Wir fragten Verlage und Autoren auf der Frankfurter Buchmesse, wie man ein gutes Buch macht. Für die Galeristin Ingrid Wiche ist allein der scharfsinnige Text ausschlaggebend.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Der Stand des Tübinger Silberburg-Verlages in Halle 3.1 in Frankfurt ist an diesem Donnerstag ein Treffpunkt für die Baden-Württembergischen Literaten. Die Esslinger Autorin Anja Massoth, die Drehbücher für Fernsehserien wie „die Fallers“ und „Laible und Frisch“ schreibt, ist mit einer Gruppe von Schriftstellerkollegen anwesend.

 

Sie hat mit „Süßer Winterweihnachtskuss“ ein Buch herausgebracht wie einen Adventskalender: 24 Mal kann man ein Bündel Seiten an einer Perforation aufreißen – bis Weihnachten. Wie macht man ein gutes Buch? „Wichtig ist der erste Satz“, sagt sie, „ich muss die Leser kriegen. Dann brauche ich möglichst viele Verwicklungen und Wendungen. Das schaffe ich durch Missverständnisse, Unsicherheiten oder auch Verwechslungen, die den Hauptpersonen passieren.“ Denn das Ende sei ja klar, der Titel verrate es: Der erste Kuss. Ein wichtiger Moment, denn, so philosophiert sie: In dem Alter zwischen zwölf und dreizehn sei „der erste Kuss wie eine Heirat.“

Die Chefin des Silberburg-Verlages Christel Werner erzählt einen alten Verlegerwitz: „Ein verkauftes Buch ist ein gutes Buch.“ Unter ihrer Ägide ist der Silberburg-Verlag zu dem nach eigenen Angaben größten Verlag für Regionalia im Land geworden. In der Belletristik bringt sie eine bekannte Lokalkrimi-Reihe heraus, und sie hat auch eine Reihe mit humorigen Büchern begonnen. Die Esslingerin Anna Mandell hat im aktuellen Programm mit dem Buch „Fristlos verliebt“ debütiert, über die Sorgen und Nöte einer Junganwältin in einer Wirtschaftskanzlei.

An den Stand ist auch Hubert Klöpfer gekommen, der Chef von Klöpfer & Meyer. Der Verlag hat mit Günther Kurz einen Professor der Esslinger Hochschule unter Vertrag. Kurz hat den historischen Briefwechsel einer Kinderbuchautorin mit dem Schriftsteller Christian Wagner herausgebracht. Tja, bei einem guten Buch sei das ein langer Weg von der Zeugung zur Geburt, sagt Klöpfer. Man müsse vom Kunden her denken, man müsse die Trends der Gesellschaft erkennen, aber ein Rezept gebe es nicht. Und wie laufen die Geschäfte? „Alles läuft“, sagt der Verleger weise, „es ist nur eine Frage der Geschwindigkeit.“

Alles läuft auch für den Pressesprecher des Silberburg-Verlages, Heiko Fischer, und manchmal galoppiert es. Ein gutes Buch ist wie ein Pferderennen: „Das Thema des Buches ist das Pferd, der Autor ist der Jockey, der das Pferd ins Ziel bringt. Die Rennbahn sind die Marketingbedingungen, der Verlag ist der Rennstall.“ Nur wisse man nicht, welches Pferd das Rennen gewinne, manchmal seien es die Außenseiter, manchmal die Favoriten. Aber nicht nur der Stall ist für Heiko Fischer wichtig, auch der Stallgeruch. „Wir entscheiden letztlich alle das Programm mit, und wenn wir mit den Emotionen dabei sind, dann wird es auch ein gutes Buch.“

Mair Dumont aus Ostfildern hat seinen Stand auf der Buchmesse verkleinert, vergrößert hat er sein Angebot. Zum Beispiel seine Bildbände. Der neueste Band „Stillgelegt“ zeigt 100 verlassene Orte in Europa. Eine Augenweide bei dem Trubel auf der Buchmesse. Auch Mair Dumont geht in die regionale Sparte, unter anderem mit einem Buch mit 66 Ausflugstipps für den Großraum Stuttgart. Ein gutes Buch braucht für die Pressesprecherin Birgit Berg-Becker vor allem eine gute Verzahnung mit dem Internet. „Wir können den Reiseführer ja nicht neu erfinden.“

Auch bei Mair Dumont spürt man dem Zeitgeist nach. „Die Leute machen immer kürzere Urlaube, deswegen brauchen sie ihre Informationen schnell.“ Zu den Büchern liefert der Verlag inzwischen Touren-Apps. Wer also eine Reise tut, der kann im Netz schon einmal vorab was erleben: Da werden ihm zum Reiseziel Verkehrsinformationen geliefert, aktuelle Gastronomiehinweise und auch Tipps zu gerade laufenden Ausstellungen oder Festivitäten.

Ingrid Wiche, eine quirlige Galeristin aus Lenningen, hat die edle Kunst des Papierschöpfens gelernt und bietet in Halle 4.1 erotische und poetische Gedichte auf eigenem Papier an: „Ein gutes Buch, das ist der Text! Der scharfsinnige Text!!“, ruft sie und reißt aus der Vitrine bemalte Briefe hervor, kleine Papierkunstwerke. „Das Papier ist es genauso, das Besondere, das Haptische, ein Buch muss mit Genuss gelesen werden können!“ Die Schrift sei ganz wichtig, erklärt sie, enge Schrift erzeuge Angst, weite Schrift erzeuge Großzügigkeit. „Eine Schrift ist wie eine Melodie!“

Einen Steinwurf weiter beim Kunstverlag Hatje Cantz denkt man ähnlich. Die Verlegerin Cristina Steingräber sagt: „Die Künstler vertrauen uns ihre Inhalte an, und wir gehen verantwortungsvoll damit um.“ Das bedeute, dass der Verlag nicht nur Lektorinnen einsetze, die samt und sonders in der Kunstgeschichte zuhause seien, das bedeute auch, dass vom Druck bis zum Satz nur ausgewiesene Fachleute die Bücher in die Hände bekämen.

Der Esslinger Drachenhausverlag wirkt zwischen den Riesenständen der Verlage in Halle 3 wie ein chinesischer Pavillon unter Wolkenkratzern. Der Drachenhaus-Verlag hat nicht nur Rezepte für gute Bücher, sondern auch gute Bücher mit Rezepten. Das neueste „Vegane Suppen aus China“ stellt das Kochen nach der chinesischen Fünf-Elemente-Lehre vor. Das Rezept der Verlegerin Nora Frisch hat drei Elemente. Erstens müsse die Zielgruppe stimmen, zweitens müsse das Buch dem E-Book gegenüber einen Mehrwert haben und drittens: „Ich muss selbst überzeugt sein von dem Buch.“