Die Intendantinnen der Rampe in Stuttgart gehen in ihre dritte Spielzeit – und wollen künftig weniger den Intellekt und mehr die Sinne ihrer Zuschauer ansprechen – auch mit einem „Dorffest“.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Einfach machen sie es ihren Zuschauern nicht immer. Allein der Schriftzug THTR RMPE verlangt, dass man mitdenkt. Die Informationen auf der Homepage sind oft kompliziert und mit allerhand Anglizismen garniert, wer sie begreifen will, muss sich Mühe geben. Trotzdem ist das Theater Rampe derzeit eines der erfolgreichsten Theater der Stadt. Selten sind Intendanten nach ihrem Start so schnell und gut in der Stadt angekommen wie Marie Bues und Martina Grohmann es sind. In den ersten beiden Spielzeiten haben sie viel gewirbelt und auf den Weg gebracht, sie sind bestens vernetzt, vielseitig und einfallsreich. Keine Frage: In der Rampe weht ein frischer Wind.

 

Für die neue Saison haben sich Bues und Grohmann nun etwas vorgenommen, was fast provokant anmutet: Während überall Debatten angestoßen und aktuelle Fragestellungen diskutiert werden sollen, wollen die Intendantinnen „weg vom Diskurstheater“, wie es Martina Grohmann nennt, und „hin zum Dionysischen“. Deshalb steht die Spielzeit im Zeichen der Gurke, „das ist das Sinnloseste, was man auf ein Theaterplakat drucken kann“, meinen die beiden Intendantinnen. Statt allzu intellektuelles Theater zu machen, wollen sie das Publikum stärker sinnlich ansprechen und sich dabei auch mit populären Sujets auseinandersetzen. Deshalb geht es bei der ersten Premiere um Musik und die Frage, welchen Einfluss die Popmusik auf das Leben hat. „Als ich einmal tot war und Martin L. Gore mich nicht besuchen kam“ von Daniel Mezger ist ein Stück über Dave Gahan, den Sänger von Depeche Mode. Regie hat Marie Bues geführt, der „düstere Musikabend“, wie Bues es nennt, wird am Donnerstag, 15.Oktober, Premiere in der Rampe haben.

Die Produktion lief bereits am Schlachthaus Theater Bern, denn die Rampe ist weiterhin bemüht, möglichst viele Partner zu gewinnen: kleine, kreative Kollektive wie Monster Truck, aber auch große Institutionen wie die Akademie Schloss Solitude. Bues und Grohmann haben Kontakte nach Berlin oder Recklinghausen, sind aber auch in der Stadt bestens vernetzt und suchen den Kontakt zur Bevölkerung vor Ort. Immerhin hundert sogenannte Nachbarschaftskarten haben sie bereits ausgegeben, mit der Bewohner des Stuttgarter Südens ermäßigten Eintritt in die Rampe erhalten. „Das hat einen intensiven Austausch gefördert“, sagt Marie Bues.

Der Spielplan soll ruhiger werden

Für ihre dritte Spielzeit haben die beiden Intendantinnen einen „solideren, ruhigeren Spielplan“ konzipiert. Während sie bisher formal vor allem nach Grenzüberschreitungen gesucht und auch viele Veranstaltungen in der Stadt und im öffentlichen Raum gemacht haben, wollen sie sich stärker auf ihre Spielstätte konzentrieren. „Wird kommen zurück in die Rampe als Haus und Theater“, sagt Marie Bues. Auf dem Spielplan werden auch weniger Projekte und Performance stehen, sondern vor allem Autorentheater aufgeführt werden. Vom 4.November an läuft etwa „Obwohl“. Das neue Stück der Konstanzer Autorin Beate Faßnacht hatte dieser Tage bereits Premiere an der Württembergischen Landesbühne Esslingen.

Trotzdem wird auch künftig nicht nur im Theaterraum Theater gemacht werden. Ein weiterer Partner der Rampe ist das Stuttgarter Künstlerkollektiv Herbordt/Mohren, für das Theater wortwörtlich ein Ort der Begegnung ist. In den Projekten versuchen sie die Gesellschaft nicht nur zu analysieren, sondern auch zu gestalten. Für diese Saison haben sie sich das Thema Dorf vorgenommen, konkret: Michelbach an der Lücke. Herbordt/Mohren wollen in dem Dorf im Landkreis Schwäbisch Hall ein Langzeitprojekt starten und vor Ort „ästhetischen Interventionen“ entwickeln. Sie installieren mit Unterstützung der Bevölkerung zum Beispiel ein Kommunales Kino oder richten ein Archiv ein. Jeden zweiten Sonntag laden Herbordt/Mohren das Stuttgarter Publikum zu einer Landpartie ein, bei der man gemeinsam im Bus nach Michelbach fährt. „Wir wollen das Theater auch aus den urbanen Zentren holen und in die Region bringen“, sagen die Intendantinnen, die auch hoffen, dass das, was Herbordt/Mohren in Michelbach anstoßen, auch langfristige Wirkung hat. Am 24.Oktober soll zunächst eine Art Dorffest an der Rampe stattfinden mit Diskussionen zum Thema ländlicher Raum, am 25.Oktober startet dann die erste Landpartie.

Inzwischen steht die Rampe auch finanziell auf einer soliden Basis, da Stadt und Land ihre Zuschüsse erhöht haben. „Die Situation hat sich entspannt“, so Grohmann. Auch über die Besucherzahlen sei man zufrieden. „Wir gewinnen zunehmend jüngeres Publikum“, so die Intendantin, die Auslastung liege bei 78 Prozent, und mit 14 500 Besuchern habe man das Niveau der früheren Intendantin Eva Hosemann erreicht.