Mit der Wiedereröffnung der Kunsthalle Baden-Baden ist die Kunstmeile der Kurstadt wieder vollständig. Das Museum Frieder Burda widmet sich der Kerze und überrascht mit spannenden Positionen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Brennt sie nun oder nicht? Eben flackerte die Flamme der Kerze noch, ein Schritt zur Seite – und sie ist verlöscht. Alicja Kwade foppt die Besucher mit einer optischen Täuschung. Dazu benötigt die Berliner Künstlerin nicht mehr als einige Glasscheiben, die sie so raffiniert am Boden arrangiert hat, dass eine brennende Kerze einer zweiten sozusagen die Flamme leiht – Spiegelungen machen es möglich. „Teleportation“ nennt sich die Installation, was das Transferieren von Materie meint. Man könnte auch Beamen dazu sagen.

 

Kwade teleportiert das Kerzenlicht derzeit im Baden-Badener Museum Frieder Burda, das sich in seiner neuen Ausstellung der Kerze in der Gegenwartskunst widmet. Ein Thema, das brav und beiläufig klingt, die Deutungen des Kerzenlichts liegen schließlich auf der Hand: Sie steht für das Ewige Licht, aber auch für die Endlichkeit des Seins, für schnöde Romantik beim Candle light Dinner bis hin zur Erleuchtung. Aber der Kurator Helmut Friedel hat eine spannende Auswahl getroffen und präsentiert zeitgenössische, mitunter auch höchst ironische und süffige Beiträge wie den von Robert Gober, der bei Kerze, na ja, nur an eines denkt: das männliche Geschlecht. Deshalb hat er eine Kerze, die wie eine Eins steht, am Schaft mit Menschenhaar garniert – unmissverständlich.

Meditative Entschleunigung

Die Ausstellung geht aus von Gerhard Richters „Kerze“ aus dem Jahr 1982, das fotorealistische Abbild einer brennenden Kerze, das zur Ikone geworden ist. Das Bild hat es sogar auf das Plattencover der Rockband Sonic Youth geschafft und ist eine Art Mythos, den Gerhard Richter selbst allerdings parodierte: Bei einem Offsetdruck setzte er quer über das Bild seine Signatur – um den Fetischcharakter seines Werkes und seiner Person im Kunstbetrieb zu unterstreichen.

Kerzen sollten nicht unterschätzt werden, erfährt man bei Andreas Slominski. Er ist in einer aberwitzigen Aktion vor der Londoner Serpentine Gallery auf Kunstschnee Ski gefahren. Das Wachs der Ski wurde hinterher abgekratzt und zu einer Kerze eingeschmolzen, die nun im Museum Frieder Burda unscheinbar zur Betrachtung bereitsteht.

So ist die Bandbreite der künstlerischen Ansätze groß, Jeppe Hein hat hinter kühl glänzendes Spionspiegelglas eine Kerze gestellt – die die Scheibe prompt durchsichtig macht. Dunja Evers’ Videoinstallation zeigt dagegen nichts anderes als eine Kerze, die über Stunden herunterbrennt – und zur meditativen Entschleunigung anregt.

Bedrohlicher Totentanz

Der Kurator hat den Rundgang nicht verbissen kunsthistorisch aufbereitet, sondern mit leichter Hand Themengrüppchen gebildet, in denen sich wiederum interessante Einzelpositionen finden, etwa die legendäre Installation „Buddha“ von Nam June Paik aus dem Jahr 1989, die aus dem ZKM Karlsruhe geliehen wurde und eine Bronzefigur zeigt, die vor der Glotze hockt. Im Inneren des Fernsehers flimmern aber nicht Bilder der weiten Welt, sondern steht eine brennende Kerze – der Fernseher als moderne Feuerstelle.

Auch der Tod ist eng mit der Kerze verbunden. Christian Boltanski hat für „Les Ombres“ von 1986 kleine, aus Metall geschnittene Figuren vor der Wand in einem Raum platziert, der nur von Teelichten erleuchtet wird. Riesenhaft tanzen die Schatten der Figuren auf den Wänden und führen einen bedrohlichen Totentanz auf. Thomas Demand erinnert in seiner Fotoarbeit „Tribute“ an die Toten der Duisburger Love-Parade, allerdings hat er die zahllosen Grablichter und Erinnerungskarten selbst arrangiert für seine Fotografie. Möge das Ewige Licht leuchten. Bei Roman Signer sieht man allerdings auch, wie schnell es verlöschen kann: Er hat vor eine Kerze eine altmodische Luftpumpe montiert. Nur ein Tritt auf den Blasebalg – und es ward dunkel.