Offiziell schweigt die EdF zum EnBW-Deal. Doch intern äußern sich Konzernvertreter empört über die Aussage von Ex-Premier Stefan Mappus vor dem U-Ausschuss.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Darstellung des EnBW-Deals durch Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus hat bei der Electricité de France (EdF) massiven Unmut ausgelöst. Offiziell schweigt der französische Staatskonzern, der seinen 45-Prozent-Anteil an der EnBW dem Land für 4,7 Milliarden Euro verkauft hatte, weiterhin zu dem Aktiengeschäft. Gegenüber Kontaktpersonen in Baden-Württemberg äußerten sich EdF-Vertreter aber empört über die ihrer Ansicht nach wahrheitswidrigen Angaben des früheren Ministerpräsidenten.

 

Besonders erbost ist nach Informationen der Stuttgarter Zeitung der frühere Deutschland- und heutige Europachef der EdF, Gérard Roth. Mappus hatte angebliche Äußerungen von ihm referiert, wonach die Franzosen das Interesse an der Beteiligung verlören, wenn sie nicht die Mehrheit bekämen; dies habe Roth schon im April dem damaligen Staatsminister Helmut Rau (CDU) gesagt. Im Fall eines Einlenkens des Landes würden sich dem Regierungschef bei einem geplanten Paris-Besuch Türen öffnen, die sonst geschlossen blieben.

Der EdF-Manager zeigte sich in internen Kontakten über diese Darstellung fassungslos und wies sie scharf zurück. Auf StZ-Anfrage wollte er „keinen Kommentar“ abgeben. Mappus’ Angaben werden jedoch auch durch ein Treffen Roths mit führenden Grünen-Vertretern infrage gestellt. Anderthalb Wochen vor dem Aktienkauf am 6. Dezember 2010 hatte er mit dem damaligen Fraktionschef Winfried Kretsch-mann und dem Energieexperten Franz Untersteller – heute Ministerpräsident und Umweltminister – über die Zukunft der EnBW gesprochen; mit dabei war auch der damalige Europachef Marc Boudier. Beide gingen damals noch davon aus, dass die Franzosen Großaktionär bleiben würden; ansonsten wäre die Unterredung sinnlos gewesen. Zumindest Untersteller dürfte als Zeuge dazu gehört werden.

Keine Reaktion auf Anfrage in Paris

Auch andere Informationen aus EdF-nahen Kreisen wecken Zweifel an Mappus’ Version des Geschehens. Danach wurde mit den Franzosen erörtert, was ein Urteil des Staatsgerichtshofs für das Aktiengeschäft bedeuten würde: Selbst wenn das Vorgehen als verfassungswidrig eingestuft würde, bliebe das Geschäft gültig. Aus den Akten des Untersuchungsausschusses ergibt sich bis jetzt nur, dass diese Frage von den Anwälten der Kanzlei Gleiss Lutz intern erörtert wurde. Mappus sagt, ihn hätten Zweifel an der Verfassungskonformität seines Vorgehens nie erreicht; ansonsten hätte er das Geschäft nicht gemacht. Dies erscheint schwer vorstellbar, wenn die Problematik sogar mit der EdF als Verkäufer besprochen worden ist.

Auch der Darstellung des Ex-Premiers, der Zeitdruck sei von den Franzosen ausgegangen, wird in EdF-nahen Kreisen widersprochen. Vielmehr sei dem Konzernchef Henri Proglio geraten worden, auf Zeit zu spielen und eine Entscheidung bis nach der Landtagswahl im März 2011 hinauszuzögern. Tatsächlich gibt es in den Akten Hinweise für ein solches gebremstes Vorgehen. Mappus habe jedoch deutlich gemacht, dass das Geschäft entweder noch im Dezember zustande komme – oder gar nicht.

Mit einer Aussage von EdF-Vertretern vor dem Ausschuss ist nach derzeitigem Stand nicht zu rechnen. Eine entsprechende Anfrage an den Konzern blieb auch nach Wochen unbeantwortet. Nun wollen die Fraktionen einen gemeinsam erarbeiteten Fragenkatalog nach Paris schicken. Das Gremium hat keine rechtliche Handhabe, Zeugen aus dem Ausland zum Erscheinen zu zwingen.

Morgan Stanley entdeckt weitere Akten

Kurz vor der Anhörung des deutschen Morgan-Stanley-Chefs Dirk Notheis am Freitag hat die Investmentbank unterdessen überraschend Unterlagen nachgereicht. Etwa tausend Seiten E-Mail-Korrespondenz zwischen den Anwälten von Gleiss Lutz und Morgan-Stanley-Vertretern wurden nachträglich in den Datenraum eingestellt. Die Regierungsfraktionen Grüne und SPD zeigten sich darüber verwundert. Eine Sprecherin von Morgan Stanley nannte als Grund für die „Nichterfassung“ der Mails „mehrfache Kennungen in den E-Mail-Adressen von Gleiss-Lutz“. Die Mails müssten dem Ausschuss aber auch von den Anwälten zur Verfügung gestellt worden sein.

Aus den Unterlagen ergibt sich ein weiterer Hinweis auf die Verwicklung des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy in den Deal. „Sarko hat sich durchgesetzt ... Na denn!“, mailte ein Anwalt am 6. Dezember um 2.09 Uhr an einen Kollegen von Notheis. Mappus hatte von einem Veto des Pariser Industrieministers in letzter Minute berichtet, das erst durch eine Intervention „von höchster Stelle“ ausgeräumt worden sei. Darum habe sich Notheis gekümmert.

Hat das Ministerium wirklich geprüft?

Einen weiteren Widerspruch könnte die Befragung des früheren Finanzministers Willi Stächele aufdecken. Mappus hatte am 15. Dezember 2010 im Landtag behauptet, nicht nur der Minister, sondern auch das Finanzministerium habe das Vorgehen verfassungsrechtlich geprüft. Angesichts der inzwischen bekannten Abläufe und der Information Stächeles in der Nacht zuvor kann dafür kaum Zeit geblieben sein.