Der Pfarrer Hans Hilt predigt am 2. März in der Matthäuskirche – im Dialekt. Dazu kommen auch Nicht-Schwaben. Für sie gibt es eine Hilfe: Gebete sind Hochdeutsch.

Gerlingen/Stuttgart - Er ist ein engagierter Theologe, der auch seine Muttersprache zur Verkündigung nutzt. Und er regt sich sehr darüber auf, dass der schwäbische Dialekt in Rundfunk und Fernsehen meist ausschließlich zum oberflächlichen Amüsement eingesetzt wird. Die schwäbische Seele hat es dem Seelsorger angetan.
Herr Hilt, ich frage Sie auf hochdeutsch: Wieso predigen sie auf schwäbisch?
(antwortet im Dialekt) Ich bin dagegen, den Dialekt nur als Gag zur Unterhaltung einzusetzen. Auf Schwäbisch kann ich vieles deutlicher ausdrücken. Die Sprache kommt von innen raus, das verstehen die Leute. Wenigstens die meisten.
Was werden Sie den Leuten sagen?
Ich werde mich zunächst mit dem Thema „wieso überhaupt schwäbische Predigt?“ beschäftigen. Dabei lasse ich ein bisschen meinen Frust darüber raus, welch niedrigen Stellenwert das Schwäbische in Rundfunk und Fernsehen heute hat. Auch im SWR kommt Schwäbisch nur als Spaß – ich habe noch nie eine Sendung gehört oder gesehen, in der ein ernsthaftes, nachdenkliches Thema auf Schwäbisch behandelt wurde – sondern nur Mäulesmühle und Co. Das Schwäbische ist aber deutlich mehr als die Sprache von Spaßmachern. Ich setze mich auch mit dem „Hochdeutsch“ auseinander: Das bedeutet weder „Norddeutsch“ noch „Schriftdeutsch“. Hochdeutsch ist die Sprache, in der sich Menschen von Ost und West, von Nord und Süd verständigen können. Es ärgert mich, dass das Deutsch der Hannoveraner als das „richtige“ Deutsch dargestellt wird.
Und was ist mit „Wir können alles außer Hochdeutsch“?
Das ist ein saudummer Spruch. Da stimmt weder die erste noch die zweite Hälfte des Satzes. Er klingt witzig, das erste Satzteil ist aber sehr arrogant. Dazu passt, dass die Schwaben kein gutes Image in Deutschland haben. Sie sind zwar reicher als andere Deutsche und auch erfolgreicher – aber oft auch besserwisserischer.
Das Thema Ihrer Predigt heißt „Viel Glick ond viel Seaga“. Wie hängen Glück und Segen zusammen – und was hat dies mit der Fasnacht zu tun?
Wenn wir singen „Viel Glück und viel Segen“, wünschen wir ein glückliches friedliches Leben. Mit dem Wort Segen drücken wir aus, dass dieses Glück von Gott kommt und nicht von den Menschen. Meine Themen für diese Predigtreihe haben nicht wirklich etwas mit der Fasnet zu tun – man kann dazu keine Pappnase aufsetzen. Die Fasnet ist der Anlass, etwas zu machen, was man sonst nicht macht – nämlich eine schwäbische Predigt. Da wird mehr geschmunzelt als bei einer normalen Sonntagspredigt, aber nicht, weil sie spaßig ist. Sondern, weil ein hintergründiger Humor drinsteckt.
Wie passt „Viel Glick ond viel Seaga“ zu den Themen ihrer vorangegangenen Fasnachtspredigten, beispielsweise dem „Schaffa, spara ond no?“ oder dem „No net hudla“ vom vergangenen Jahr?
Ich habe mich lang an die Predigtordnung der Landeskirche gehalten, die dem Pfarrer für jeden Sonntag einen Bibeltext vorschlägt. Diese Stellen wiederholen sich alle sechs Jahre. Weil ich damit jetzt durch bin, suche ich Themen, die das schwäbische Seelenleben verdeutlichen. Glück und Segen stammen auch aus der Jahreslosung.
Nicht alle Ihrer Gottesdienstbesucher sind doch Schwaben. Schließen Sie mit dem Schwäbisch in der Predigt nicht von vorneherein einen Teil der potenziellen Zuhörer aus?
Gut, das mache ich. Jeder, der den Dialekt nicht leiden oder kein Schwäbisch hören oder verstehen kann, ist am Sonntag fehl am Platz. Der kann aber an den anderen 51 Sonntagen im Jahr in die Kirche gehen. Normal wird bei uns auf hochdeutsch gepredigt. Des könnet mir nemlich au.
Wie reagieren denn die Leute, deren Muttersprache nicht das Schwäbische ist?
Auch solche Gemeindeglieder kommen gern. Sie sagen: auch wenn ich nicht jedes Wort verstehe, bekomme ich das Hintergründige sehr wohl mit. Die Gebete, die Schriftlesung, das ist alles auf Hochdeutsch. Denn ich möchte nicht, dass sich Menschen vom Gebet ausgeschlossen fühlen. Da ist mir das Schriftdeutsche heilig.
Die Befürworter der Mundart in der Kirche sagen, dass der Pfarrer damit „d’ Leut’ drhoim abholt“. Ihre Erfahrung dazu?
Schwäbisch ist die Sprache der Seele. Ich will die Leute nicht nur abholen – sondern ich will meinen Glauben auch in der Sprache meiner Seele ausdrücken.
Vor einem Jahr haben Sie für den Kirchentag 2015 in Stuttgart ein schwäbisches Forum angestrebt. Ist das immer noch Ihr Ziel?
Ich habe diesen Vorschlag eingebracht – aber mittlerweile verstanden, dass Schwäbisch in Württemberg etwas anderes ist als Plattdeutsch in Hamburg. Norddeutsche, die plattdeutsch reden, genieren sich kein bissle. Den Schwaben aber hat man beigebracht, dass man sich fürs Schwäbisch genieren muss. Deshalb haben viele ein gestörtes Verhältnis zum Dialekt. Viele Schwaben getrauen sich nur schwäbisch zu schwätzen, wenn lauter Schwaben dabei sind. Dennoch bin ich dafür, dass wir eine oder zwei Veranstaltungen beim Kirchentag machen, in denen das Schwäbische als ernst zu nehmende Sprache auch in theologischen Fragen erlebt werden kann.