Weil es im Streuobstparadies keine Äpfel gibt, müssen die Mostproduzenten weite Wege gehen, damit die Anhänger des schwäbischen Kultgetränks nicht auf dem Trockenen sitzen.

Erkenbrechtsweiler - Für das Apfelsaftschorle für den vorbeiwandernden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann hat es noch gereicht. Um aber den eingefleischten Mostfreunde unter seinen Kunden Rechnung zu tragen, hat sich Thomas Dieterich, der Betreiber des Mostkrugs in Erkenbrechtsweiler, in diesem Jahr ordentlich strecken müssen. Weil die Bäume am Albtrauf wegen des Frostes im Frühjahr keine Früchte tragen, hat der Wirt seine Mostgrundlage – vier Tonnen Äpfel – im Frankfurter Main-ÄppelHaus geordert.

 

Der Zukauf, gemeinsam mit dem im Keller gelagerten Most vom Vorjahr, sollte für den ersten Durst reichen. Schließlich gilt das Mostkrug-Versprechen „so viel de zwengsch“ – auf gut Deutsch: „All you can eat“ – nur für das sonntägliche Besenfrühstück während der am 1. Oktober beginnenden Saison. Rund 3000 Liter des für die einen süffigen, für die anderen sauren Kultgetränks werden die Mostkrug-Bedienungen den Gästen in der rustikalen Gaststube servieren, die Dieterich in der einst guten Stube seiner Großmutter eingerichtet hat.

Das letzte Jahr der alten Moste

Dank des Dieterichschen Einsatzes sitzt Peter Schmid nebenan nicht ganz auf dem Trockenen. Am Dienstag wird er seine alte Moste wieder anwerfen, vermutlich zum unwiderruflich allerletzten Mal. Der Schuppen, in dem die rund 100 Jahre alte Maschine steht, muss über kurz oder lange der Zufahrt zu den dort geplanten beiden Mehrfamilienhäusern weichen.

Schmid, assistiert von seiner Frau Gerda, mostet seit mehr als 40 Jahren. Eine annähernd so schlechte Ernte wie in diesem Jahr hat es bislang nur einmal gegeben. „Vor etwa 25 Jahren sind die Äpfel einmal mit der Eisenbahn aus Polen gekommen und in Wendlingen verladen worden“, erinnert er sich. Damals sei er mit seinem Traktor und zwei Anhängern ins Tal und habe es mit der vollen Fuhre kaum wieder zurück auf die Alb geschafft. Und jetzt? Owen, Münsingen, Kirchheim, Nürtingen – alle Annahmestellen hätten abgewunken, als er mit der Bitte um Ware vorstellig geworden sei. „Früher haben wir vier Wochen lang rund um die Uhr gearbeitet. Zuletzt waren es höchstens noch ein paar Stunden in einer Woche“, sagt Gerda Schmid.

Das gute Vorjahr hilft den Saftproduzenten über die Runden

Unten im Tal, in Lenningen, könnte auch Gudrun Bosch durchaus mehr verzwenga. „Wir sind froh, wenn wir es in diesem Jahr schaffen, 100 000 Liter Fruchtsaft zu pressen“, sagt sie, die gemeinsam mit ihrem Mann das Unternehmen Bosch Fruchtsäfte mit Annahmestellen in Neidlingen, Weilheim-Hepsisau, Kirchheim-Nabern und Lenningen betreibt. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr sind aus der Bosch-Presse rund eine Million Liter Saft geflossen. „Dank des guten Vorjahres kommen wir über die Runden. Noch ein schlechtes Jahr, dann hätten wir ein Problem“, sagt Gudrun Bosch.

Kein Problem mehr haben die Gästeführerinnen von der Schwäbischen Landpartie. Sie haben den „Genuss-Spaziergang zur Erntezeit im Streuobstparadies“ kurzerhand abgesagt. Zum Spaziergang „im bunten Herbstlaub“ hätten die Landpartie-Damen am Samstag, 23. September, gerne zwei Dutzend alte Streuobstsorten wie Berlepsch, Bohnapfel und Landsberger gereicht. Mit der Ankündigung haben sie den Obstfreunden den Mund umsonst wässrig gemacht. „Es gibt in diesem Jahr leider keine Äpfel zum Verkosten“, so die Botschaft aus dem Schwäbischen Streuobstparadies.

Tierische Konkurrenz macht die magere Ernte streitig

Alles andere als paradiesisch ist auch die Situation auf den museumseigenen Obstwiesen im Freilichtmuseum Beuren. „Von unseren 600 Bäumen tragen vielleicht 20 Bäume Früchte“, sagt Daniel Kondratiuk, der die zumindest in diesem Jahr undankbare Aufgabe hat, das Moschtfescht des Museums am Sonntag, 8. Oktober, zu organisieren. In einem guten Jahr ernten die Museumsmacher auf dem Gelände am Fuß der Schwäbischen Alb rund 15 Tonnen Obst. „In diesem Jahr sind es, wenn es hoch kommt, 150 Kilogramm“, sagt Kondratiuk. Auf die ohnehin magere Ernte ist auch die tierische Konkurrenz scharf. Vögel und Wespen haben sich mehr als sonst am sparsam gedeckten Tisch der Natur bedient.

Mit dem, was sie und der Frost übrig gelassen haben, ist bei bis zu 3000 erwarteten Besuchern wenig Staat zu machen. Auch Kondratiuk hat sich anderweitig umgesehen und noch zwei Tonnen Äpfel aufgetrieben, damit zumindest die Schaumosterei und die Kinderpresse nicht trocken fällt. Mangels Masse gestrichen ist allerdings der Apfelsaftverkauf in den über eine Bag-in-Box- Anlage direkt vor Ort abgefüllten 5-Liter-Kartons.