Intensiv sucht der VfB nach einem neuen Präsidenten. Von Daimler werden die Entwicklungen genau beobachtet.

Stuttgart - Der Dienstwagen des Präsidenten fährt noch immer jeden Morgen vor. Gewissenhaft erscheint Gerd Mäuser täglich zur Arbeit auf der Geschäftsstelle des VfB Stuttgart, obwohl er ein Clubchef auf Abruf ist und am 3. Juni vorzeitig zurücktreten wird. Seine Reise zum Pokalfinale nach Berlin bereitet Mäuser vor, es soll ein einigermaßen versöhnlicher Abschluss seiner knapp zweijährigen Amtszeit werden. Ansonsten gibt es für den früheren Porsche-Manager nicht mehr allzu viel zu tun – die Gestaltung der Zukunft haben andere übernommen.

 

Wer die Nachfolge Mäusers an der Spitze des VfB antritt – das ist die große Frage. Die Präsidentensuche ist auch weiterhin in vollem Gange. „Das wird keine einfache Kiste, aber das wussten wir schon vorher“, sagt der zum Vorstandsmitglied aufgestiegene VfB-Manager-Fredi Bobic und berichtet von einer „regen Diskussionsbereitschaft, die in allen Gremien zu spüren ist“.

Die schwierige Suche des Dieter Hundt

Viele Menschen zerbrechen sich derzeit den Kopf darüber, wer neuer Präsident werden könnte – zuvorderst Dieter Hundt. Als VfB-Aufsichtsratschef ist er dafür zuständig, den Mitgliedern einen Kandidaten zur Wahl vorzuschlagen. Das Problem: die Abneigung gegenüber Hundt ist unter weiten Teilen der Fans sehr ausgeprägt. Sie scheinen nicht nur wild entschlossen, bei der Mitgliederversammlung Hundts Kandidaten abzulehnen – sie wollen auch den Aufsichtsratschef aus dem Amt kegeln. Angeblich sollen einige Tausend Fans mobilisiert werden, um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Die Ausweglosigkeit seiner Situation ist auch Hundt nicht verborgen geblieben. Derzeit sucht er die Nähe zur Basis und lädt VfB-Sympathisanten zum Meinungsaustausch ins Besprechungszimmer seiner Allgaier-Werke in Uhingen ein. Von vier möglichen Präsidentschaftskandidaten ist die Rede: Neben Günther Oettinger handelt es sich nach StZ-Informationen um Christof Bolay, den Oberbürgermeister von Ostfildern, dessen Bietigheimer Amtskollegen Jürgen Kessing sowie Thomas Haas, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Johannes Führ in Frankfurt. Mehrheitsfähig dürfte keiner sein.

Wird die Mitgliederversammlung verschoben?

Offenbar hat Hundt zuletzt auch darüber nachgedacht, die Mitgliederversammlung auf Oktober zu verschieben. Am 30. September wird er 75 – und danach, so heißt es, wolle er seine öffentlichen Ämter abgeben. Auf diese Weise könnte sich Hundt erhobenen Hauptes beim VfB verabschieden und den Aufsichtsratsvorsitz weitergeben, womöglich an Erwin Staudt. Allerdings ist der 22. Juli in den Vereinsorganen bereits als Termin veröffentlicht worden; zudem widerspräche eine Verschiebung der Satzung, da der VfB in diesem Falle zu lange ohne Präsidenten wäre.

Fest steht: Hundt wird den Mitgliedern Zugeständnisse machen müssen. Sie fordern mehr Fußballkompetenz an der Clubspitze, mehr Mitsprachemöglichkeiten. Zur Freude der Fans hat Karl Allgöwer seine Bereitschaft zur Mitarbeit bereits signalisiert – knüpft diese aber an die Forderung einer kompletten Neuausrichtung. Hermann Ohlicher hat bisher zwar abgewinkt, was nichts daran ändert, dass er als Favorit von Bobic gilt, der wenig Interesse daran haben kann, dass kein Stein auf dem anderen bleibt. Nach den Vorstellungen des Sportvorstands sollen dem Präsidenten rein repräsentative Aufgaben zufallen. Der zeitliche Aufwand wäre begrenzt.

Joachim Schmidt vertritt beim VfB die Daimler-Interessen

Mit großem Interesse und einiger Sorge werden die Turbulenzen rund um die Präsidentensuche auf der anderen Seite der Mercedesstraße verfolgt. Bei Daimler war es ursprünglich vorgesehen gewesen, dass der Marketingchef Joachim Schmidt im nächsten Jahr den Vorsitz des VfB-Aufsichtsrats übernimmt und die Konzerninteressen vertritt. Sollte Hundt sein Amt früher abgeben (müssen), wäre ein Plan B nötig. Als denkbar gilt es inzwischen, dass die Daimler AG, die mit der Mercedes-Benz-Bank bereits Hauptsponsor des VfB ist, ihr finanzielles Engagement erhöht. Voraussetzung dafür wäre allerdings eine Ausgliederung der Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft nach dem Vorbild vieler anderer Bundesligisten. Dann könnte sich Daimler als strategischer Partner einkaufen – so wie es Adidas oder die VW-Tochter Audi beim FC Bayern getan haben. Ohnehin gilt eine solche Strukturreform spätestens seit 2007 als überfällig. Dem damaligen Präsidenten Staudt wird es angelastet, dass er nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft die Chance verpasst hat, die entsprechenden Weichen zu stellen. Noch immer wird der VfB als Verein geführt – ohne die nötige Transparenz und ohne die Möglichkeit, zusätzliche finanzielle Mittel zu erzielen.

Sehr genau wird man bei Daimler schauen, wer die VfB-Führung übernehmen wird. Auch deshalb hält sich hartnäckig ein Name, der im Hause wohlbekannt ist: Norbert Haug, langjähriger Mercedes-Motorsportchef und Vertrauter von Joachim Schmidt. Mit dem Fußball hat der 60-Jährige zwar jenseits regelmäßiger Stadionbesuche bisher wenig Berührungspunkte gehabt, doch verfügt er neben der Nähe zu Daimler über ein großes Netzwerk, hat Führungserfahrung und pflegt seit Jahren gute Kontakte zum VfB. „Ich bin dem Verein mit großer Sympathie verbunden und kenne die handelnden Personen – das war es dann aber auch“, so Haug auf StZ-Nachfrage. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass die Beziehung enger werden könnte.