Vom Gig der Band Die Nerven bleibt mehr als nur das Ohrenpfeifen. Die Band zeigt im Stuttgarter Club Universum, warum sie die beste der Stadt ist. Und man ahnt: da geht auch noch mehr.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Glaubwürdiger als Max Rieger kann man nicht anzeigen, dass das Konzert der Stuttgarter Band Die Nerven im ausverkauften Club Universum endgültig vorbei ist. Rieger reißt seiner ohnehin geschundenen Gitarre die Saiten raus, eine nach der anderen. Er braucht die jetzt erst mal nicht mehr, denn Die Nerven spielen am Mittwochabend das letzte Konzert ihrer einmonatigen Europatournee. Der letzte Song beim letzten Konzert, und das bei so einer Band: ja, da kann man schon mal sein Arbeitsgerät demolieren.

 

Wer sich ein Die-Nerven-Konzert anhört, setzt sich einem Klanggewitter aus. Und die Band geht dafür durch ein Stahlbad. „Fun“ ist ein Stahlbad, das Nachfolgealbum „Out“ erst recht: nein, zu dieser Musik kann man nicht entspannen, und wer diesen Sound einen Monat lang Abend für Abend in dieser Intensität auf die Bühnen zwischen Aarhus, Brüssel, Chemnitz und Ljubljana bringt – der sollte am Ende dieser Ochsentour eigentlich viel fertiger wirken als Die Nerven bei ihrem Gig im Universum.

Von der Bühne weg gebucht

Im Sommer, beim Melt-Festival und einige Monate davor beim Newcomerfestival Eurosonic Noorderslag war das Stahlbad, das die Band auf der Bühne entfesselt hat, noch ein Stück härter. Beim Eurosonic wurde die drei Stuttgarter quasi von der Bühne weg vom Label Glitterhouse Records unter Vertrag genommen; im Sommer präsentierten sie erstmals Stücke vom neuen Album „Out“ und jetzt konnten sich landauf, landab Leute ein Bild von dieser Band machen, die als der heiße Scheiß der Gitarrenmusik gehandelt werden. Auch in Stuttgart sind viele, die sich mal ein Bild von der Gruppe machen wollen, um die so ein Hype entstanden ist. Und natürlich die Fans, die schon seit Jahren wissen, was diese Band kann.

Hype und heißer Scheiß wollen Die Nerven nicht sein. Die Band verzichtet bei ihrem Konzert fast vollständig auf Ansagen. Das ist bei dieser Art von Musik auch nicht schlimm; als kleinen Bonus gibt’s den in Sachen Trashkultur äußerst bewanderten Schlagzeuger Kevin Kuhn obendrauf. Der zieht untenrum diesmal zum Glück nicht vollständig blank, hat aber beispielsweise einen Zonk auf die Bühne mitgebracht und stellt ihn allen „Geh aufs Ganze!“-Unkundigen formell vor.

Das sind an sich völlig unnötige Zwischentöne in einem ansonsten ganz und gar auf die Musik konzentrierten Vortrag. Trotzdem tun sie der Show gut, weil sie ihr dadurch gerade die Nerdigkeit nehmen, die man diesem Trio und seinem Sound-Mastermind Ralv Milberg guten Gewissens unterstellen darf. Soundmäßig stimmt da alles, jeder Ton und jeder Effekt ist durchdacht. Die Band ist bestens eingespielt, da greift das eine ins andere: Max Riegers charakteristisches, extrem direktes Gitarrenspiel, Julian Knoths so konzentriertes wie groovendes Bassfundament und die irre Technik des Schlagzeugers Kevin Kuhn. Der hat die Becken so niedrig gehängt, dass er beim Spielen gleichzeitig auch noch mit dem Ellbogen auf die anderen Trommeln schlagen kann: maximaler Druck als Ziel, und dieses Ziel wird erreicht – fast.

Die beste Band Stuttgarts

Die Nerven sind derzeit die beste Band Stuttgarts. Sie sind so gut wie nie zuvor mit Songs, die besser sind als die alten. Sie sind Meister darin, das Publikum gänzlich zum Schweigen zu bringen und dann einen wahren Kriegslärm zu entfesseln. Die Nerven sind im Krieg, mit der Stille, mit dem Krach, mit sich selbst. An diesem Abend geben alles und werden dafür zu Recht vom Publikum bejubelt – es ist nicht zuletzt der bisher größte Gig in ihrer Heimatstadt.

Nachdem die letzte Saite rausgerissen ist, bleibt dem Publikum noch eine Viertelstunde, ehe die Sicherheitsleute die Zuschauer hinreichend rüde Richtung Ausgang drücken. Der Lärm von Die Nerven ist da längst in Form von Ohrenpfeifen in die Gehörgänge gewandert. Jetzt ist Stille. Zumindest bis Die Nerven wieder losschlagen. Wir freuen uns darauf.


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