Das Thema Energiewende ist auch für die Unternehmen im Kreis Göppingen von Bedeutung. Gernot Imgart, stellvertretender Geschäftsführer der IHK-Bezirkskammer, hat deshalb zwei DIHK-Experten zu einem Vortrag eingeladen.

Region: Andreas Pflüger (eas)
Kreis Göppingen – - Unter den Titel „Brennpunkt Energiepolitik“ hat die IHK-Bezirkskammer Göppingen zwei Experten des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) eingeladen, die über mögliche Auswirkungen der Energiewende, speziell für Unternehmen, informieren. Gernot Imgart, der stellvertretende Göppinger IHK-Geschäftsführer, hat in diesem Jahr selbst für einige Monate beim DIHK im Bereich Energiepolitik gearbeitet und misst dem Thema große Bedeutung bei.
Herr Imgart, befürchtet die Göppinger IHK, dass in Deutschland die Lichter ausgehen?
Nein, das nicht. Aber die Energiewende bringt Herausforderungen mit sich. Konventionelle Kraftwerke rechnen sich nicht mehr und sollen stillgelegt werden. Dazu kommt die Abschaltung der Kernkraftwerke, die uns im Süden besonders betrifft. Experten befürchten, dass es vom Ende dieses Jahrzehnts an im Südwesten Versorgungsengpässe geben könnte, sofern der nationale Netzausbau nicht vorankommt. Und da gibt es ja bekanntermaßen ein Nachbarbundesland, das in dieser Hinsicht bremst.
Die Energiewende treibt die Politik zurzeit mächtig um. Offensichtlich ist das in den Unternehmen und Betrieben nicht anders.
Das stimmt. Die Energiewende ist ein hochkomplexes Projekt mit ehrgeizigen Zielen. Positiv ist, dass sie in den Unternehmen die Entwicklung neuer Technologien und energieeffizienter Verfahren befördert. In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Energiewende zunächst ein politisches Projekt, das durch Gesetze gestaltet wird. Der Umbau des Energiesystems findet aber vor Ort statt. Bürger und Kommunen, aber auch Unternehmen sorgen sich um eine sichere und bezahlbare Stromversorgung.
Wo liegt denn genau das Problem?
Während der Ausbau erneuerbarer Energien, nicht zuletzt aufgrund hoher Subventionen, fast ungezügelt stattfand, hielten der Netzausbau und die Anpassung des Kraftwerkparks nicht Schritt. Zugleich sind die staatlich verursachten Belastungen des Strompreises seit 1998 um das 15-fache gestiegen. Die hohen Energiepreise – insbesondere im Vergleich mit den USA – schaden zunehmend der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Außerdem scheinen speziell kleinere Stromausfälle, vor allem in Süddeutschland, bereits zugenommen zu haben.
Gibt es dazu schon fundierte Erkenntnisse?
Ja, die liefert unsere alljährliche bundesweite Umfrage zum IHK-Energiewendebarometer in 2200 Unternehmen. Ein Fünftel berichten inzwischen von Problemen mit der Versorgungssicherheit und damit etwas mehr als im Vorjahr. Insbesondere die Unterbrechungen in der Stromversorgung von unter drei Minuten sind angestiegen. Diese werden aber von der öffentlichen Statistik nicht erfasst. Angespannt ist die Lage in Süddeutschland: 35 Prozent der Industrieunternehmen in Baden-Württemberg und in Bayern berichten von Problemen. Die Energiewende wirkt sich nur für 14 Prozent der Betriebe positiv oder sehr positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit aus. Das sind zwei Prozent weniger als im Vorjahr. Mehr als ein Drittel sehen hingegen negative oder sehr negative Auswirkungen. Bisher ist die Energiewende leider keine Erfolgsgeschichte Made in Germany.
Die Göppinger IHK-Bezirkskammer hat zwei DIHK-Experten eingeladen, die am Donnerstag einen Einblick in die zentralen Themen der Energiewende geben werden. Was erwartet die Besucher?
Ein exklusiver Bericht über die laufenden Gespräche in Berlin. Das Bundeswirtschaftsministerium steht derzeit mit der Wirtschaft im Austausch. Es geht darum, welche neuen Anforderungen in den Bereichen Energieeffizienz, Netzausbau und Versorgungssicherheit auf die Unternehmen zukommen. Begriffe wie Kapazitätsmarkt oder Strommarktdesign lassen bis jetzt nur erahnen, dass es teuer wird.
Warum kommen Sebastian Bolay und Jakob Flechtner nach Göppingen? Ist dieses Thema für den Stauferkreis besonders wichtig?
Ja, vor allem unsere industrielle Basis ist betroffen. Aber ebenso viele Zulieferer, etwa unsere energieintensiven Härtereien. Was viele nicht wissen: mehr als jedes zehnte Handelsunternehmen hat inzwischen einen Stromkostenanteil am Umsatz von mehr als vier Prozent. Gerade Lebensmittelhändler müssen neben Klimatisierung und Beleuchtung auch einen hohen Stromverbrauch für die Kühlung der Lebensmittel stemmen. Jeder will ja die vorgeschriebene Kühlkette einhalten.
Gibt es denn bereits irgendwelche Konzepte, die zu einer Lösung beitragen könnten?
Die IHK in der Region Stuttgart hat jährlich rund 1900 Kontakte zu Energiefragen per Telefon oder Mail. Wir sind Partner des KfW-Förderprogramms Energieeffizienz und führen zahlreiche Beratungen, Workshops und Informationsveranstaltungen durch. Wir bleiben aktiv, um den Unternehmen zu helfen. Wir bringen Infrastrukturprojekte voran und unterstützen damit die Energiewende. Das machen wir gemeinsam mit lokalen Partnern, wie etwa der Energieagentur des Landkreises.