Auf EU-Ebene nimmt die Verwunderung über Alexander Dobrindt zu: Weil Brüssel seine Maut-Pläne für falsch hält, reagiert der Minister mit Schimpftiraden. Befindet sich der CSU-Politiker vielleicht schon im Wahlkampf-Modus?

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Am Donnerstag beginnt der nächste Akt im Schauspiel um die Einführung einer PKW-Maut in Deutschland. Dann wird die EU-Kommission bekannt geben, dass sie die zweite Stufe im Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland zündet. Noch ein paar Tage später wird sie ein Mahnschreiben an das Bundesverkehrsministerium schicken. Wesentlicher Inhalt: Die EU-Kommission erklärt, warum sie die Maut für einen schweren Verstoß gegen EU-Recht hält.

 

Man könnte meinen, das Ganze sei eine trockene juristische Angelegenheit. Dabei hat der Streit hat durchaus Unterhaltungswert. So versichert Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), dass er die Verschärfung im Streit mit Brüssel kaum noch abwarten kann. Seltsam. Wer lässt sich schon gern verklagen?

Dobrindt beschimpft die EU regelrecht

Es gibt viele Argumente gegen die Mautpläne von Dobrindt. Etwa den wahnwitzigen bürokratischen Aufwand. Erst soll jeder inländische Autofahrer die Maut bezahlen, um sie dann über die Kraftfahrzeugsteuer auf Euro und Cent wieder zurück zu bekommen. Rechte Tasche, linke Tasche, und der ganze Aufwand für absehbar gar nicht so viel Geld? Die EU-Kommission wirft Dobrindt allerdings nur eine Sache vor: Dass seine Maut eine Benachteiligung für ausländische Autofahrer wäre. Damit verstoße er gegen EU-Recht. In einem Binnenmarkt dürften andere EU-Bürger nicht diskriminiert werden.

Eigentlich wollte Dobrindt die Maut Anfang dieses Jahres starten lassen. Doch wegen des Vorstoßes aus Brüssel hat er sie erst einmal auf Eis gelegt. Damit aber nicht genug. Dobrindt beschimpft die EU seither regelrecht. Er wirft der Kommission vor, Deutschland-Diskriminierung zu betreiben. „Brüssel misst mit zweierlei Maß und benachteiligt Deutschland“, sagte er einer Boulevardzeitung. Bei anderen Mitgliedsländern sei die EU-Kommission nicht so streng. Und in Sachen Maut wird, so Dobrindt wörtlich, „jede hinkende EU-Verdrehung gebraucht, um dagegen zu meckern“. Der CSU-Politiker bedient Vorurteile, indem er die Kommission als „Eurokraten“ beschimpft und ihr Blockadeverhalten vorwirft. Er gibt sich bei alledem sehr selbstbewusst: Deutschland werde doch ohnehin einen Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewinnen.

Alles Wahlkampf-Getöse?

Die Europa-Schelte findet EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gar nicht lustig. Als Dobrindt Anfang April in Brüssel war, hat der Luxemburger den deutschen Minister dem Vernehmen nach ziemlich abblitzen lassen. Und den Vorwurf der Hinhaltetaktik werten sie in der Kommission als reine Unverschämtheit. Man habe wiederholt sowohl in juristischer als auch in technischer Sicht Ratschläge gegeben, wie Dobrindt die Maut „in Einklang mit EU-Recht bringen kann“, so ein Sprecher Junckers. Schon im November 2014 sei die Kritik samt Vorschlägen zur europakonformen Ausgestaltung in einem vierseitigen Schreiben nach Berlin gegangen.

In EU-Kreisen wird zudem darauf hingewiesen, dass die EU-Kommission in der Vergangenheit die Mautpläne in mehreren anderen Mitgliedsländern kritisiert hat und auch erste Schritte für Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat. Dies sei etwa bei Österreich, Slowenien und Italien so gewesen. In den Verhandlungen zwischen EU-Kommission und den jeweiligen Regierungen hätte man dann aber stets Wege gefunden, die Maut mit dem Europarecht in Einklang zu bringen.

Im Fall von Dobrindts Ausländermaut liegen die Dinge anders. Der Minister will nicht verhandeln, er pocht darauf, den Streit möglichst schnell vor dem Luxemburger Gerichtshof auszufechten. Aber warum schlägt er jeden Vorschlag der Kommission für einen Dialogaus? In Brüssel hat man dazu eine Vermutung: Vielleicht hat er längst die Lust daran verloren, die Maut umzusetzen. So unausgegoren wie die Pläne sind. Sein Kalkül könnte sein: Den schwarzen Peter für das Scheitern der Ausländer-Maut an Brüssel zu geben. Und bis es so weit ist, noch ein bisschen gegen „die da“ in Europa schimpfen. Ist Dobrindt vielleicht schon wieder im Wahlkampfmodus?