Im Wettbewerb Animovie laufen ein paar großartige Kinderfilme, aber auch einige Streifen, die definitiv nicht für die Kleineren gedacht sind. Es sei denn, die Kids hätten sowieso schon „Der Exorzist“ und „Das Omen“ gesehen. Was wir nicht hoffen wollen.

Stuttgart - Sicher doch, das Kino schreckt heutzutage vor gar nichts zurück. Auf der Leinwand können sich die größten Scheußlichkeiten abspielen: Leiber werden aufgerissen, Eingeweide platschen heraus, Organe fliegen wie gekickte Bälle durch die Gegend, Augen werden aufgespießt, und dämonische Brutalinskis schälen ihren Opfern das Gesicht ab, um es als Maske zu tragen.

 

Da könnte einer auf den Gedanken kommen, das Trickfilmfestival böte eine sichere Zuflucht vor solchem Horror und Gesudel. Könnte sich beim Langfilmwettbewerb Animovie in eine x-beliebige Vorführung setzen und erwarten, nun werde was Nettes kommen, was Lustiges, was Drolliges oder vielleicht auch was erhaben Ernstes. Vorsicht bitte, das könnte schiefgehen. Auf der Leinwand wird es auch bei Animovie mal arg drastisch: Leiber werden aufgerissen, Eingeweide platschen heraus, usw., usw., siehe oben.

Herber Cocktail

Allerdings passiert das hier Knetfiguren, und das wüste Treiben ist makaber komisch. Man ist dann in „Pos eso – Possessed“ (Samstag, 20 Uhr, Metropol) eines nur mit dem Pseudonym Sam zeichnenden Regisseurs gelandet. Der bedient sich bei Klassikern des Horrorkinos, „Der Exorzist“ und „Das Omen“ etwa, und richtet einen herben Cocktail für Genrefreunde an. Es geht um einen vom Teufel besessenen Knaben, der seinen Vater ermordet hat, seine Mutter tyrannisiert und aus der Ferne völliges Chaos in einer Fernseh-Talkshow auslöst. Zumindest Letzteres möchte man manchmal auch können.

Am anderen Ende der Skala von dieser ganz und gar nicht kindertauglichen Gagparade für Genrefreunde liegt im Langfilmwettbewerb die schwedisch-dänische Koproduktion „Resan till Fjäderkungens Rike – Beyond Beyond“ (Donnerstag, 17 Uhr, Metropol). Dies ist ein Film, den man jedem Kind spendieren sollte, eine leichte, witzige, abwechslungsreiche, zugleich aber tiefsinnige Auseinandersetzung mit dem Tod.

Gewiss, in der Welt der Kinderbücher ist die Wahl dieses Sujets als Ausweis von Ernsthaftigkeit längst ein Klischee geworden. Aber die von Esben Toft Jacobsen inszenierte 3-D-Computeranimation schildert unverkrampft und frei von Pädagogikmief, wie ein junger Hase in einer Welt sprechender Tiere seine Mutter verliert. Und wie er dann ins Totenreich aufbricht, wie er jenen Federkönig zu treffen versucht, der die Seelen der Lebenden holt wie ein Raubvogel seine Beute. Nein, was das Häschen findet, ist nicht erschreckend, sondern eine moderne, religionsfreie Variante dessen, was man Kindern früher als Dasein „im Himmel“ ausgemalt hat.

Slapstick und Science Fiction

Die ebenfalls aus Dänemark stammende Computeranimation „Albert“ (Freitag, 16 Uhr, Metropol) kann da an Tiefsinn und Trostpotenzial nicht mithalten. Aber als slapstickorientierte, nicht so sehr auf erwachsene Begleitpersonen zielende Abenteuerkomödie für Kinder funktioniert sie ganz gut. Der kleine Albert ruiniert den Stolz seiner winzigen Heimatstadt, ein Denkmal. Sein Versuch, der Gemeinschaft mittels Expedition im Heißluftballon ihren Stolz zurückzugeben, stößt dann auf Hindernisse.

Sehr viel mehr Charaktergags für Erwachsene und eine bessere Balance von Sentimentalität und Sarkasmus hat „Gus petit Oiseau, grand Voyage – Yellowbird“ (Samstag, 17 Uhr, Metropol) von Christian de Vita aus Frankreich zu bieten. Ein kleiner Vogel tritt in dieser sehr an US-Produktionen orientierten, aber auch entsprechend properen Computeranimation als Zauderer und Phobiker auf, fürchtet sich vor der Welt und muss sogar von robusten kleinen Käferchen ermahnt werden, mehr Mumm zu zeigen.

Postapokalyptisches aus Russland

Eindeutig nicht für Kinder gedacht ist der russische 2-D-Zeichentrickfilm „Ku! Kin-Dza-Dza“ (Donnerstag, 20 Uhr, Metropol), Georgy Daneliyas und Tatiana Ilyinas Remake eines Realfilms von 1986. Zwei Erdmenschen werden holterdiepolter auf eine ferne Welt teleportiert, deren postapokalyptische Züge der Zeichenstrich aus dem Erschreckenden ins Ulkige biegt. Aber immer wieder wird in dieser SF-Satire deutlich, dass mit den Trümmern der fremden Gesellschaft unsere irdischen gemeint sind.

Sehr viel ungebrochener geht „Nemure omoigo sorano shitoneni – Sleep tight, my baby, cradled in the Sky“ (Freitag, 20 Uhr, Metropol) an sein SF-Thema heran. Die klassische Freude japanischer Animes an Zukunftsszenarien paart sich in Naoya Kurisus Film um eine junge Frau, die auf einer Raumstation ihre vermeintlich tote Mutter wiederfindet, mit einer sehr plastischen Präsenz der Zeichnungen. Hier zeigt sich Animation ganz stolz und selbstbewusst, als lasse sie souverän alles Überflüssige weg, was der Realfilm mit sich herumschleppen muss, um das Wesentliche besser herauszustellen.