In Westafrika hat die Panik vor dem Ebola-Virus inzwischen gravierende ökonomische Folgen. Selbst langfristige Projekte liegen auf Eis und der sich gerade etwas erholenden Wirtschaft brechen die Absatzmärkte weg.

John Moriba, ein sogenannter „Dollar-Boy“, hockt niedergeschlagen neben einem Eimer mit Chlorwasser, in das er immer wieder seine Hände taucht, um imaginäre Ebola-Viren zu töten. In normalen Zeiten würde er jetzt ständig „Dollar, Pound, Euro“ rufen, um seine Kunden anzuziehen, erzählte der Junge dem britischen Guardian. Doch in den Zeiten von Ebola hat solche Werbung keinen Sinn.

 

Es ist nachmittags um drei auf dem Schwarzmarkt von Sierra Leones Hauptstadt Freetown, und Moriba hat noch keinen einzigen Devisen-Umtausch getätigt. Seine fast ausschließlich weißen Kunden sind schon seit Wochen weg.   Nicht weit von Freetowns Schwarzmarkt entfernt verkauft ein Sushi-Restaurant inzwischen nur noch Hühnchenschlegel, weil der chinesische Fischhändler geflohen ist. Freetowns Banken haben ihre Schalter nur noch wenige Stunden am Tag geöffnet, um die Begegnung ihrer Angestellten mit möglicherweise infizierten Kunden möglichst gering zu halten. Und auf den Feldern außerhalb der Stadt vergammelt der Mais, weil die Farmer ihren unter Quarantäne gestellten Stadtteil nicht mehr verlassen dürfen.

Internationale Minenunternehmen haben ihre gesamte ausländische Belegschaft aus der westafrikanischen Ebola-Region abgezogen – die staatlichen Einnahmen aus dem Bergwerksektor werden in diesem Jahr auf einen Bruchteil absacken. In den drei von der Ebola-Seuche am heftigsten betroffenen westafrikanischen Staaten Liberia, Sierra Leone und Guinea sind mittlerweile nicht nur weit über 1700 Menschen dem tödlichen Virus zum Opfer gefallen: Auch die Wirtschaft der labilen Nationen liegt auf dem Krankenbett – mit noch nicht absehbaren Folgen für die 21 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung.

  Nach Angaben der Afrikanischen Entwicklungsbank wird die Epidemie, deren Ende noch lange nicht absehbar ist, bis zu vier Prozent des für die Region prognostizierten Wachstums vernichten. „Die Staats- und Deviseneinnahmen sind im Keller, die Märkte funktionieren nicht mehr, Fluggesellschaften stellten ihre Flüge ein, Projekte wurde storniert und Geschäftsleute kehrten der Region den Rücken“, sagt Entwicklungsbankchef Donald Kaberuka.

Die Nahrungsmittelversorgung scheint bedroht

Schon spricht die Welternährungsorganisation FAO von einer ernsten Bedrohung der Nahrungsmittelversorgung: Der Preis für Maniok, das Grundnahrungsmittel der Westafrikaner, ist in der liberianischen Hauptstadt Monrovia in den vergangenen Monaten um 150 Prozent in die Höhe geschnellt. Die Einrichtung von Quarantäne-Gebieten und die Einschränkung der Mobilität der Bevölkerung hat zu extremen Preissteigerungen, Engpässen und Panikeinkäufen geführt: Ausgerechnet in der Regenzeit kam die landwirtschaftliche Produktion zumindest in den von Ebola besonders betroffenen Gebieten praktisch zum Stillstand.

  Dabei waren Liberia und Sierra Leone gerade erst wieder auf die Beine gekommen – dort hatten in den neunziger Jahren verheerende Bürgerkriege getobt. Vor allem die Landwirtschaft, die in Sierra Leone mehr als 50 Prozent des Bruttoinlandprodukts und in Liberia sogar über 70 Prozent ausmacht, hatte zur Erholung der Volkswirtschaft beigetragen: In Sierra Leone war für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von rund 15 Prozent vorhergesagt worden. Davon kann man inzwischen nur noch träumen.   Auch der Mineralienexport, das zweite Standbein der westafrikanischen Ebola-Staaten, leidet unter der außer Kontrolle geratenen Seuche. Gebeutelt wird nicht nur die aktuelle Produktion, sondern Investitionen für künftige Vorhaben sind bedroht.

  Zumindest einige der von den Nachbarstaaten und Unternehmen ergriffenen Vorsichtsmaßnahmen waren nach Auffassung der Weltgesundheitsorganisation gar nicht nötig: Etwa die Einstellung des Flugverkehrs, die Schließung sämtlicher Grenzen und die Repatriierung ausländischer Angestellter, selbst wenn diese gar nicht in der von der Seuche betroffenen Regionen tätig waren. Solche Maßnahmen hatten wesentlich schlimmere Nebenwirkungen, als dass sie zur Eindämmung der Epidemie beigetragen hätten.