Nun ist es also offiziell: Alice Weidel ist homosexuell. Das wäre nicht weiter interessant, wäre sie nicht die Frontfrau einer Partei, die nicht nur vom Schwulen- und Lesbenverband als „zutiefst homophob“ bezeichnet wird.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Viernheim - Eine Viertelstunde dauerte es bis um Outing von Alice Weidel. Eine Viertelstunde hatte sie bei einem Wahlkampfauftritt in Viernheim bei Mannheim über Wirtschafts- und Finanzpolitik geredet. Dann kommt eine Passage, die von der AfD-Politikerin als Premiere angekündigt wird. Sie will über ihr Privatleben sprechen. „Ich bin homosexuell“, sagt sie freiheraus. Die Reaktion ist verhalten, dann beginnt ein etwas müder Applaus. Weidel hatte nie ein Geheimnis aus ihrer Homosexualität gemacht – aber auch nicht darüber geredet. Im Wahlkampf hatte sie das Thema gemieden. Wohl auch, weil sie weiß, dass nicht alle Parteimitglieder der AfD mit dem Thema wirklich entspannt umgehen können. Es werde akzeptiert, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Was vielen AfD-Mitgliedern aber gegen den Strich geht ist die Tatsache, dass Weidel zwei Kinder mit ihrer Partnerin hat. Für eine Partei, die so sehr viel Wert auf die traditionelle Familie legt, ist das starker Tobak.

 

Die Flucht nach vorne?

Doch das Outing Weidels ist nur der vorläufig letzte Schritt einer offenbar gut vorbereiteten Attacke – oder ist es eine Flucht nach vorne? Denn sie wirbt nur wenige Tage vor der Bundestagswahl gezielt um homosexuelle Wähler. In einem Interview mit dem Blog „Philosophia Perennis“ sagte Weidel, ihre Partei sei „die einzige echte Schutzmacht für Schwule und Lesben in Deutschland“. Die größte Bedrohung für Homosexuelle gehe aktuell von muslimischen Migranten aus, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften aus religiösen Gründen ablehnten.

Wie passt das zur AfD?

Doch wie passt das zum Wahlprogramm der AfD. Die Partei beklagt darin: „die Anzahl traditioneller Familien in Deutschland ist seit vielen Jahren rückläufig“. Außerdem kritisiert sie: „Eine einseitige Hervorhebung der Homo- und Transsexualität im Unterricht, wie sie die sogenannte „Sexualpädagogik der Vielfalt“ praktiziert, stellt einen unzulässigen Eingriff in die natürliche Entwicklung unserer Kinder und in das vom Grundgesetz garantierte Elternrecht auf Erziehung dar.“

„Wenn man ehrlich ist, erscheint die AfD auf den ersten Blick natürlich nicht als die erste Adresse, wenn es um die Rechte von Homosexuellen geht“, räumte Weidel ein. Ihre Partei stehe aber „für Recht und Ordnung und für die Bewahrung unserer freiheitlichen westlichen Kultur und Zivilisation“. Und davon profitierten auch Homosexuelle.

Schwule und Lesben wehren sich

Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) sagte, wenn Weidel jetzt „auf dem rosa Einhorn daher geritten kommt“ und die AfD als Schutzmacht für Lesben, Schwule und Transsexuelle preise, sei das nur als „Fakenews“ zu klassifizieren. Nicht nur bei Muslimen sei mehr Aufklärung und „Akzeptanzarbeit“ nötig, sondern auch bei den Russlanddeutschen. Gewalt und eine „Ideologie der Ungleichzeit“ dürfe man nicht akzeptieren, „weder bei Islamisten noch bei den rechtsextremen Freunden von Frau Weidel oder in der Mitte der Gesellschaft“, fügte Beck hinzu. Auch der Lesben- und Schwulenverband hat seine fundamentalen Probleme mit den Aussagen von Weide. Die Organisation erklärte kürzlich: „Ob mit oder ohne Weidel – die AfD ist eine unberechenbare, radikale und zutiefst homophobe Partei.“