Im musikalischen Modernisierungsrausch der ARD ist vom alten „Musikantenstadl“ nicht viel übrig geblieben. In der „Stadlshow“ wird poppig live gesungen, alles ist schick und clean.

Stuttgart - Die gute Nachricht zuerst: Hurra, die neue „Stadlshow“ in der ARD ist in den sozialen Medien angekommen! Der Hashtag #stadlshow führte am Vormittag nach der Samstagabendpremiere die Liste der meistdiskutierten Themen sogar an dritter Stelle an, in Österreich jedenfalls. Ein statistisch gesehen furioses „Stadlshow welcome“ war das auf Twitter, wie es der Vorgänger „Musikantenstadl“ nie erlebt hat.

 

Und die schlechte? Beklatscht wurde das Verjüngungsprojekt „Stadlshow 2.0“ der Dreiländerveranstalter BR, ORF und SRF in den Tweets und Posts fast gar nicht und die TV-Quote ist auf 2,46 Millionen Zuschauer halbiert. Ein erwartbares Desaster. Die Stammseher sind noch immer verschnupft ob der rüden Demission ihres „Musikantenstadl“-Gastgebers Andy Borg. Und alle anderen? Sind, zu Recht, erschlagen und verschreckt vom neuen „Stadl“-Geist, der so schwer bekömmlich ist wie die riesige Schwarzwälder Kirschtorte, die Konditoren im Offenburger Saal servierten.

Denn im Modernisierungsrausch ist vom alten „Stadl“ nicht mehr übrig geblieben als die Hälfte des Namens und die Wolfgang-Lindner-Band, die schon Andy Borg zu Diensten war. Für hip und jung halten es die Verantwortlichen zum Beispiel, dass auch im „Stadl“ Englisch gesungen wird. So bliesen die Powerkryner Tom Jones‘ Hit „Sexbomb“ den Marsch. Und DJ Ötzi quälte sich durch die Rocknummer „I want you to want me”.

Da schallt laute Stille zurück

Dass der Strickmützenträger im zwanzigsten Jahr seiner Après-Ski-Karriere live kräch. . ., pardon, sang, so wie die meisten anderen Künstler, ist als „Stadl“-Neuerung zwar absolut zu begrüßen, war nur im Falle von DJ Ötzi keine gute Idee. Als er ins Publikum rief: „Seid Ihr noch da?“, schallte Stille zurück, wie sie lauter nicht sein kann. Dabei hatten sich die Moderatoren, die niedlich schwyzerdütschelnde Francine Jordi und der in volkstümlichen Kreisen bislang völlig unbeleckte Alexander Mazza, in bester Club-Animations-Tradition so viel Mühe gegeben mitzureißen: locker in der Hüfte, aber mit fest gefrorenem Lächeln und mit gekünstelter Leidenschaft („Wahnsinn!“, „Unglaublich!“, „Du Energiebündel!“), die nur Leiden schaffte. Offenbar auch bei Jürgen Drews. Seine Hoheit aus Mallorca entzog sich dem unverbindlichen Sofa-Plausch mit den Moderatoren und fingerte lieber an seinem Banjo.

Nach jüngsten Verjüngungsmaßstäben hätte Drews mit seinen siebzig Jahren im „Stadl“ eigentlich nichts mehr verloren. Für die Ballermannisierung und Verpoppisierung des Schunkel-Klassikers ist er aber unverzichtbar. Statt der Schürzenjäger, den Original Oberkrainern oder der Dauerwelle Semino Rossi powern jetzt ganz andere „Stars“ im „Stadl“ ab. Sie heißen Troglauer Buam oder La Goassn. Sie tragen Ganzkörpertattoos (Django 3000), gehen barfuß (Poxrucker Sisters), wackeln zu Gipsy-Pop (Bluma) oder machen Musik mit Werkzeugkästen (Alpin Drums). Ganz neue „Stadl“-Töne sind das und musikalisch ganz schön weit weg vom Humpftata vergangener Zeiten. Optisch sowieso.

Die Bühnenbauer haben als neues „Stadl“-Zuhause ein Chalet de luxe gezimmert. Schick und clean. Mit Wandfliesen in Steinoptik, flackerndem Kaminfeuer, gehäkelten Sitzpuffs, wie sie jüngst ein Discounter im Sonderangebot führte, und rückenunfreundlichen Tiefsitzledersofalandschaften, auf denen selbst der an sich noch juvenile DJ Ötzi, 44, nicht Platz nehmen wollte. Er zog die härtere Lehne vor. Tja, an der Gemütlichkeit der „Stadlshow“ muss definitiv noch gearbeitet werden.