Unter dem Verkehrsübungsplatz in Stuttgart-West war im Kalten Krieg eine Mini-Stadtverwaltung für den Notfall eingerichtet. Wir durften einen Blick in den eigentlich geschlossenen Bunker werfen. Was ist von seiner Vergangenheit übrig?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Unter dem Verkehrsübungsplatz in Stuttgart-West harrt einer der interessantesten Stuttgarter Bunker seiner Wiederentdeckung. Im Zweiten Weltkrieg wurden hier nicht nur Bewohner des Stuttgarter Westens vor Luftangriffen geschützt, sondern auch die Hilfsmaßnahmen koordiniert, wenn mal wieder Luftangriffe die Stuttgarter Innenstadt getroffen hatten.

 

Nach Kriegsende war hier kurzzeitig das zweite Stuttgarter Bunkerhotel untergebracht; danach zogen Flüchtlinge, später Musiker ein. Das Album der Band Müll, Anfang der Siebzigerjahre in diesen Räumlichkeiten aufgenommen, wurde im vergangenen Jahr auf dem Label Allscore veröffentlicht. Die Forschungsgruppe Untertage hat dazu weitere Geschichten aufgeschrieben.

Dieses 360-Grad-Panorama zeigt den Eingangsbereich des Diakonissenbunkers. Nutzen Sie die Maus oder – auf mobilen Geräten – den Finger, um sich umzusehen:

In den Achtzigerjahren wurde der Bunker erneut umgebaut – als „Ausweichführungsstelle“, wie der Verein Schutzbauten Stuttgart schreibt. Auf gut Deutsch: Hier wäre im Notfall eine Rumpf-Stadtverwaltung untergekommen. Hier stand der Tisch, von dem aus Manfred Rommel (Oberbürgermeister von Stuttgart 1974 bis 1996) etwa nach oder während eines Angriffs versucht hätte, die Evakuierung der Stadt zu koordinieren.

Dazu kam es nie, stattdessen fiel irgendwann der Riegel ins Schloss und der Bunker wurde vergessen – zumindest von den meisten. Wer einen der Eingänge rund um den Verkehrsübungsplatz hinabsteigt und sich mit Stuttgarter Bunkerexperten unterhält, hört Geschichten, laut denen hier unten mehrere nicht angemeldete Partys stattfanden – für die einige der Wände farbig angemalt worden seien. Tatsächlich sind in einem Bereich des Bunkers die Wände grün.

Ganz offiziell genehmigt war hingegen 2007 eine „Geheimnisvolle Bunkernacht“ sowie im selben Jahr das Gastspiel der Staatsoper im Juli 2007: Für „U-Musik Bunker“ wurde der Schutzbau aufwendig hergerichtet. Ein Jahr davor stellte die Akademie der Bildenden Künste hier aus.

Seit er 2015 aus der sogenannten Zivilschutzbindung entlassen wurde, ist der Bau vollends leergeräumt. Wer die Treppen am Rande des Verkehrsübungsplatzes hinabsteigt und eine der schweren Kellertüren aufstemmt, findet sich zunächst in einem kühlen, aber vergleichsweise trockenen Vorraum wieder. Der geflieste Boden, die glatten Wände und die dankenswerterweise aufgestellte Baustellenleuchte machen den Aufenthalt alles andere als gemütlich.

Links und rechts der Gänge gehen einige Türen ab, die den Blick auf enge Zellen freigeben. Wenn das Licht ausgeht, leuchtet die fluoreszierende Farbe an den Wänden weiter. Einige wenige technische Anlagen sind auch noch vorhanden: die Belüftung im Maschinenraum etwa, von der grüne, blaue und orangerote Rohre abgehen.

Außerdem steht hier noch das Notstromaggregat, das laut Aufkleber 2006 wieder hätte geprüft werden müssen. Ein Dieseltank sowie einige Kanister stehen direkt daneben. Es riecht nach Diesel, aber Kraftstoff lagere hier keiner, sagt Hans Hofmann, der im Rathaus für die Verwaltung der Bunker zuständig ist.

Hinter schweren Türen finden sich Aktivkohlefilter, die im Notfall die von außen angesaugte Luft gesäubert hätten. Und tatsächlich liegen in einigen der Räume noch alte Telefone herum. Das sind aber nur die allerletzten Überreste der Notverwaltung – das OB-Zimmer, die Funkanlage und weitere Einrichtungsgegenstände wurden vom Verein Schutzbauten Stuttgart in deren „Museumsbunker“ nach Feuerbach gebracht und können dort besichtigt werden.


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