Die Christdemokraten sind erschüttert, in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg müssen sie herbe Niederlagen verkraften. Aber Angela Merkel sieht keinen Anlass für einen Kurswechsel.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Das Konrad-Adenauer-Haus hat schon bessere Zeiten erlebt. Einst hatte Angela Merkel in ihrer Parteizentrale die Treppe hinauf in die oberen Etagen tapezieren lassen mit den Namen sämtlicher Bundesländer, in denen Wahlen bevorstanden. Sie wollte zeigen, dass sie diese Landtagswahlen als Stufen zu ihrem eigenen Erfolg betrachtet. Inzwischen würde sich allenfalls die Kellertreppe für eine solche Dekoration anbieten.

 

Der Wahlabend beginnt mit einer Art Schweigeminute. Als die ersten Zahlen über die Bildschirme im Foyer der CDU-Residenz flimmern, ist es, als hätte der Hausmeister den Strom ausgeknipst. „Ouh“, rufen einige. „Huh“, stöhnen andere. Den meisten verschlägt es die Sprache. Sie bleiben stumm, fassungslos. Nach bangen Minuten ist ein Aufschrei zu hören. Da verlesen sie im Fernsehen gerade das Wahlergebnis der AfD in Sachsen-Anhalt. Die nähert sich schon dem Niveau von Baden-Württembergs CDU.

Hier gibt es die Ergebnisse der Landtagswahl

Wie immer verfolgt Angela Merkel solche Wahlkrimis in der Provinz aus der Abgeschiedenheit des Kanzleramts. In diesem Fall täuscht die vermeintliche Distanz zu den unmittelbaren Opfern. Merkel selbst stand nicht zur Wahl, aber das Volksvotum wird auch als Verdikt über ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik gelesen. Die Kanzlerin könnte es sich einfach machen. Die Ergebnisse dieses Sonntags lassen sich zu einer Zweidrittelmehrheit zusammenzählen, die ihre Linie mitträgt. Es ist nicht auszuschließen, dass hinter den Mauern des Kanzleramts solche Erklärungsmuster gehegt werden.

Klöckner war ein Hoffnungsträger für die ganze Partei

Draußen ist das anders. In Merkels Partei gab es eine Mindesterwartung an den Sonntagabend: Der Umstand, dass Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff weiter regieren kann, hatten die meisten Unionisten schon eingepreist. Da aber sowohl Julia Klöckner als auch Guido Wolf scheitern, hat Merkel ein doppeltes Problem. Klöckner gehört zu den wenigen Hoffnungsträgern in ihrer Partei – sie ist eine Nachwuchskraft, die im CDU-Milieu hohe Sympathie genießt. Ihr Debakel ist eine Niederlage für die ganze Union.

In Baden-Württemberg liegen die Verhältnisse etwas anders. Da gelten die Sympathien weniger dem Spitzenkandidaten. Seine Schlappe sei „zu guten Teilen hausgemacht“, sagt einer der führenden Unionisten. Die Südwest-CDU galt einst als eine Art Spätzle-CSU. Auf ihrer Stärke gründen Merkels Wahlsiege. Bei der letzten Bundestagswahl im September 2013 verbuchten die Christdemokraten in Stuttgart fast 46 Prozent – ein Wert, der tatsächlich an das Kaliber der bayerischen Schwesterpartei heranreicht. Was davon verloren gegangen ist, wird am Ende auch Merkel fehlen, wenn sie 2017 noch einmal antritt.

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Generalsekretär Peter Tauber redet wie ein Therapeut, als er die Hiobsbotschaften zu deuten versucht. Der CDU-Manager erspart seinen deprimierten Parteifreunden einen schonungslosen Befund. Von „Licht und Schatten“ ist die Rede. „Besonders viel Schatten“ sieht Michael Grosse-Brömer, Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, nicht etwa im Südwesten der christdemokratischen Landkarte, sondern auf den Wahlgrafiken dort, wo die Balken der AfD in den Himmel wachsen. Tauber blendet den Schatten weitgehend aus. Er lenkt den Blick auf den Umstand, dass Rote und Grüne weder in Mainz noch in Stuttgart allein weiterregieren können. „Die CDU wird in allen drei Ländern gebraucht“, sagt Tauber.

Folgt nun ein „Bombardement gegen Berlin“?

So viel Zweckoptimismus herrscht nicht bei allen. Paul Ziemiak, Chef der Jungen Union, spricht von einem „bitteren Tag“ für die CDU und fügt hinzu: „Dass wir so viele Wähler verloren haben, muss uns zu denken geben.“ Ziemiak, ein Kritiker der Flüchtlingspolitik Merkels, schont aber die Kanzlerin. Die Schwindsucht der CDU sei keineswegs als Misstrauensvotum gegen Merkels Kurs zu verstehen. „Das ist jetzt die falsche Frage“, betont der ansonsten eher rebellische Nachwuchspolitiker. Ähnlich sieht es auch der Generalsekretär. Auf die Frage, ob es nun an der Zeit sei für eine Korrektur der Flüchtlingspolitik, sagt Tauber einsilbig: „Das sehe ich nicht.“

Auch Merkel selbst hat ja rechtzeitig wissen lassen, dass sie keinen Anlass sieht, ihre Linie zu überdenken. Anders als vor fünf Jahren will sie nach dieser Katastrophe das Ruder nicht herumreißen. Erfahrene CDU-Strategen rechnen gleichwohl mit einem „Bombardement gegen Berlin“ – wobei mit Berlin niemand anders als die Kanzlerin gemeint ist. Der Satz „Merkel muss weg“ komme frustrierten Landtagsabgeordneten sehr schnell über die Lippen. Das Echo in der Partei auf solche frustrierten Unmutsbekundungen wird allerdings nicht so mächtig sein, dass Merkel sich davor fürchten müsste. Stichworte für Stänkerer liefert die CSU. Deren Generalsekretär Andreas Scheuer warnt: „Heute haben wir ein Signal aus dem Volk bekommen.“

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