Die Fans haben dem VfB Stuttgart beim DFB-Pokalfinale in den Stuttgarter Kneipen die Daumen gedrückt. Bei den meisten hielt sich nachher trotz Niederlage die Enttäuschung in Grenzen.

Stuttgart - Wie schwäbischer Liberalismus aussieht? Man nehme ein Fußballspiel zweier Mannschaften, deren Fans sich nicht gerade grün sind – beispielsweise des VfB Stuttgart und des FC Bayern München. Anschließend ziehe man sich als Fan des FC Bayern demonstrativ ein Trikot seines Clubs an und gehe zielstrebig in eine der dunkelroten Fankneipen Stuttgarts, um sich das Spiel anzusehen. Genauso läuft es am Samstagabend in der Vaihinger Kneipe Maulwurf, wo viele VfB- und einige Bayernfans friedlich nebeneinander sitzen.

 

So wie Christine und Markus König – verheiratet, aber beim Daumendrücken an diesem Abend nie einer Meinung. Vor dem Anpfiff trägt Christine König tatsächlich beim Keipentippspiel ein kühnes 6:1 für ihre Bayern ein, während sich ihr Mann tapfer wehrt: „Eine Sensation ist möglich.“ So demütig ist die Stimmung vieler VfB-Fans vor einer Partie gegen die Bayern in den Stuttgarter Kneipen selten gewesen.

Die Gomez-Tore schmerzen

Im Maulwurf ertragen die Anhänger des Außenseiters tapfer den Verlauf der Begegnung, wobei manche Gegentore – „Gomez, ausgerechnet Gomez!“ – deutlich mehr schmerzen als andere. Erst gegen Ende der Begegnung erleben die Anhänger des VfB zwei Stimmungsaufheller in Form der Tore von Martin Harnik. Die Sensation scheint möglich – zehn Minuten lang brodelt die Stimmung ein wenig im Maulwurf. Doch nach dem Schlussspurt im Haareraufen und Sich-heiser-Brüllen kommt mit dem Schlusspfiff die Enttäuschung. „Der VfB hat sich gut geschlagen“, sagt Markus König, dem zumindest die Genugtuung bleibt, dass seine Frau mit ihrem Tipp danebenlag.

Zur gleichen Zeit befinden sich die Fußballfans im Stuttgarter Schlossgarten in einem Feuchtgebiet, das sich aus gewaltigen Regenmengen und einigen Tränen zusammensetzt. Rund 300 Unentwegte sind trotz des schlechten Wetters an diesem Samstagabend in den großen Biergarten gekommen. Dort hatten in der Vergangenheit bei Fußball-Großereignissen jeweils Tausende von Fans vor den Leinwänden gefeiert – diesmal fällt die Party jedoch ins Wasser.

In der Stadt bleibt es friedlich

Während einige wenige Bayernfans nach der Begegnung ihre Pokalsieger feiern, singen sich Stuttgarter Fans in der Kälte warm: „VfB, i steh zu dir!“ Im Gegensatz zur Hauptstadt, wo es rund um das Spiel zu turbulenten Auseinandersetzungen zwischen einigen VfB-Fans und der Polizei kommt, bleibt in Stuttgart die Lage ruhig: Die Polizei meldet kurz nach dem Spiel: „Keine besonderen Vorkommnisse.“

Am Sonntag trägt Stuttgart Schwarz. Zumindest die VfB-Spieler und Offiziellen, die zum Empfang der Stadt nachmittags ins Rathaus kommen. Schwarz, das ist die Farbe der Clubanzüge, aber einigen der Spieler sieht man auch am Tag nach der Niederlage noch die Enttäuschung an. Es liegt bei Fritz Kuhn, für Stimmung zu sorgen – ausgerechnet am Oberbürgermeister, der eigentlich Bayernfan ist, beim Finale aber dem VfB die Daumen gedrückt hat. „Dann hätte der neue Bayerntrainer noch Steigerungsmöglichkeiten gehabt.“

Fritz Kuhn bleibt diplomatisch

Nach diesen diplomatischen Windungen gratuliert Fritz Kuhn der Mannschaft zu ihrer Leistung gegen die Bayern: „Wenn die Barcelona mit 4:0 abdrücken, dann ist das 2:3 ein ordentliches Ergebnis.“ Kuhn, der das Spiel im Berliner Olympiastadion verfolgt hat, lobt die VfB-Fans, die beim Stand von 0:3 noch lautstark hinter ihrer Mannschaft gestanden hätten: „Das ist keineswegs selbstverständlich.“ Er hoffe darauf, dass es künftig in der Bundesliga nicht bei einem Zweikampf zwischen Dortmund und München bleibe, sondern dass der VfB in der Spitzengruppe mitspielen werde.

Während auf dem Marktplatz rund 200 Fans auf die Mannschaft des Finalteilnehmers warten, gibt der scheidende VfB-Präsident Gerd Mäuser seine Abschiedsvorstellung im Stuttgarter Rathaus: „Wir wären liebend gerne nicht ohne leere Hände hierhergekommen.“

Manche der geladenen Gäste wären beim Empfang der Stadt womöglich schon zufrieden gewesen, die Spieler des Bundesligisten überhaupt zu sehen. Doch weil die Veranstaltung eine halbe Stunde früher als geplant beginnt, kommen einige zu spät. Sie sehen nicht mehr, wie Cacau, Serdar Tasci & Co. das Rathaus verlassen und mit Applaus und Jubel empfangen werden. Den Pokal haben sie nicht im Gepäck, aber Fritz Kuhn formuliert einen letzten Trost: „In Stuttgart scheint die Sonne, in München regnet es gerade bei neun Grad.“