Die New York Fashion Week gehört zu den wichtigsten Schauen der Welt. Doch die Szene ist längst nicht mehr so inspirierend wie sie es früher einmal war. Warum das so ist, hat uns der Berliner Modedesigner Michael Michalsky erklärt.

Berlin - In New York startet die Fashion Week. Sie zählt zu den wichtigsten Schauen der Welt. Doch die Szene ist längst nicht mehr das, was sie einmal war. Der Berliner Designer Michael Michalsky kennt sich im internationalen Modezirkus aus und erklärt, warum Berlin New York inzwischen den Rang abläuft.

 
Herr Michalsky, warum sind Sie nicht bei der New York Fashion Week? Weil ich schon immer nur in Berlin gezeigt habe. Das ist meine Stadt, ich liebe sie und ich finde, sie ist die am meisten inspirierende Stadt der Welt. Es ist eine unfertige Stadt, es passiert subkulturell unheimlich viel, es gibt eine große Kunstszene – das sind alles Aspekte, die Nahrung für einen Designer sind.
Hat Berlin denn New York modisch gesehen abgelöst?
Ich finde schon, dass Berlin New York den Rang abläuft. Der Berlin-Style, der Mitte-Look ist inzwischen stilprägend. Den sehe ich auch in Korea, Shanghai oder Paris. New York ist natürlich nach wie vor eine fantastische Stadt, da braucht man gar nicht drüber reden, aber man findet dort nichts mehr Unerwartetes. Berlin entspricht heute vielleicht dem New York der 80er Jahre. Das Grobe, Unfertige, dieses Anything-can-happen, die verwegene Sub- und Clubkultur, all das gibt es dort heute so nicht mehr. Es ist sehr clean und auch sehr teuer geworden.
Trotzdem ist die New Yorker Fashion Week ein viel beachtetes Spektakel.
Ja, sie ist eine der größten mit hunderten von Designern. In New York war man schon immer sehr aufgeschlossen und modern, eben typisch amerikanisch. Dort kann eigentlich jeder Designer seine Kollektion zeigen. Deshalb hat es sich dort auch fast schon zu einer Art Moloch entwickelt, viele kleine Labels kennt man gar nicht.
Welche Shows gehören dieses Mal zu den Höhepunkten?
Victoria Beckham wird sicherlich ein Highlight sein, sie hat sich inzwischen sehr etabliert. Als sie angefangen hat, haben viele die Stirn gerunzelt, aber man muss wirklich sagen, dass sie das gut und erfolgreich macht. Auf Tom Ford freuen sich die Leute, der hat lange nicht in New York gezeigt. Auch die Calvin-Klein-Show wird ein absolutes Highlight sein. Da gibt es den neuen Chefdesigner Raf Simmons, ein König des Minimalismus – so wie Calvin Klein zu seinen Anfängen. Viel beachtet wird Tommy Hilfiger sein. Nicht so sehr wegen der Mode an sich, sondern weil er eine Kollektion zusammen mit Gigi Hadid macht, eines der gefragtesten Models im Augenblick, zusammen mit Kendall Jenner (Kim Kardashians Halbschwester, die Redaktion). Damit versucht er an die Zielgruppe der Millenials (in den 1990er Jahren geborene junge Leute, die Red.) anzuknüpfen, die seine Mode bisher noch nicht so sehr im Blick haben. Ansonsten spielen Jeremy Scott, Michael Kors und das New Yorker Clubkind Alexander Wang wichtige Rollen im New Yorker Fashion Zirkus.
Wie unterscheiden sich andere große Schauen, wie zum Beispiel Paris?
Das ist die traditionellste und wichtigste Schau der Welt. Paris ist sehr exklusiv, da kann nicht jeder zeigen, man muss sich bei der Chambre Syndicale de la Haute Couture bewerben, damit man auf den Schauenplan kommt. Ein gutes Zeitfenster zu erwischen gleicht einem Hauptgewinn. Mailand funktioniert ebenfalls nach traditionellen Regeln. London ist sehr exzentrisch und weniger kommerziell orientiert als New York. Das gefällt Designern natürlich gut.
Wenn Sie eine Rangfolge der wichtigen Modeschauen aufstellen sollten – wie lautet sie?
An erster Stelle ganz klar Paris, danach Mailand. New York und London auf dem selben Platz und dann Berlin.
Dieses Mal wird in New York die Mode teilweise direkt im Anschluss verfügbar sein und nicht wie bisher üblich erst in der Saison darauf. Das ist neu. Was halten Sie davon?
Ich finde das Ready-to-buy-System ganz gut. Das ist eben dem Zeitgeist geschuldet, das Modesystem hat sich komplett geändert. Ich arbeite seit fast 24 Jahren als Designer, habe 1992 bei Levi’s angefangen, da war Mode noch etwas komplett anderes. Es gab zwei Saisons, Frühjahr/ Sommer sowie Herbst/Winter, es gab viel weniger Designer und die Printmedien waren das meinungsbildende Nonplusultra. Heute konsumieren wir ganz anders, nämlich sehr viel online, die großen Modehäuser machen mindestens vier Kollektionen im Jahr, dazu kommen die großen Ketten, die die Mode demokratisiert haben. Außerdem sitzen in den ersten Reihen der Shows heute die wichtigsten internationalen Blogger, die über die sozialen Medien unmittelbar die neuesten Trends verbreiten. Dadurch entsteht die Begehrlichkeit, die Mode auch gleich haben zu wollen.
Wird Mode dadurch nicht beliebig?
Die Halbwertszeit von Mode ist jedenfalls sehr viel kürzer geworden. Teilweise wird Bekleidung schon als Wegwerf-Objekt betrachtet, das finde ich sehr bedenklich. Das ist auch der Grund, warum ich mit meinen Kollektionen genau das Gegenteil mache. Ich mache Haute Couture, alles wird auf den Kunden angepasst, alles wird in Berlin hergestellt, alles nachhaltig und mit dem Ziel, etwas möglichst lange zu besitzen.
Welche Trends werden sich bei der Fashion Week zeigen?
Es gibt heutzutage Hunderte von Trends, die gleichzeitig stattfinden und ultraschnell verbreitet werden, daher ist das schwer zu sagen. Aber ich würde mal vermuten, dass Schwarz weiterhin eine wichtige Farbe sein wird, vielleicht in Kombination mit Schnee-Weiß. Und generell wird es wohl eher sportlich bleiben.
Welches sind ihre Mode-Lieblingsstädte? Tokio, Los Angeles, London und Berlin. Vor allem die Japaner haben ein ganz anderes Gespür für Mode, dort gibt es Looks, die man sonst nicht sieht. Ich bin ein großer Fan von japanischen Designern.