Alle Schreibmaschinen sind inzwischen verkauft. Viele Menschen gehen in diesen Tagen zu Haufler am Markt: um günstig einzukaufen und um sich zu verabschieden.

Stuttgart - Reduziert, wohin man auch schaut. „70 %“ steht in Knallfarben an der Eingangstür. Überall der Hinweis auf Rabatte. Das wirkt: manche Menschen werden von Sonderangeboten fast magisch angezogen. Es ist ordentlich was los bei Haufler am Markt, den es nur noch wenige Tage gibt. Am Monatsende ist nach 120 Jahren Schluss für das traditionsreiche Schreibwarengeschäft.

 

Renate Mönkemöller macht das Einkaufen trotz der vielen Schnäppchen keinen Spaß. „Das ist schon schlimm, dass Haufler schließt“, sagt die ältere Stuttgarterin. „Das Angebot und die Beratung – das ist kein Vergleich zu einer Papierabteilung im Kaufhaus.“ Ganz melancholisch wird Renate Mönkemöller, wenn sie an früher denkt. „Ich habe hier immer alles fürs Büro gekauft und natürlich auch die Schulranzen für die Kinder.“

Das haben zuletzt immer weniger Eltern getan. Manche haben sich zwar beraten lassen, dann aber offen gesagt: „Im Internet kosten die Ranzen weniger.“ Das erzählt die Geschäftsführerin Christiane Haufler-Becker. Es ist nur ein Beispiel von vielen dafür, wie sich die Zeiten bei Haufler geändert haben.

Vor vierzig Jahren: Kein Büro ohne Handrechenmaschine

Roland Bluthardt ist wahrscheinlich der Haufler-Mitarbeiter, der diesen Wandel so deutlich gespürt hat wie kein anderer. Jahrelang war er der erste Ansprechpartner im zweiten Stock: Bürotechnik und EDV-Bedarf, das war sein Spezialgebiet. Seit 1970 ist er mit einer kurzen Unterbrechung bei Haufler angestellt. Wer hat damals schon geglaubt, dass man mal ohne Handrechenmaschinen auskommen würde? Heute stehen sie in Antiquitätengeschäften und auf Flohmärkten. „Ich habe sie immer vorgeführt und viel gekurbelt“, sagt Roland Bluthardt und lacht. Auch größere Rechenmaschinen hat er verkauft – „für 2500 Mark, obwohl die nur die Grundrechenarten konnten“. Heute unvorstellbar. Später waren elektrische Schreibmaschinen der Renner. Davon hat er die letzten vor wenigen Tagen verkauft. „Wir mussten sogar noch mal welche nachbestellen“, sagt Bluthardt. In diesen Tagen schauen auch viele Stammkunden persönlich vorbei, um sich zu verabschieden. Einige fragen auch besorgt, wo sie in Zukunft ihre Farbbänder kaufen können.

Inzwischen stehen im zweiten Stock nur noch ein paar leere Regale, an denen auch Preisschilder hängen, sie sollen ebenfalls verkauft werden. Zuletzt war dort oben der Künstlerbedarf untergebracht, weil die goldenen Zeiten der Bürotechnik schon lange vorbei waren. Roland Bluthardt steht im ersten Stock und bringt wie seine Kollegen immer wieder Ordnung in die Regale: hier das Briefpapier, da die Umschläge. Trotz Räumungsverkauf soll es übersichtlich aussehen. „Die Leute fragen nur noch: ,Haben Sie noch Tesa?’ oder: ‚Haben Sie noch Büroklammern?’“, erzählt Bluthardt.

Was auf Haufler folgt, steht noch nicht fest

Der Ausverkauf ist anstrengend, körperlich und psychisch. „Plötzlich bin ich nachts um drei hellwach und denke, was ich noch alles erledigen muss“, sagt Bluthardt, dem es nicht ganz bis zur Rente reicht, was Christiane Haufler-Becker sehr leid tut. Ein Jahr muss er überbrücken, dann kann er mit 63 Jahren in den Ruhestand.

Auch an Christiane Haufler-Becker gehen die letzten Tage nicht spurlos vorbei. Seit dreißig Jahren ist sie in der Firma, die ihr Vater und zuvor ihr Großvater geleitet haben. Sie wollte nicht, dass der SWR ganz am Schluss ins Haus kommt, um einen Film über die Firma zu drehen. „Das wäre eine Art dokumentierte Sterbebegleitung.“

Wer danach einzieht, steht noch nicht fest. Genau genommen befindet sich Haufler in zwei Gebäuden, nach dem Auszug werden die Durchgänge zwischen den beiden Häusern wieder zurückgebaut.

Tonpapiere, Buntstifte, Ordner, Tacker, Blöcke und viele Kalender, all das gibt es im ersten Stock zu Sonderpreisen. Niemand weiß, ob man solche Dinge in 20 Jahren überhaupt noch benötigt, verändern doch technische Neuerungen weiter unsere Gewohnheiten. „Die große Delle kam vor zehn Jahren“, erinnert sich Christiane Haufler-Becker. Ein Beispiel dafür, wie schwer es Haufler zuletzt hatte: seitdem immer mehr Menschen ein Smartphone besitzen, kaufe kaum noch jemand Zeitplaner. Selbst ein Berater für hochwertige Schreibgeräte wie teure Füller hat bei Christiane Haufler-Becker im Büro sein Tablet ausgepackt und kleinlaut gesagt: „Das ist inzwischen leider mein Arbeitsgerät.“