Milliardenwerte auf engstem Raum: Die Art Basel, die größte Kunstmesse der Welt, hat ihre Pforten geöffnet. Dass sie ein Jahrmarkt der Eitelkeiten ist, räumen die Veranstalter augenzwinkernd ein. Trotzdem bietet sie Raum für politische Statements.

Basel - Wo sind wir hier, im Fun Park? „Welcome to the Fun Fair“ ist auf dem Schild vor den Hallen der Messe Basel im Zentrum der Stadt am Rheinknie zu lesen. Zur Auflockerung des strapaziösen Messerundgangs gibt es für den Besucher der 48. Art Basel erst mal eine Runde Spielen. Bowlen und minigolfen darf er, tanzen, darten und armdrücken. Mit drei Franken ist man dabei, dem Sieger des Wettkampfs winkt ein ganz besonderer Preis: ein Kunstwerk von der Hand der Erfinderin des Spiels, Claudia Comte – und ihre monumentale Outdoor-Installation auf einem künstlichen Hügel, eben dem Fun Park, ist selbst ein Kunstwerk. Als Jahrmarkt interpretiert die Schweizer Künstlerin das Treiben auf der Art Basel.

 

Der Kunstmarkt als Kirmes? So haben wir das bisher noch nicht gesehen. Indem die Verantwortlichen der Messe den ironischen Kommentar als offizielles Aushängeschild der Kunstmesse durchwinkten, bewiesen sie ein gehöriges Maß an Souveränität. Aber wenn die Geschäfte florieren, lässt sich alles etwas entspannter sehen. Bedenkt man’s recht, ist die Etikettierung auch nicht so überspitzt. Um es mit einem Romantitel von William Makepeace Thackeray zusagen: Ein Jahrmarkt der Eitelkeiten ist die Art Basel, die größte Kunstmesse der Welt, neben vielem anderem zweifellos auch.

Denn nicht alles ist Gold, was glänzt auf dem schier endlosen Messeparcours, nicht alles hat Sinn und Verstand. Das gilt zumal für die Preise, deren Höhenflug auf dem Kunstmarkt zwar vorerst gestoppt scheint, die sich aber auf unverschämt hohem Niveau stabilisiert haben. Jahr für Jahr sind auf der Art Basel auf engem Raum Milliardenwerte versammelt, die Standmieten entsprechend horrend. 291 Galerien aus 35 Ländern und fünf Kontinenten haben es diesmal zur wichtigsten Messe für die Kunst der Moderne und der Gegenwart geschafft. Geboten werden Malerei, Grafik und Skulpturen, Installationen, Foto- und Videoarbeiten – das volle Programm.

Der Preis für verkaufte Kunstwerke wird nicht genannt

Im Sektor Art Feature präsentieren 32 Galerien kuratierte Ausstellungen mit Werken einzelner Künstler. Jörg Maass aus Berlin beispielsweise zeigt seltene Drucke von Max Beckmann, Aurel Scheibler, ebenfalls Berlin, die „Augenbilder“ Ernst Wilhelm Nays. Mazzoleni aus Turin und London wartet mit Piero Manzonis beiden Serien der „Achromes“ und „Linee“ auf.

Der Hauptsektor mit 226 Galerien ist von einer erschlagenden Fülle des Diversen – und gleichzeitig ein kunterbuntes Kuriositätenkabinett all dessen, was teuer, aber nicht immer gut ist. Je schriller, desto besser, scheint die Maxime mancher Künstler zu lauten. Schön bunt und doch seriös indes sind zwei geometrische Screen Prints von Tobias Rehberger bei STPI aus Singapur. Bunt ist auch eine neue, wandfüllende Mischtechnik auf Leinwand von John Armleder (David Kordansky, L. A.) oder Jiri Dokoupils großformatige Leinwand in Acryl und Öl von 2015 bei Juana de Aizpuru, Madrid.

Doch es gibt auch schwarze Kunst. Angesichts von Werken wie George Segals bedrückender, weil ganz in die Nichtfarbe Schwarz getauchter Installation mit Frau im Bett bei Templon, Paris, erscheint Adornos pessimistische Deutung des Schwarz in der Moderne als Ausdruck verschatteter Utopie sehr plausibel. An drei schwarzen Acrylbildern von Pierre Soulages bei Alice Pauli, Lausanne, klebt bereits ein roter Punkt – der Preis? Wird nicht genannt. Auch der Erlös für einen Flaschentrockner von Duchamp an einem anderen Stand bleibt ein Geheimnis. Früher posaunten Galeristen gerne stolz ihre Millionenbeträge gern in die Welt hinaus. Mittlerweile zeigt man im Fall nichtvorhandenen Kaufinteresses eher Scheu, die obszönen Summen in den Mund zu nehmen.

Wohlfeiles Trump-Bashing

Daniel Blau aus München hat nicht nur eine ganze Wand glänzender früher Warhol-Zeichnungen im Sortiment, sondern auch glänzende grafische Kunst von Georg Baselitz. Richard Nagy, London, bietet Otto Dix’ wunderbaren „Sitzenden Akt mit blondem Haar“ von 1931 für 4,5 Millionen Euro an, dazu ein Dutzend Aquarelle von Egon Schiele im mittleren siebenstelligen Bereich – pro Blatt! – sowie freizügige Frauenakte von Klimt, Picasso oder Eric Fischl.

Frauen, Frauen, Frauen, wohin man schaut. Auch Di Donna, ein Neuling aus New York, setzt – Nomen est Omen – mit einem Arp’schen „Torse des Pyrénés“ in Gips und verführerischen Formen oder einer „Anthropométrie“ von Yves Klein auf die Weiblichkeit. Dazu gibt es erotische Frauen-Akte von Schiele bei St. Etienne, New York, oder Rose Wylies Serie karikaturistisch anmutender lithografischer Köpfe von Frauen bei Polígrafa aus Barcelona. Einige der schönsten Frauenbildnisse hat Gavin Brown aus New York: Alex Katz’ hinreißendes Doppel-Porträt „Emma 3“ von 2017 gibt es dort für 600 000 Dollar.

Wie politisch ist die diesjährige Art? Das Trump-Bashing bei Barbara Kruger etwa mag treffend sein, als kleinster gemeinsamer Nenner des Politischen ist es aber auch entbehrlich. Tiefer setzt Olaf Metzels raumgreifende Installation „dermaßen regiert zu werden“ von 2015 an. Mit ihrer Geste der Verwüstung zielt sie nicht gegen einzelne politische Akteure, sondern das Kaputtregiertwerden als Konsequenz des Politischen in der Hochphase des Neoliberalismus. Die Regierten als Geiseln, als Gefangene einer katastrophal unsozialen Politik: Kokett stellen sich vornehm gekleidete Damen in Hélio Oiticicas einladenden Käfig und machen ein Selfie.

Es gibt auch andere Kunst in Art Unlimited. Sie ist heiter und schwerelos wie Otto Pienes riesige und luftige Installation „Blue Star Linz“ von 1980 oder Chris Burdens Luftschiff, das in periodischen Abständen seine Kreise zieht. Vor Subodh Guptas „Kooking the world“, wo man kostenlos bekocht wird, hat sich eine Schlange gebildet – ein sinnvoller Zwischenstopp, ehe man gestärkt weiter durch die Kunstmesse flaniert, etwa zu den Art Statements mit junger Kunst, den Art Conversations mit Gesprächen und Diskussionsrunden oder dem Art Parcours als dem ins historische Zentrum Basels ausgelagerten Teil der Messe: Ai Weiweis monumentalen „Iron Tree“ am Münsterplatz sollte man sich keinesfalls entgehen lassen.

Und dann gibt es in Basel ja noch das Art Film-Programm, jede Menge Satellitenmessen sowie – das nur nebenbei – eine Reihe hochkarätiger Ausstellungen in der Stadt am Rhein: Das Kunstmuseum zeigt den „Verborgenen Cézanne“ und die Fondation Beyeler in Riehen eine Wolfgang- Tillmans-Retrospektive.