Die Fellbacherin Marina Salland-Staib studierte noch zu Mao-Zeiten in Peking. Heute ist sie mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung eine gefragte Beraterin für Wirtschafts-Unternehmen.

Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Stuttgart – - Marina Salland-Staib hat sich mit ihrem Ein-Frau-Unternehmen China Partners in einem Penthouse niedergelassen. Von ihrem Schreibtisch aus blickt sie durch raumhohe Fenster gen Norden zum Killesberg, gen Süden zum Fernsehturm. Ein traumhafter Arbeitsplatz, den sie in den vergangenen Monaten kaum genutzt hat, weil sie wieder mal geschäftlich in China unterwegs war. Salland-Staib kennt das asiatische Riesenland mittlerweile genauso gut wie ihre überschaubare schwäbische Heimat.
Frau Salland-Staib, erzählen Sie Ihre Geschichte!
Ich kam 1951, im Jahr des Hasen, in Fellbach mit multikulturellen Wurzeln zur Welt. Meine Mutter ist Kroatin, mein Vater kommt aus Hildesheim und hat französische Vorfahren – daher der Name Salland. Am Friedrich-Schiller-Gymnasium erwachte mein Interesse an China, und zwar deshalb, weil wir in der Schule nichts über dieses Land erfuhren. In der „Tagesschau“ sah ich Berichte über die zu jener Zeit tobende Kulturrevolution, aber letztendlich bekam ich nur eine vage Vorstellung davon, was dort wirklich geschah. Nach dem Abi schrieb ich mich in Tübingen für Sinologie und Politik ein. 1973 gehörte ich zu den ersten deutschen Stipendiaten, die im Rahmen eines Austausches für drei Semester an die Universität Peking durften.
Wie wurden Sie dort behandelt?
China war seit 1949, als die Volksrepublik gegründet wurde, von der westlichen Welt völlig abgeschnitten, vergleichbar mit der Situation von Nordkorea heute. Als ich in Peking ankam, regierte noch Mao Tse-tung, und wir galten als Klassenfeinde, die sich gefälligst an die herrschenden Verhältnisse anzupassen hatten. Westliche Kleidung und Schminke waren verboten, stattdessen trug ich den blauen Einheitsdress des arbeitenden Volkes. Mit einer jungen Chinesin teilte ich mir ein winziges Zimmer: nackter Beton, zwei Betten, das war‘s. Nicht einmal Matratzen oder Decken gab es, ich stopfte meine Klamotten abends in die Bettbezüge. Zweimal wöchentlich durften wir duschen, meistens war das Wasser kalt, weil es keine Kohle zum Heizen gab – die Planwirtschaft funktionierte überhaupt nicht. Am schlimmsten war die ständige Propaganda: An der Wand hing ein Lautsprecher, aus dem tönte: „Lang lebe die kommunistische Partei! Lang lebe Mao Tse-tung!“ Im Fernsehen liefen immer dieselben revolutionären Filme und Opern. Jedes Wochenende mussten wir uns diese gemeinschaftlich anschauen.
Hatte die Gehirnwäsche bei Ihren chinesischen Kommilitonen Erfolg, oder haben sie sich Ihnen gegenüber kritisch über das Regime geäußert?
Das hätte niemand gewagt, weil bekannt war, dass man überall abgehört wurde. Jeder Student, auch wir Gäste aus Deutschland, musste regelmäßig sogenannte Selbstkritiken verfassen. Als ich mal meinen Ausweis verlegt hatte, musste ich in einem 700 Schriftzeichen umfassenden Aufsatz darlegen, dass ich ein kapitalistisches Element sei, das dem chinesischen Volk durch meine Nachlässigkeit geschadet habe.