Innenminister Thomas de Maizière nimmt den Gesprächsfaden mit muslimischen Verbänden wieder auf. Künftig soll es weniger um politische Streitfragen gehen als um Alltagsprobleme.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Im Bundesinnenministerium gibt es nicht nur einen neuen Chef. Es herrscht dort auch ein neues Selbstverständnis. Unter dem früheren Amtsinhaber Hans-Peter Friedrich (CSU) war die Deutsche Islamkonferenz unsanft entschlafen – Friedrich hatte sie zwangsweise eingeschläfert. Seinem Nachfolger Thomas de Maizière (CDU), der zugleich auch Friedrichs Vorgänger war, ist der Dialog mit den muslimischen Verbänden hingegen ein Anliegen. Er wagt einen Neuanfang. Darüber hat de Maizière sich am Montag mit Repräsentanten der Muslime beraten.

 

Die Islamkonferenz soll in neuer Form ihre Arbeit wieder aufnehmen. Sie wird sich nicht mehr vorrangig mit Sicherheitsfragen befassen, was Friedrich das Wichtigste war, sondern mit lebenspraktischen Themen. Ganz oben auf der Agenda steht das Stichwort Wohlfahrtspflege. Angesichts der zunehmenden Zahl älterer und pflegebedürftiger Zuwanderer mit muslimischem Glauben herrsche hier der dringendste Handlungsbedarf. Dabei geht es darum – so ein Arbeitspapier – „wie das Angebot an kultur- und religions-sensiblen Leistungen der Wohlfahrtspflege für Muslime noch weiter verbessert werden kann“. Unter anderem soll – gemeinsam mit Experten christlicher Kirchen und anderer karitativer Organisationen – erörtert werden, ob die Gründung eines muslimischen Wohlfahrtsverbandes nach dem Vorbild von Diakonie oder Caritas sinnvoll ist.

„Mehr auf Arbeit als auf Außendarstellung konzentrieren“

Der Innenminister und die Muslime haben sich nach eigenem Bekunden einvernehmlich auf ein neues Programm und eine neue Arbeitsweise verständigt. Die Islamkonferenz, 2006 von de Maizières Vorgänger Wolfgang Schäuble (ebenfalls CDU) ins Leben gerufen, soll sich künftig „mehr auf die Arbeit und weniger auf die Außendarstellung konzentrieren“, sagte der Minister. Sie wird nun von einem Lenkungsausschuss gesteuert, dem neun muslimische Verbände, Vertreter des Innenministeriums, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, sowie Fachleute aus den Kommunen angehören sollen. Der Lenkungsausschuss installiert einen Arbeitsausschuss von maximal 25 Personen, der sich um die konkreten Themen kümmern wird. In diesem Arbeitsausschuss sollen auch wieder Persönlichkeiten aus dem muslimischen Milieu mitwirken können, die Funktionen in den Verbänden haben. Es gebe allerdings ein „informelles Vetorecht“ für alle Seiten, was die Teilnehmer angeht, sagte de Maizière.

Der Arbeitsausschuss wird sich bereits im Mai treffen, um das Thema Wohlfahrt zu beraten. Im Spätherbst soll es auch eine öffentliche Sitzung geben, bei der allerdings noch keine Ergebnisse vorgestellt werden. Man werde sich für dieses Thema etwa zwei Jahre Zeit nehmen, sagte der Minister. Danach will sich die Islamkonferenz um Fragen der Seelsorge kümmern. In diesem Zusammenhang soll auch erörtert werden, in welcher Form muslimische Religionsgemeinschaften etwa in der Militärseelsorge oder bei der Betreuung von Häftlingen mitwirken können.

Muslime suchen „partnerschaftliches Verhältnis zum Staat“

Bekir Alboga von der Türkisch-Islamischen Union verwies darauf, dass muslimische Organisationen seit geraumer Zeit bereits Dienste im Sinne der Wohlfahrt leisteten, bisher jedoch nicht in Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen. Zudem mangele es oft an Professionalität. Man strebe nun ein „partnerschaftliches Verhältnis mit dem Staat“ an. Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime in Deutschland begrüßte nach dem Treffen mit dem Minister, dass der Islam „nicht mehr nur in den Kategorien Zuwanderung und Bringschuld abgehandelt wird, sondern mit der Perspektive von Teilhabe“.

Die Evangelische Kirche in Deutschland begrüßt die Absicht, die Kirchen künftig in den Dialog mit den Muslimen einzubinden. Die Gründung eines muslimischen Wohlfahrtsverbandes könnte wegweisend für das Zusammenleben der Religionen in Deutschland sein, sagte Diakonie-Präsident Johannes Stockmeier.