Acht Jahre hat Karin Ott das Diakoniepfarramt geleitet. Nun läuft ihre Sonderpfarrstelle aus und Ott verlässt Stuttgart, um in Schwenningen eine Pfarrei zu übernehmen. Auch dort kümmert sie sich um die Diakonie – und hat vielleicht wieder mehr Zeit für „Harmonie“, ihre Zuchtstute.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Die Kartons in der Wohnung in Kaltental sind schon gepackt, der interne Abschied ist gefeiert, die Reste der Tischdekoration stehen noch in einer Blumenvase im Büro. Es ist einer der letzten Arbeitstage der Diakoniepfarrerin Karin Ott, die Stuttgart nach acht Jahren verlässt. Am nächsten Dienstag kommt der Umzugswagen, um ihre Sachen nach Schwenningen zu bringen, wo eine Pfarrstelle auf sie wartet. Und so sehr Karin Ott sich auf die neue Aufgabe freut, leicht fällt ihr der Abschied nicht. An wen wird sie denken, wenn sie aufbricht? Es sind so viele Schicksale und Geschichten von Menschen, die sie mitnimmt.

 

Wie die von Ben zum Beispiel, der ihr sehr ans Herz gewachsen ist. Einer der letzten Berber sei er gewesen, ein älterer Wohnungsloser, der sie „in seiner Bescheidenheit und Güte zutiefst beeindruckt“ habe. Ben habe immer darauf geachtet, dass es allen gut ging. Schon in ihrem ersten Jahr in Stuttgart haben sie in der Vesperkirche zusammengesessen, um zu reden – und auch die Jahre danach. Bis Ben plötzlich fehlte, weil er in ein Pflegeheim eingeliefert worden war, wo er dann auch starb.

Karin Ott wird auch an einen schwerstalkoholabhängigen Stammgast denken, der sie an ihre Grenzen gebracht hat. „Wir sind durch Tiefen gegangen“, sagt sie. Doch inzwischen gebe es auch Phasen, in denen er trocken sei – darüber sei er unendlich dankbar, und sie auch. Christine, die Elsässerin mit der Quetschkommode, eine „echte Frohnatur“ wird sie sicherlich auch im Geiste mit auf die Reise nehmen. „Sie hatte immer gute Witze auf Lager, konnte aber auch ordentlich schimpfen“, sagt Karin Ott, ein „echtes Original“ sei Christine eben.

Einsatz für die, die am Rand stehen

Karin Ott, die in Tübingen und Hamburg Theologie studiert hat, hat schon vieles in ihrem Leben mit großem Engagement gemacht: als Stipendiatin in Kapstadt, wo sie in einem Straßenkinderprojekt in den Townships gearbeitet hat, als Mitarbeiterin der Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Entwicklungsdienst, als Gemeindepfarrerin in Herrenberg oder als Referentin im Dekanat Tübingen.

Doch die 54-jährige gebürtige Marbacherin macht keinen Hehl daraus, dass sie gerne länger in Stuttgart geblieben wäre. „Soziale Gerechtigkeit ist für mich eine Herzensangelegenheit“, sagt sie. Das große ehrenamtliche Engagement für die Vesperkirche in der Stuttgarter Bevölkerung über Altersgruppen und soziale Schichten hinweg hat sie von Beginn an tief beeindruckt. Mit Stolz blickt sie zudem auf die Vesperkirchenband Rahmenlos und frei.

Doch schon am ersten Arbeitstag in Stuttgart wusste sie, wann ihr letzter Arbeitstag in dieser Position sein würde. Sonderpfarrstellen sind auf acht Jahre befristet. Dass es mit der Pfarrstelle in Schwenningen geklappt hat, war für sie trotz allem ein Glücksfall. Denn dort kann sie ihre Erfahrung einbringen: Ihre neue Position umfasst auch die Verantwortung für die Diakonie. Ihre erste Predigt wird sie am 13. November halten. Vielleicht bleibt in Zukunft auch mehr Zeit für „Harmonie“, so heißt ihre Zuchtstute, die sie vor Jahren geerbt hat. Dann kann sie ihr Hobby, die Pferdezucht, wieder aufnehmen.

Nachfolger steht noch nicht fest

Karin Ott erinnert sich noch gut, wie riesig sich die Fußstapfen anfühlten, als sie damals in Stuttgart ihre Stelle antrat. Martin Friz, ihr Vorgänger, hatte die Vesperkirche gegründet. Eingemischt hat er sich anschließend dennoch nicht, wofür sie ihm dankbar war. Entsprechend will Karin Ott ihrem Nachfolger auch nicht reinreden, sondern ihn oder sie machen lassen.

Noch ist die Stelle nicht ausgeschrieben. Sicher ist: die nächste Vesperkirche wird von anderen verantwortet. Der Diakon Kurt Klöpfer übernimmt die Organisation, Dekan Klaus Käpplinger die Leitung.