Ob Erwerbsobstbauer oder Stücklesbesitzer, jetzt werden die Ärmel hochgekrempelt, denn die Apfelernte beginnt. Und die sieht gar nicht schlecht aus, wie ein Blick ins Remstal zeigt
Remstal - Wenn Adam ein Schwabe gewesen wäre, hätte er nicht in den Apfel gebissen. Er hätte Moscht daraus gemacht.“ Wer kennt den Spruch nicht, der das hohe Lied auf des Schwaben Lieblungsgetränk singt, den Most aus Äpfeln und Birnen. „Ein guter Most heilt jeden Schmerz, er ist des Schwaben Perle. Der Wein erfreut der Menschen Herz, der Most den ganzen Kerle“, reimt der Volksmund und verweist damit sogar den Wein auf Platz zwei. Tatsächlich war der Most in früheren Jahrhunderten eines der hauptsächlich genossenen Getränke der Landbevölkerung, die sich Weingenuss kaum leisten konnte – der Wein wurde hauptsächlich verkauft.
Außerdem waren Äpfel, wie alles Obst, das vor Ort gedeiht, wichtige Nahrungsgrundlagen, ob pur genossen, als Apfelmus oder als Kuchenbelag. Vor allem Winteräpfel, die lange haltbar sind, waren wichtig auf dem Speiseplan bis zum Frühjahr. Einige alte Rezepte wie der Ofenschlupfer zeugen noch von Zeiten, als man auch Reste wie altes Brot zusammen mit Äpfeln verwertete.
Jetzt hat die Apfelernte wieder begonnen, mit etwas Verzögerung, dafür aber mit Früchten, die sich sehen lassen können. In der vergangenen Woche wurden die Frühsorten bereits geerntet, wie Ursula Coppola mitteilt. Die Obstbauberaterin des Landratsamtes kann zwar noch nichts über die Fruchtqualität der Äpfel sagen, aber der Gehalt an Mineralstoffen sei zufriedenstellend.
Die Menge fällt ein bisschen geringer aus
Die Menge sei dieses Jahr um 13 Prozent geringer ausgefallen als im vergangenen Jahr. Das liege nicht an der Anzahl der Äpfel, sondern an deren Größe. Die Früchte seien dieses Jahr etwas kleiner, da die Bedingungen im Frühjahr nicht optimal für sie verlaufen seien. Die erste Blüte habe viel später stattgefunden. Üblich sei ein Zeitraum statt, der etwa zwischen dem 22. und 30. April liege. Dieses Jahr haben die Apfelbäume jedoch erst zwischen dem 7. und 13. Mai zum ersten Mal geblüht.
Von Unwettern und insbesondere vom Hagel seien die Äpfel und auch andere Obstsorten dieses Jahr verschont geblieben. „Dank des Hagelfliegers“, wie Marie-Christine Scholze, eine Sprecherin des Landratsamtes, nicht versäumt zu betonen. Schließlich koordiniert der Rems-Murr-Kreis den Einsatz der Flugzeuge, die Wein und Obst vor Hagelschlägen schützen sollen.
Jetzt werden die Herbstsorten geerntet. Dazu zählen unter anderem die Sorten Elstar, Gala oder Jona Gold. Diese können sofort gegessen werden, sobald sie vom Baum geholt worden sind. Im Gegensatz dazu werden die Wintersorten erst gelagert, bevor sie gegessen werden. Manche Sorten kann man sogar bis in den nächsten Sommer lagern, ohne dass sie schlecht werden. Die Winteräpfel werden in vier bis fünf Wochen geerntet.
Wildbienen helfen den Obstbauern bei der Arbeit
„Ich habe mir keine Sorgen wegen des Frühlingswetters gemacht. Dieses Gejammer kann ich nicht hören“, sagt Ernst Häcker und lacht verschmitzt, als er zusammen mit Sohn Jens durch die Reihen seiner Spindelbäume auf den Feldern zwischen Groß- und Kleinheppach geht. Die Häckers haben guten Grund, gut gelaunt zu sein: An den Zweigen hängen Äpfel prall wie Christbaumkugeln, rote und helle. „Das ist doch ein Anblick, oder?“, meint der Erwerbsobstbauer und bietet seinen Besuchern Festival-Äpfel an, die er von den Zweigen pflückt. Im Gegensatz zu Hochstämmen braucht man bei den kleinen Spindelbäumen keine Leiter und muss auch nicht die Zweige schütteln, damit die Ernte herabpurzelt.
Zwischen den Obstbäumen sind die Gestelle zu sehen, in denen Wildbienen ihr Zuhause einrichten können. Die emsigen Helfer sind für die Obstbauern unverzichtbar, ohne Bienen gibt es keine Bestäubung. „Die Wildbienen sind robuster als andere Bienen und fliegen auch bei kaltem Frühjahrswetter“, erklärt Ernst Häcker.
Nicht nur, was den Geschmack angeht, können die Häckers zufrieden sein. „Das Wetter der letzten Tage war sehr gut, das bringt den Äpfeln richtig Farbe“, sagt Häcker, der seinem Beruf voller Enthusiasmus nachgeht. Der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht sei ausschlaggebend für die knallroten Bäckchen der Äpfel. „Da sind wir hier besser dran als am Bodensee. Dort gleicht die Wassermasse die Temperaturen zu sehr aus.“
Zu tun gibt es für Erwerbsobstbauern wie die Häckers immer etwas. Werden keine Äpfel geerntet, sind Aprikosen, Mirabellen, Beeren und andere Früchte dran. Die Häckers beteiligen sich außerdem seit zwei Jahren am EU-Programm Schulfrucht. „Wir beliefern Schulen und Kindergärten von Schorndorf bis in den Ostalbkreis mit Obst“, erklärt Ernst Häcker. Pro Woche werden 1800 Kilogramm Früchte geliefert. „Morgens um sechse geht es los, abends um sechse sind wir dann zurück.“ Die Tour geht bis Elchingen und Heidenheim, geliefert werden Äpfel, Zwetschgen, Mirabellen und anderes Leckeres aus dem Remstal.
Flüssige Äpfel: Most und Cidre aus Schwaben
Die Mostäpfel haben dieses Jahr etwas Verspätung. In manchen Betrieben wie den Bittenfelder Fruchtsäften wird das Mostobst allerdings bereits angeliefert, die Pressen laufen. „Etwas später als sonst, weil die Äpfel noch nicht reif genug waren“, sagt ein Mitarbeiter der Saftkelterei in Waiblingen-Bittenfeld, die in ihrem reichhaltigen Sortiment nicht nur Säfte, sondern auch Most und Cidre anbietet. Das normannische Nationalgetränk sei aber mehr mit Apfelwein als mit Most vergleichbar.
Bei den Beutelsbacher Fruchtsäften beginnt die Anlieferung am Mittwoch. Wer einen frisch gepressten Apfelsaft direkt im Birkel-Areal neben der B 29 abholen will, müsse allerdings noch bis Ende der Woche warten, teilt eine Mitarbeiterin der Firma mit. Schließlich muss der Saft ja erst einmal gepresst werden. Wie in jedem Jahr wird ein großes Schild auf dem Dach der Fruchtsaftkellerei bis hin zur Schnellstraße anzeigen, dass frischer Apfelsaft geholt werden kann. Darüber hinaus besteht bei Beutelsbacher Fruchtsäfte das ganze Jahr über die Möglichkeit, im Fabrikverkauf täglich von Montag bis Samstag einzukaufen und zu probieren.
Das Schwäbische Streuobstparadies ist ein Verein
Wer sich selbst einmal im Mosten oder Saften probieren will, findet demnächst entsprechende Kurse bei dem Verein Das Schwäbische Streuobstparadies. In diesem sind mehr als 200 Mitglieder organisiert, unter anderem sieben Landkreise, Regierungspräsidien und Kommunen, Obstbauverbände und Genossenschaften bis hin zu Privatpersonen. „Wir wollen Kurse anbieten, in denen man lernen kann, wie man selbst Most macht. Da gibt es nämlich einiges, was man falsch machen kann“, sagt Maike Schünemann von der Geschäftsstelle des Vereins in Bad Urach. Wer schon einmal einen Schluck schlecht gewordenen Mosts in der „Gosch“ gehabt hat, weiß welchen durchschlagenden Effekt das hat.
Vor ein paar Jahren hat der Verein, der sich den Erhalt der Streuobstwiesen auf die Fahne geschrieben hat, auch den alten Brauch des Afterbergens wiederaufleben lassen. Darunter versteht man das freie Auflesen von Feldfrüchten für jedermann nach einem Stichtag, meisten dem 16. Oktober, dem Gallustag. Was dann noch an den Bäumen hing, durfte straffrei gepflückt werden, egal ob einem der Baum gehörte oder nicht. Nach heutigem Recht wäre das Diebstahl. Die modifizierte Form des Afterbergens besteht darin, die Stücklesbesitzer zuerst zu fragen und nur zu ernten, wenn sie einverstanden sind.
Die Preise haben das Streuobst verkommen lassen
Der Knackpunkt, warum das Streuobst verkommt, sind die niedrigen Preise, die für das Obst bezahlt werden, dessen Ernte ziemlich schweißtreibend ist. Das Schwäbische Streuobstparadies hat deshalb mit der Firma Seeberger einen Vertrag zur Produktion von Apfelchips abgeschlossen. Wer dafür Äpfel liefert, erhält einen besseren Preis für die Äpfel als anderswo.
Bewährte Volksweiheit: An Apple a Day keeps the Doctor away
Waiblingen - Eine Menge Volksweisheiten rankt sich um die Äpfel. Welche der populären Thesen ernährungswissenschaftlich Bestand haben, erklärt Christa Schumacher, Hauswirtschaftsmeisterin beim Landratsamt.