und Tiere, aus deren Sicht die Handlung geschildert wird, ohne auf dem Plot herumzureiten – eine ungewohnte und interessante Perspektive: Kinder sind hier nämlich keine niedlichen Knirpse, sondern Monster. Sie beißen einander in den Finger, schrecken vor Steinigungen nicht zurück und wollen einander umbringen. Sie sind die kommende Generation, vor der man sich fürchten muss.