Es geht um die strittige Steuerfrage und das Burka-Verbot. Auch gibt es Kampfkandidaturen um den Parteivorstand. Der CDU-Parteitag könnte heftig werden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Der CDU steht ein ungewohntes Ereignis bevor: ein Parteitag, bei dem nicht vorab schon sämtliche Kompromisse und Personalfragen geklärt sind. Die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel, ansonsten um Konfliktbereinigung hinter den Kulissen bemüht, steuert bewusst auf eine Reihe von Kontroversen zu. Dazu zählt die Debatte über die kalte Progression. Nicht weniger als 19 der 93 Anträge, über die der Parteikonvent in Köln – „der Stadt Adenauers“ (CDU) – am Dienstag und Mittwoch zu entscheiden hat, zielen auf nur dieses eine Thema.

 

Angela Merkel, die bei dem geforderten Steuernachlass eher bremst, riskiert eine Abstimmungsniederlage, sie sieht dem aber gelassen entgegen. Sie kann darauf vertrauen, dass der Disput über diese Detailfrage ihren Nimbus als Erfolgsgarantin der Union nicht überschatten wird. Zudem dienen ihr solche Debatten als Beweis gegen Kritik, unter ihrer Ägide sei die innerparteiliche Kultur erstarrt.

Zwei Parteiflügel wollen die „Steuerbremse“ jetzt sofort

Die Streitfrage Nummer eins kommt mutmaßlich am Dienstagabend zur Sprache. Der Arbeitnehmerflügel und die christdemokratische Mittelstandsvereinigung haben in seltener Einigkeit einen Antrag lanciert, der sich für eine „Steuerbremse“ ausspricht, die noch vor der nächsten Wahl wirksam werden soll. Es geht dabei um den Effekt, dass der Fiskus infolge der Inflation wegen des ansteigenden Steuertarifs in einem wachsenden Anteil der Einkommen abkassiert. Die gleiche Wirkung haben Lohnerhöhungen. Die geforderte „Steuerbremse“ bedeutet nichts anderes als „eine automatische jährliche Anpassung des Einkommenssteuertarifs an die Inflation“.

Merkel hält die Idee im Grundsatz für richtig, hat aber Zweifel, dass sie vor 2017 verwirklicht werden kann, ohne den Haushalt überzustrapazieren oder gar Steuererhöhungen an anderer Stelle zu riskieren. Zudem rechnet sie mit dem Widerstand aus den Ländern. Deshalb tritt die Parteispitze für einen Kompromissvorschlag ein, der den Vorrang einer „soliden Haushaltspolitik“ betont und die Bekämpfung der kalten Progression zwar für „eines der wichtigsten Ziele der CDU in der Steuerpolitik“ erklärt, aber kein konkretes Datum nennt, wann es erreicht werden soll.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Steuerrebellen auf dem Kölner Parteitag eine Mehrheit finden. Sie haben zudem die bayerische Schwesterpartei auf ihrer Seite, die Ende der Woche einen gleich lautenden Beschluss fällen wird. Das Thema bleibt Merkel als Chefin der großen Koalition mithin so oder so nicht erspart. Kontroverse Debatten sind auch zu einem Antrag des Kreisverbandes Frankfurt zu erwarten, der sich dafür ausspricht, „das Tragen von Gesichtsverschleierungen wie zum Beispiel der Burka zu verbieten“. Der Vorstoß hat namhafte Fürsprecher, darunter CDU-Vize Julia Klöckner, die Populärste unter Merkels Stellvertretern. Ein Beschluss ist nicht vorgesehen. Der Antrag zum Burkaverbot kommt der CDU-Chefin durchaus gelegen. Darin werden sich jene wiederfinden, die ansonsten konservative Akzente in der Merkel-CDU vermissen. Das Thema ist aber heikel. Solche Dispute können rasch aus dem Ruder laufen.

Auch um die Burka dürfte es heftigen Streit geben

Momente der Überraschung sind auch von den Wahlen zu erwarten. Merkel dürfte ein glanzvolles Ergebnis gewiss sein. Schließlich hat sie der CDU vor einem Jahr bei der Bundestagswahl ein Wahlergebnis beschert, wie es seit Kohls Zeiten nicht mehr erreichbar schien. Ob sie persönlich in Köln allerdings erneut 97 Prozent wie beim CDU-Parteitag 2012 schafft, das ist fraglich. Die CDU-Ikone Konrad Adenauer liegt jedenfalls außer Reichweite. Er wurde dreimal mit hundertprozentiger Mehrheit als Parteichef bestätigt.

Heikler sind die Wahlen zum CDU-Präsidium, denn da wird ein Kandidat auf der Strecke bleiben. Für sieben Posten bewerben sich acht Unionisten. Entgegen den Beschlüssen seines Landesverbandes Nordrhein-Westfalen beansprucht auch der 34-jährige Abgeordnete Jens Spahn einen Platz im obersten Führungsgremium. Er wird von der Jungen Union unterstützt, aber auch vom Wirtschaftsflügel. Der Gesundheitsexperte Spahn zählt zu den „jungen Wilden“ in der Bundestagsfraktion, die gegen die Rentenpläne der großen Koalition aufbegehrt hatten, ihnen dann zuletzt aber mehrheitlich doch zustimmten. Der relativ junge Spahn hat aber nicht nur Freunde in seiner Partei.

Selbst Kollegen, die Spahn ansonsten wohlgesinnt sind, verübeln ihm, dass er nun gegen seinen nordrhein-westfälischen Landsmann Hermann Gröhe antritt, den Gesundheitsminister. Dessen Hausmacht in der Partei ist offenbar begrenzt, obwohl der 53-Jährige bis vor Kurzem noch CDU-Generalsekretär war.

Irgendeiner wird düpiert bei den Vorstandswahlen

Wenn die Delegierten aus Nordrhein-Westfalen, dem stärksten Landesverband, ihre Reihen geschlossen halten, könnte auch ein anderer das Nachsehen haben: der Sozialpolitiker Karl-Josef Laumann oder der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident David McAllister. So oder so wäre das ein Problem für die CDU. Die Partei düpiert durch die Wahl entweder einen Bundesminister, eine der wenigen Nachwuchskräfte, den Sozialflügel oder ihren Spitzenmann in Brüssel.