Die Popakademie in Mannheim gilt als Erfolgsmodell. Mit 54 Studierenden hat es 2003 angefangen, inzwischen sind es etwa 250. Längst sind die ersten Absolventen in den deutschen Charts angekommen oder haben sich als Produzenten einen Namen gemacht.

Mannheim - So würde man auch gern in die Vollen gehen, wenn es etwas zu feiern gibt: Gleich acht Bands sind angekündigt für das Abschlusskonzert des internationalen Sommercamps an der Popakademie des Landes. Nachwuchsmusikerinnen und -musiker aus neun Ländern wollen im Saal an der Hafenstraße zeigen, was sie in einer Woche gelernt und kreiert haben. Alle sind bestens gelaunt, hochmotiviert, von Lampenfieber ist nichts zu spüren. Der Hausherr, Rektor Udo Dahmen, hält sich nicht lange mit trockenen Reden auf. „Are you ready to rumble?“ ruft er, ganz Entertainer, zur Begrüßung ins Publikum.

 

Seit neun Jahren lassen sie es nun schon krachen in der Popakademie in Mannheim, der einzigen staatlichen Hochschule bundesweit, die junge Talente auf eine Laufbahn als Bandmusiker, Sänger, Popkomponist, Produzent oder Manager vorbereitet. Mit 54 Studierenden hat es 2003 angefangen, inzwischen sind es rund 250. Längst sind die ersten Absolventen, wie etwa die Band Bakkushan, in den deutschen Charts angekommen oder haben sich, wie Christian „Crada“ Kalla, als Produzent sogar in den USA einen Namen gemacht. Ein Mannheimer Musikbusinessstudent managt die Band Frida Gold und den Echopreisträger Tim Bendzko. „Marie & the redCat“, eine Band von fünf Studierenden und Absolventen, spielt am 8. September beim Empfang des Bundespräsidenten in Berlin.

Der Rektor berichtet von einer rasanten Entwicklung

Die Mannheimer Akademie gilt als Erfolgsmodell. „Die Entwicklung der letzten Jahre war rasant“, sagt Rektor Dahmen. Der Neubau im Stadtteil Jungbusch, 2004 in Betrieb genommen, musste bereits zweimal erweitert werden. „Wir haben im Schnitt jedes Jahr 500 Bewerber auf 30 Plätze im künstlerischen Bereich. Wir können auswählen, die Talentiertesten gewinnen. Das ist auch wichtig, weil wir wissen, dass nur sie langfristig in dem Job leben können“, erläutert Dahmen. Wer die Aufnahmeprüfung geschafft hat, darf sich glücklich schätzen. „Was man hier geboten bekommt, ist erstklassig, da würden sich andere die Finger lecken“, sagt Julia Bach, die im dritten Semester ist und einmal Singer-Songwriter werden möchte.„Man tut viel, um hierherzukommen“, verrät die 23-Jährige aus einer Musikerfamilie in Aue.

Die Idee für das Projekt kam – das kann man sich heute kaum mehr vorstellen – aus dem Staatsministerium der Regierung von Erwin Teufel (CDU). Der bekanntlich eher zum Philosophischen neigende Ministerpräsident wurde dafür mit dem bayrischen Rockpreis ausgezeichnet. Als eigentlicher Spiritus Rector der Akademie gilt aber dessen früherer Minister Christoph Palmer, zuvor Staatssekretär im Wissenschaftsministerium und heute als Unternehmensberater in München tätig.

„Geräuschlos“ wurde das Projekt auf den Weg gebracht

Zusammen mit dem heutigen Mannheimer OB Peter Kurz (SPD), der früh auf die Kreativwirtschaft setzte und damals Kulturbürgermeister der Stadt war, habe man das Projekt „in geräuschlosem und hervorragendem Zusammenspiel“ auf den Weg gebracht. „Die Idee lag damals einfach in der Luft“, sagt Palmer rückblickend. Angespornt von den überwiegend guten Erfahrungen mit der Filmakademie in Ludwigsburg, die 1991 an den Start gegangen war, habe man im Jahr 2000 die Gründung der nächsten „Kreativakademie“ des Landes in Angriff genommen. Natürlich habe es „auch eine Vorgeschichte gegeben“: Die private Landesinitiative Rock und die später gegründete Rockstiftung Baden-Württemberg mit ihrem Vorsitzenden Wolle Kriwanek aus Backnang, der 2003 gestorben ist, „die waren ganz wichtig“. Dabei gab es „viel Gegenwind, auch Häme“, erinnert sich der frühere Minister. Widerstand kam etwa von den Musikhochschulen, die es lieber gesehen hätten, man hätte sie stärker unterstützt, als etwas Neues aufzubauen. „Wollt ihr nun auch noch Pop und Rock akademisieren“, hätten einige Journalisten gefragt. Und in den Reihen der CDU-Fraktion hätten nicht wenige die Idee für „Firlefanz“ gehalten. Da hat es geheißen: „Haben wir sonst nichts zu tun?“, schildert Palmer.

Auch Axel Schwarz , Keyboarder, Arrangeur und Komponist, der als Dozent an der Popakademie von Anfang an dabei war, erinnert sich gut an die Einwände. „Da wurde gefragt: Kann man Kreativität lehren? Wie kann man Popmusik unterrichten? Müssen die nicht auf der Straße sein, um kreativ zu sein?“ Schwarz selbst hat vier Jahre klassische Musik studiert, ehe er 1986 die Jule Neigel Band mitgegründet hat. „Unsere Generation ist noch oft gegen die Wand gelaufen; wir haben gelernt durch die Fehler, die wir gemacht haben“, erzählt der 49-Jährige. „Den Vorsprung haben wir, dass wir den Studenten sagen können, was sie brauchen, um selbstständig zu sein, um Qualität abzuliefern und um ihnen zu vermitteln, wie sie kreativ bleiben und sich dabei selbst vermarkten können.“ Die Studierenden „wollen das Knowhow in geballter Form“.

Die Zahl der festen Mitarbeiter hält sich in Grenzen

Vermittelt wird dies in Mannheim in den Fachbereichen Musikbusiness und Populäre Musik in jeweils zwei Bachelor- und zwei Masterstudiengängen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Hochschulen kommt die Popakademie dabei mit einem Minimum an festen Mitarbeitern aus. Die Lehre bestreiten – abgesehen von Rektor Dahmen, einem klassisch ausgebildeten Schlagzeuger, und dem zweiten Geschäftsführer des Hauses, Hubert Wandjo – durchweg freischaffende Musiker und Experten. Etwa 150 Dozentinnen und Dozenten aus dem In- und Ausland sind in dem Pool, aus dem die Hochschule schöpfen kann.

Unter den Lehrkräften sind auch prominente Musiker, die immer wieder für Workshops oder Veranstaltungen nach Mannheim kommen. Xavier Naidoo etwa gehörte zu den Mitgründern der Akademie und ist noch dabei. Udo Lindenberg lässt sich von Studenten bei seiner Tourneevorbereitung über die Schulter schauen, auch Marius Müller-Westernhagen steht regelmäßig zur Verfügung. „Das war das Konzept von Anfang an“, erklärt Dahmen „Wir wollen das aktuelle Wissen an die Studenten herantragen. Dafür brauchen wir die Experten, auch die aus England und USA, um am Puls der Zeit zu sein.“ Die Studenten kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Noch sind die jungen Männer im Studium bei den Instrumentalisten in der Überzahl. Die Frauen wollen, wie Julia Bach, meist Sängerin werden und komponieren. „Für mich war klar, dass ich die Musik zu meinem Beruf machen wollte“, sagt sie. Wenn man dafür auch Seminare in Existenzgründung absolvieren oder einen Businessplan entwickeln müsse, „sind mache zunächst sehr enttäuscht, aber ich habe gemerkt, wie gut das ist. Ich weiß jetzt, ich kann Ideen entwickeln und sie auch umsetzen. Ich habe gelernt, mich selbst zu managen. Hier bekommt man viele Connections. Das gibt Sicherheit“, erklärt sie.