Die Personalpolitik der Grünen passt nicht zu ihrem hohen Anspruch. Es reicht nicht, wenn Winfried Kretschmann sich davon distanziert.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Winfried Kretschmann reagierte sichtlich genervt. „Was habe ich mit diesen Menschen zu tun?“, entfuhr es ihm, als die Fragen nach der Besetzung von Chefposten bei Landesunternehmen gar kein Ende nahmen. Wenig und doch viel. Natürlich kann sich der Ministerpräsident nicht um jeden Geschäftsführer oder gar Prokuristen persönlich kümmern. Aber für die Personalpolitik der grün-schwarzen Koalition trägt er zentral die Verantwortung – zumal seit die Nebenabreden zu Firmen- und Behördenchefs publik wurden. Was die Bündnispartner darin noch vornehm als „Vorschlagsrecht“ umschrieben haben, erweist sich schon jetzt als Zugriffsrecht: Ob bei der Wirtschaftsfördergesellschaft Baden-Württemberg International (BWI) oder bei der Führungsakademie des Landes: Ohne Ausschreibung sollte an der Spitze ein Grüner installiert werden. Bei BWI hat es nun geklappt, beim Stuttgarter Flughafen scheint der Kandidat bereits ausgeguckt zu sein. Die CDU darf im Gegenzug andere wichtige Positionen besetzen – gerade so, als handele es sich um eine Beute, die die Regierungspartner unter sich aufteilen.

 

Neu ist es für Baden-Württemberg wahrlich nicht, dass Schlüsselpositionen auch nach Parteibuch oder zumindest -nähe vergeben werden. Über Jahrzehnte hinweg hat die CDU den Staatsapparat systematisch durchdrungen, bis hinunter zu Schul-, Behörden- oder Gerichtsleitern. Das sicherte ihre Herrschaft und bot ihr Gelegenheit, Parteigänger zu belohnen. Ab und an gab es empörte Reaktionen – zu Oppositionszeiten auch von den Grünen –, aber die saß man locker aus. Ein oder zwei Tage herrschte Aufregung, die Jobs indes hatte man auf Jahre hinaus ergattert.

Kaum noch Scheu beim Zugriff auf Posten

Die Grünen haben in dieser Hinsicht bemerkenswert schnell von der CDU gelernt. Doch bei ihnen funktioniert der Postenschacher noch nicht so reibungslos – und das zu Recht. Wer im Wahlkampf plakatiert, Regieren sei „eine Stilfrage“, der muss sich daran auch messen lassen. Kretschmanns politischer „Heiligenschein“ verblasste schon durch die geheimen Nebenabreden, die schlecht zum grünen Anspruch auf Transparenz passten. Sein Bekenntnis „Ich mauschele schon immer“ machte die Sache nicht besser. Nun zeigt er sich auch bei den Personalien zunehmend als gewöhnlicher Machtpolitiker, der kaum noch Scheu beim Zugriff auf Posten hat.

Gewiss, manches haben die Grünen (mit der SPD) anders und besser gemacht als früher die Schwarzen. An die Spitze der Rothaus-Brauerei etwa setzten sie einen erfahrenen Manager aus der Branche – und eben keinen amtsmüden Minister, wie es einst Erwin Teufel tat. Den beliebten Stuttgarter Regierungspräsidenten ließen sie 2011 trotz FDP-Parteibuchs im Amt. Sogar jeden Amtschef der Ministerien wollten sie damals einzeln prüfen – um später dann doch alle abzulösen. Dieses Zögern schien eher der Unerfahrenheit geschuldet. Heute, nach fünf Regierungsjahren, wird das Personal ohne viel Federlesens ausgetauscht. Bei politischen Beamten ist das legitim, wenn auch nicht in jedem Fall klug.

Mit Transparenz gegen Mauschelverdacht

Doch die „fortdauernde Übereinstimmung“ mit der Regierungspolitik, die ihnen abverlangt wird, gilt nicht für Manager von Landesunternehmen. Das Parteibuch darf bei ihnen zwar kein Nachteil, aber auch kein Vorteil sein. Doch wer soll das glauben, wenn – wie bei BWI – ohne Ausschreibung ein Grüner als der am besten geeignete Kandidat präsentiert wird? Und das, obwohl womöglich noch bessere Leute keine Chance hatten, sich zu melden? Dem Mauschelverdacht lässt sich nur durch ein offenes, transparentes Verfahren begegnen. Da genügt es auch nicht, eine Stelle pro forma auszuschreiben und am Ende doch zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Opposition und Öffentlichkeit werden künftig in jedem Einzelfall ganz genau hinschauen – ob es Kretschmann gefällt oder nicht.