Der Kutscher Otto Müller entlastet mit seiner Erfindung das Gespann vor seiner Postkutsche. Ein Elektromotor auf der Hinterachse unterstützt die Rösser, wenn es steil bergauf geht. Müllers Gefährt ist wohl die erste Pedelec-Kutsche der Welt.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Murrhardt - Hoch droben über dem Städtchen Murrhardt liegt der Ortsteil Schwammhof. Vor einem der Gehöfte des Weilers steht Otto Müllers gelb-schwarze Postkutsche in der Sonne. Allerdings ist weit und breit keines seiner Zugpferde zu sehen. „Rangieren kann ich jetzt auch ohne Pferde. Der Elektromotor macht es möglich“, sagt Otto Müller. Diesen kann er vom Kutschbock aus ein- und ausschalten. Nur zum Lenken brauche er jemanden an der Deichsel. „Der Hermann war das Ersatz-Ross“, sagt er lachend, und sein Kutscherkollege Hermann Bay aus Althütte lacht mit. Beide sind sichtlich begeistert von der Konstruktion, die sich Otto Müller hat einfallen lassen.

 

Ein Elektromotor mit 48 Volt bewegt die Kutsche

Auf die Hinterräder der Postkutsche sind Zahnringe montiert worden, auf die wiederum mit einem Hebel die Zahnräder der Antriebswelle gesetzt werden können. Diese ist unter der Hinterachse montiert, wo man auch den Elektromotor sieht. „Ich habe ihn von einer Firma in Polen, die solche Elektromotoren baut.“ Die Länge der Antriebswelle wurde extra angepasst, damit diese mit der Achse kompatibel ist.

Und der Motor musste entsprechend stark ausfallen. „Die Kutsche wiegt rund 1,5 Tonnen, dazu kommt noch das Gewicht der Mitfahrenden, das auch noch mal rund eine Tonne ergibt“, erklärt Otto Müller. Neben den beiden Kutschern können noch 14 Fahrgäste in und auf dem Nachbau einer englischen Post Coach mitreisen, wie sie vor etwa 200 Jahren in London und Umgebung im Einsatz war. Der Motor hat immerhin 48 Volt. „Ein elektrisch angetriebener Gabelstapler hat nur die halbe Voltzahl“, ergänzt Hermann Bay. Die Akkus sind im Kofferraum über der Hinterachse untergebracht. „Die wiegen auch noch mal rund 200 Kilo“, sagt Otto Müller.

„Da hab ich mich gefühlt wie Gottlieb Daimler“

Nun hätten es seine Rösser einfacher, wenn es starke Steigungen zu überwinden gelte, etwa die von Weinstadt-Schnait hinauf in den Winterbacher Teilort Manolzweiler. „Hinterher mussten die Pferde immer zum Verschnaufen anhalten. Bei zu starken Steigungen habe er bisher seinen Geländewagen vor die Kutsche gehängt. „Das ist jetzt vorbei“, erklärt Otto Müller, der seit mehr als 30 Jahren Gespanne fährt und das silberne Fahrabzeichen vorweisen kann. Dennoch war es für den Hobbykutscher ein Erlebnis, als seine Post-Coach erstmals von alleine fuhr. „Da habe ich mich gefühlt wie Gottlieb Daimler, als sein erster Motorwagen gefahren ist.“

Wie souverän er seine Kaltblüter lenkt, kann man bewundern, wenn er zum Beispiel für die Veranstaltungsagentur Kultissima Gäste durch das Remstal kutschiert oder unter eigener Regie im Schwäbischen Wald unterwegs ist. Mit kleineren Kutschen können sich Hochzeitspaare von ihm zur Trauung fahren lassen. Viele kennen ihn noch von den Mainhardter Räubern, einer Laienschauspieltruppe, für die er den wichtigen Part beim Postkutschenüberfall mimte. „Daran erinnern sich die Leute bis heute, obwohl die Mainhardter Räuber nicht mehr aktiv sind“, sagt er und lacht schon wieder. „Am Schluss haben sie mich regelmäßig vom Kutschbock geschossen.“

In „Sag die Wahrheit“ von Smudo erkannt

Auch für Film und Fernsehen ist der Rentner aus Sulzbach schon gefahren, der nach eigenem Bekunden seit Jahren 66 Jahre alt ist. Zuletzt konnte man ihn an Pfingsten in der SWR-Rate-Show „Sag die Wahrheit“ sehen. Dort galt es für das prominente Rateteam, herauszufinden, wer von drei angeblichen Kutschern der echte ist. „Der Smudo, der Fetz, der hat mich erraten“, sagt Otto Müller. Das Viertel der Fantastischen Vier habe schlau gefragt, was an der Kutsche heute technisch aufgerüstet werden sollte und er habe sich verraten, als er die Blinker erwähnte und dass früher angeblich mit der Hand gewunken wurde, erzählt Otto Müller. Dabei habe er sich solche Mühe gegeben, nichts zu verraten und möglichst wortkarg zu sein .