Zwei Varianten werden für den 30 Kilometer langen Abschnitt der Rheintaltrasse südlich von Offenburg bis Riegel diskutiert. Sollen die Züge parallel zur Autobahn 5 oder parallel zur bestehenden Trasse fahren?

Schutterwald - Die Bahn braucht am Oberrhein zwischen Offenburg und Basel zwei neue Gleise für den ständig wachsenden Güterverkehr. Auf der 125 Kilometer langen Strecke liegen derzeit nur zwei Gleise, auf denen sich der Personen- und der Güterverkehr drängeln. Über den Trassenverlauf wird seit Jahren gestritten. Nachdem sich die Beteiligten und Betroffenen in einem Projektbeirat von Bund, Land und Region über Streckenteile südlich von Freiburg geeinigt haben, steht nun der knapp 30 Kilometer lange Abschnitt südlich von Offenburg bis Riegel am Kaiserstuhl (Kreis Emmendingen) im Fokus. Strittig ist, ob die Güterstrecke direkt neben der bestehenden Trasse oder parallel zur weitgehend durch Feld und Flur verlaufenden Autobahn gebaut werden soll („Autobahnparallele“). Eine Planung gibt es nur für die Bestandstrasse, die Bahn hält eisern an dieser Variante fest. Nach fünf Jahren hat die zuständige Projektarbeitsgruppe unter Vorsitz des Ortenauer Landrats Frank Scherer nun „alle für einen Vergleich erforderlichen Erkenntnisse“ von einem Moderationsbüro zusammenstellen und öffentlich präsentieren lassen. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile.

 

„Früher war es ein Privileg, möglichst nahe an der Strecke und bei einem Bahnhof zu wohnen“, sinnierte der Landrat bei der Vorstellung in Schutterwald (Ortenaukreis) vor 300 Bürgern. Heute ist das anders, kein Wunder wenn täglich 300 Züge an Wohn- oder Schlafzimmern vorbeidonnern. Schon in zehn Jahren werden es 480 sein. „Alle drei Minuten wird dann ein Güterzug dort fahren – Tag und Nacht“, heißt es lapidar im Bericht der Moderatoren. Im Abstand von 500 Metern wohnen 2400 Menschen an der autobahnparallelen Trasse, an der Bestandstrasse 23 600 Menschen. Schon jetzt ist die Lärmbelastung von etwa 80 Dezibel dB(A) gesundheitsgefährdend. Nur für Neubaustrecken ist ein Wert von 49 Dezibel vorgesehen.

Der zustäzliche Lärmschutz ist eine der brennenden Fragen

Lärmschutz ist über leiser laufende Waggons und Schienen, Schallschutzfenster oder Lärmschutzwände zu erreichen. Würden die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten, würden immer noch 7500 Menschen an der Autobahnparallele und 12 400 an der Bestandstrasse mehr als 49 Dezibel ertragen müssen. Zusätzlicher Lärmschutz ist nur mit bis zu acht Meter hohen Lärmschutzwänden möglich. „Wer will da noch wohnen?“ fragt Roland Diehl, der Sprecher der Bürgerinitiative „Bahn an Hoch- und Oberrhein“ (IG BOHR). Die Wände müssten längs der dicht besiedelten Bestandstrasse auf 28 Kilometern beidseits praktisch durchgezogen werden. Zu besichtigen sind solche monströsen Bauwerke – höher als die Berliner Mauer – bereits in Eimeldingen (Kreis Lörrach). Die Autobahnparallele bräuchte an an Randgebieten von Wohn- und Gewerbesiedlungen ebenfalls Schallschutzwände, diese wären mit sechs Metern zwar niedriger, würden aber – so eine dagegen opponierende Initiative „Bahn an die Bahn“ das Rheintal doppelt zerschneiden. Die Bündelung aller Verkehre auf dem bisherigen Strang will auch die Bahn selbst, sie möchte auf allen vier Gleisen mal Fern-, Nah- oder Güterverkehr laufen lassen. Die Autobahnparallele wäre eine reine Güterstrecke.

Im Papier der Moderatoren werden die Baukosten dort auf 1,05 Milliarden Euro geschätzt, die Ergänzung der Bestandsstrecke auf 930 Millionen Euro. Die IG BOHR rechnet hingegen mit 1,3 Milliarden Kosten in beiden Fällen, der leichter zu bewerkstelligende Anschluss der Autobahnparallelen an den Offenburger Tunnel spare sogar 13 Millionen. Klar ist für alle aber: Der Neubau würde zeitaufwendiger sein. Zeit braucht es zunächst einmal für das Votum der Region, bevor Bundes- und Landtag entscheiden. Anfang 2015 beraten und beschließen Gemeinderäte, Kreistage und der Regionalverband, im 2. Quartal der Projektbeirat.

Eine der meistbefahrenen Bahnstrecken Europas

Die Bahnstrecke zwischen Mannheim und Basel ist als Teil der Badischen Hauptbahn am 28. März 1838 beschlossen und bis 1855 im Oberrheingraben gebaut worden. Heute ist die Oberrheinbahn Teil der Transitlinie zwischen Rotterdam und Genua und eine der meistbefahrenen Strecken Europas. Ihr Ausbau ist 1980 im Bundesverkehrswegeplan beschlossen worden, doch nur der Abschnitt zwischen Baden-Baden und Offenburg, der Katzenbergtunnel in Südbaden und kleine Teile vor der Schweizer Grenze sind gebaut. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Vertrag von Lugano 1996 verpflichtet, bis Ende 2020 den nördlichen Anschluss an die „Neue Europäische Eisenbahntransversale“ (NEAT) zu sichern. Die Schweiz hat einen neuen Gotthard-Basistunnel gegraben, der 2017 in Betrieb gehen soll. Gegen die ursprüngliche Planung der Deutschen Bahn haben sich längs der 125 Kilometer langen Strecke etliche Gemeinden, Landkreise und Bürgerinitiativen unter anderem mit 170 000 Einwendungen zur Wehr gesetzt. Die Bürgerinitiativen haben die regionalen Körperschaften und Verbände hinter das 2009 entwickelte Alternativkonzept „Baden 21“ vereinigt und bei Landes- und Bundesregierung die Einrichtung des Projektbeirates aller Beteiligten auf allen Entscheidungsebenen mit Beteiligung der Bürgerinitiativen erreicht. So ist einvernehmlich die Güterzugumfahrung von Freiburg und der Trassenverlauf bis zum Anschluss an den Katzenbergtunnel im Markgräflerland vereinbart worden, das Land Baden-Württemberg beteiligt sich zur Hälfte an zusätzlichen Kosten für Lärmschutz.

Wo die neuen Gleise verlaufen könnten: