Das Ludwigsburger Rathaus plant ein neues Leuchtturmprojekt und will die gesamte City digitalisieren. Die Suche nach Parkplätzen, Kinofilmen, Kitas, Handwerkern, Geschäften, Restaurants: all das soll künftig mit nur einer App möglich sein.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Noch klingt das wie ein Vorgang aus einer anderen Welt. Man stelle sich vor: ein Mann, sagen wir aus Remseck, will an einem beliebigen Samstag nach Ludwigsburg fahren. Parkplätze sind rar, das weiß er, also reserviert er sich vorab einen über sein Smartphone. Was will er in Ludwigsburg? Erst einmal einkaufen, er braucht ein schickes Hemd, denn abends hat er ein Date mit seiner Liebsten. Wo gibt es in der City Hemden? Auch das sagt ihm eine App. Wie lang ist der Laden geöffnet? Er fragt die App. Und weil seine Liebste mediterrane Küche mag, reserviert er schnell zwei Plätze beim Italiener. Über die App.

 

Ist später noch etwas geboten? Auch das weiß die App, denn die App weiß alles, was in der Ludwigsburger Innenstadt passiert. Sie besteht quasi aus der Innenstadt, oder besser: sie bildet diese ab. Klingt nach ferner Zukunft? Tatsächlich arbeitet die Stadtverwaltung daran, dass diese Welt bald virtuelle Realität wird. „Wir haben für das Projekt keine Vorbilder“, sagt der städtische Wirtschaftsförderer Frank Steinert. „So etwas gibt es noch nicht.“

Das gesamte Leben in der City soll digitalisiert werden

Das gesamte Leben zu digitalisieren – das ist das Ziel. Die dafür notwendigen Daten sind weitgehend vorhanden, schon heute präsentieren sich fast alle Einzelhändler, Gastronomen, aber auch städtische Einrichtungen wie das Bürgerbüro oder Kitas im Netz. Wer etwas über Parkhaus-Öffnungszeiten wissen muss, findet die Info irgendwo im Internet. Wer sich für eine Führung im Schloss interessiert, surft auf die Seite des Schlosses. Wer ins Kino will, besucht die Homepage des Kinos. Das ist praktisch, aber man muss suchen.

Zwar existiert unter www.mein-l.de eine Internetseite, die verschiedene Angebote bündelt; das jetzt geplante Portal soll aber wesentlich umfassender werden. Die Stadt will alle Daten, die für Besucher der City von Interesse sein könnten, zusammenfügen: in einem Internetportal und der dazugehörigen App. Ob die Unmengen an Informationen in einer Art Karte integriert oder aufgelistet werden, ob es eine Kombination aus beidem wird – all das ist noch unklar. „Wir stehen am Anfang“, sagt Steinert. „Ende des Jahres wollen wir wissen, was genau wir wollen.“ Fest steht, dass der Fokus zunächst allein auf der Innenstadt liegen wird, aber später auf weitere Bezirke ausgeweitet werden könnte.

In den vergangenen Monaten war oft die Rede von der Smart-City, zu der Ludwigsburg werden will, von der intelligenten und vernetzten Stadt. So testet Bosch mit mehreren Partnern derzeit in der Weststadt das sogenannte Connected Parking. Dabei erfahren Autofahrer über eine App, wo freie Parkplätze vorhanden sind, und werden dann dorthin gelotst. Vorab reservieren – auch das soll möglich sein. Bei all diesen Ansätzen gehe es stets darum, für Besucher der Stadt einen Mehrwert zu schaffen, sagt Steinert.

Nicht nur die Kunden, auch die Händler hoffen auf einen Mehrwert

Auf den Mehrwert hoffen indes auch die Einzelhändler, die sich, was zunehmend schwierig wird, gegen Konkurrenten wie Amazon behaupten müssen. Einkaufen im Netz ist einfach, und deshalb will Ludwigsburg Einkaufen in Ludwigsburg einfach machen. Wobei das Rathaus betont, dass es bei dem Projekt nicht allein um Shopping gehe. Auch Dienstleister, Handwerksbetriebe oder Kitas sollen ihre Angebote oder Öffnungszeiten in der noch zu entwickelnden App unterbringen. „Wenn das umsetzbar ist, kann Ludwigsburg Vorreiter sein“, sagt die Marstall-Managerin Anne Marschner. „Das ist eine sehr gute Idee. Der Bedarf nach so etwas ist ganz sicher vorhanden.“

Inwieweit in das Konzept auch eine Art Online-Marktplatz integriert wird, ist nicht entschieden. „Es gibt Überlegungen in die Richtung, einen Onlineshop für die Einzelhändler aufzubauen“, sagt Ulrike Hauser vom Innenstadtverein Luis. „Denn uns ist bewusst, dass wir etwas tun müssen. Uns ist aber auch bewusst, dass wir nicht einfach Amazon kopieren können – wir brauchen ein stimmiges Konzept.“ Denkbar wäre, so Hauser, dass Kunden die in der City angebotenen Waren im Internet anschauen können, um beim späteren Bummel bestens vorbereitet zu sein.

Die Stadträte sind über das Projekt informiert, aber über Kosten wurde bisher nicht gesprochen. Ob und wie die digitale Innenstadt später funktioniert, wird in erster Linie an den Beteiligten liegen, an den Geschäften, den Kinos, den Kitas. Die Stadt will mit dem Portal lediglich das Dach zur Verfügung stellen, also die technische Möglichkeit, und koordinieren. Für die Pflege der Daten sollen die einzelnen Einrichtungen selbst zuständig sein. „Bei dem ein oder anderen wird sicher Überzeugungsarbeit nötig sein“, sagt Steinert.

Und wenn das Portal einmal fertig ist – vielleicht muss der Besucher aus Remseck dann gar keinen Parkplatz mehr reservieren. Vielleicht nimmt er dann einfach die neue Stadtbahn, die bis dahin zwischen Aldingen und Markgröningen rollt. Die Abfahrtszeiten? Dafür gibt es schon heute eine gute App.