Gibt es mehr Verbrechen im Land? So einfach ist die Sache nicht. Man muss die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik genau anschauen, kommentiert Politik-Redakteur Christian Gottschalk. Und dann braucht es Zeit, damit die Wissenschaft die richtigen Schlüsse daraus zieht.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist ein Zahlenwerk mit begrenzter Aussagekraft. Sie suggeriert, dass im vergangenen Jahr genau 609 133 Straftaten im Land begangen worden sind – genau das aber ist falsch. Wahrscheinlich ist schon die Zahl der Schwarzfahrten größer, doch nur ein Bruchteil von ihnen wurde entdeckt. Die Statistik erfasst nicht die Zahl der Verbrechen, sondern das, was der Polizei bekannt wird. Der nicht entdeckte Schwarzfahrer fehlt darin ebenso wie der Sexualstraftäter, dessen Opfer aus Scham schweigt. Ob die erfassten Tatverdächtigen jemals angeklagt oder verurteilt werden, darüber sagt die Statistik gar nichts.

 

Kein Blick auf die tatsächliche Kriminalität

Das Zahlenwerk bietet nicht den Blick auf die tatsächliche Kriminalität. Es zeigt, darauf hat der BGH-Richter Thomas Fischer unlängst hingewiesen, nur eine Realität, nicht die Realität. Es gibt aber durchaus Anlass, um weitere, intensivere Forschungsarbeit zu beginnen. Der Grund für die anhaltende Zunahme von Gewaltdelikten – nicht nur, aber auch gegen Polizeibeamte – gehört ebenso dazu wie eine solide Überprüfung der Flüchtlingskriminalität. So falsch es wäre, die Zahlen aus diesem Bereich zu einem Skandal aufzublähen, so falsch wäre es, die Vorfälle zu verharmlosen und zu relativieren. Eine solide wissenschaftliche Aufarbeitung braucht allerdings Zeit.