Ihre Wimmelbilder werden von kleinen und großen Menschen geliebt. Für ihre wundersamen Zeichnungen bekommt die Illustratorin Rotraut Susanne Berner nun den renommierten Hans-Christian Andersen-Preis verliehen.

Stuttgart/München – - Ihre Wimmelbilder und Karlchen-Bücher, ihre „Tollen Hefte“ und Erwachsenen-Illustrationen entstehen an der Isar. Sie lebt in München, doch geboren, aufgewachsen und auch geprägt worden ist Rotraut Susanne Berner in Stuttgart. Ein Gespräch über kindliche Freiheit und Inspiration, über Jugendjahre mit Malstiften, Kirschernten und Wolkenbrüchen auf Streuobstwiesen.
Frau Berner, aus welchen Kammern holen Sie die Poesie, die das, was Sie zu Papier bringen, so stark auszeichnet?
Rotraut Berner Foto: Manu Theobald/dpa
Man ist ja aus verschiedenen Befindlichkeiten, Erinnerungen, Kraftquellen zusammengesetzt. Vieles ist auch verschüttet und kommt bei der Arbeit plötzlich hervor, das finde ich immer wieder überraschend. Eine Kraftquelle ist sicher meine Kindheit, die nicht unbeschwert war im engeren Sinn. Aber in dem schwierigen, pietistischen Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin und das von der Idee von Strafe und Schuld beherrscht war, hatte ich ein Privileg, das Kinder damals oft hatten: Freiheit. Wir hatten die Zeit, uns ohne Erwachsene, ohne ihre ständigen Kommentare, einfach auszuprobieren. Das ist ein Kapital, das man nicht unterschätzen darf.
Alle Welt liebt den Hasen Karlchen und die Katze Tanja sowie die zahllosen Wesen aus Ihren Wimmelbüchern. Welche Ihrer Kreaturen gefällt Ihnen am besten?
Emotional bin ich wahrscheinlich am nächsten bei Karlchen. Der ist halt so ein Kind, wie ich es zum Teil selber war oder vielleicht auch noch bin. Er ist vielleicht auch das Kind an sich, vielleicht auch das Kind, das ich nicht habe, das mag auch eine Rolle spielen. Er ist das Kind, mit dem ich spreche, ganz konkret in den Karlchen-Geschichten, in denen es kleine Dialoge gibt.
Hatten Sie schon früh das Bedürfnis, sich mit zeichnerischen Mitteln auszudrücken?
Ja, das war aber auch dem geschuldet, dass man sich in den fünfziger Jahren zum Beispiel an einem Regentag an den Tisch gesetzt hat – Spielsachen oder ein Kinderzimmer hatte ich überhaupt nicht – und sich mit Stiften und Papier beschäftigte. Das war, glaube ich in vielen Familien vor dem Einzug des Fernsehens so. Die Ausdrucksform, bevor man schreiben konnte, war das Malen.