Bei seiner harten Linie gegen die Salafisten bekommt der Innenminister Reinhold Gall parteiübergreifenden Rückhalt. Das Vorgehen in Baden-Württemberg steht ganz im Geist der Beschlüsse der Innenministerkonferenz vom Dezember in Köln.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Viel hat sich geändert, seit der Terrorverdächtige Reda Seyam 2003 von BKA-Beamten aus einem Gefängnis in Indonesien nach Neu-Ulm geschafft wurde, ausgerechnet an die Seite des Hasspredigers Yehia Yousif. Die Sicherheitsbehörden hatten damals noch nicht viel begriffen von der islamistischen Gefahr auf deutschem Boden. Im Verein Multikulturhaus scharten die gebürtigen Ägypter mit deutschem Pass begeisterte Zuhörer um sich. Neu-Ulm wurde, zusammen mit Ulm, zum deutschen Terrorpfuhl, aus dem unter anderem die Sauerland-Gruppe hervorkam.

 

Längst lässt sich die Landespolizei nicht mehr von harmlosen Vereinsnamen in die Irre führen. Seyam, der über Laichingen nach Berlin übergesiedelt war, hat sich vermutlich 2013, immer noch ganz Terrorpate, dem Islamischen Staat angeschlossen und soll als dessen Bildungsminister junge Frauen zur Verschleierung und Studenten zu ständiger Kampfbereitschaft zwingen. Vereinzelte Ulmer Salafisten stehen immer noch unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, doch die Szene ist vorsichtig geworden und hat sich aufgesplittert. Neben der gerade durchsuchten Masdschid-us-Sahabe-Moschee gilt etwa die Ibadur-Rahman-Moschee in Freiburg als verdächtig, ebenso die Umma-al-Faruk-Moschee in Mannheim oder die Al-Baraka-Moschee in Pforzheim. „Ausgesprochene Hochburgen gibt es nicht mehr“, bestätigt ein Sprecher des Innenministeriums.

Im Januar gab es in Pforzheim eine groß angelegte Razzia

Pforzheim ist bereits Mitte Januar Schauplatz einer groß angelegten Antiterrorrazzia gegen verdächtige Salafisten gewesen. Mehrere Wohnungen wurden durchsucht, es gab Beschlagnahmungen. Welche Qualität das gefundene Material hat, ist bis jetzt nicht bekannt, zu Festnahmen kam es nicht. Die folgenden Razzien im Südwesten wurden im Vier-Wochen-Takt gestartet. Mitte Februar haben 100 Polizisten zeitgleich Wohnungen, Arbeitsstellen, Büros und einen Moscheeverein in den Kreisen Böblingen, Calw, Stuttgart und im Rems-Murr-Kreis durchsucht. Vier Männer stehen im Verdacht, den Transport von Krankenwagen und Medizingütern ins syrische Kriegsgebiet zu Gunsten von Dschihadisten unterstützt zu haben, nun also Botnang.

Schon immer sei der Landespolizei die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus wichtig gewesen, aber „durch Paris hat das noch mal einen Schub bekommen“, so der Sprecher des baden-württembergischen Innenministers, Reinhold Gall, und spricht damit den Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ an. Die Zahl der Ermittlungsverfahren nach dem Antiterror-Paragrafen 89 ist nach Ministeriumsangaben in Baden-Württemberg auf aktuell 36 gestiegen.

Polizei-Gewerkschaft fordert die Vorratsdatenspeicherung

Die Landespolizei genießt in ihrem Vorgehen parteiübergreifenden Rückhalt. So sagt der Waiblinger CDU-Landtagsabgeordnete Matthias Pröfrock im Namen seiner Fraktion: „Die schärfere Gangart kann ich nur begrüßen.“ Der Salafismus zähle „zu den größten Herausforderungen“, um die Sicherheit im Land zu gewährleisten. Nikolaos Sakellariou, der innenpolitische Sprecher der SPD, fordert, radikale Salafisten müssten „gnadenlos verfolgt“ werden. Als Vater von fünf Töchtern erschüttere ihn gerade der menschenverachtende Umgang von IS-Terroristen mit Mädchen. Mögliche Fehlschläge bei Razzien müssten einkalkuliert und akzeptiert werden. Vorübergehend falsch verdächtigt zu werden, „das muss der Staatsbürger in einer Demokratie aushalten“.

Auch Uli Sckerl, innenpolitischer Sprecher der Landtags-Grünen, fordert, der Unterstützung des IS-Terrorismus von deutschem Boden aus müsse „künftig entschieden vorgebeugt werden“. „Ermittlungsverfahren und Durchsuchungsaktionen wie in Stuttgart sind Ausfluss dieser Anstrengungen“. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Baden-Württemberg nahm die Razzia vom Dienstag zum Anlass, erneut die Vorratsdatenspeicherung zu fordern. Was nütze ein beschlagnahmtes Handy, fragt der stellvertretende Landesvorsitzende Hans-Jürgen Kirstein, wenn die Telefonverbindungsdaten dann nicht ausgewertet werden könnten.

Sechs Islamisten wurden an der Ausreise gehindert

Das Vorgehen in Baden-Württemberg steht ganz im Geist der Beschlüsse der Innenministerkonferenz vom Dezember in Köln. „Wann immer möglich“, heißt es darin, müssten „Ausreisen gewaltbereiter Salafisten unterbunden“ werden. Ein Problem stellen die Terrortouristen mit deutschem Pass oder doppelter Staatsbürgerschaft dar. Die Innenminister fordern zur Ausreiseverhinderung den Entzug des Personalausweises und die Schaffung eines Ersatz-Personalausweises mit räumlicher Beschränkung auf das Bundesgebiet. Der Bundesinnenminister Thomas de Maizière lässt derzeit an einem Gesetzentwurf zur Änderung des Personalausweisgesetzes arbeiten. Doppelstaatlern, auch das gehört zum Beschlusstext, sollen im Verdachtsfall beide Pässe entzogen werden können.

Bisher, heißt es aus Galls Ressort, hätten sechs verdächtige Islamisten aus Baden-Württemberg über den Einzug von Pässen an der Reise in den bewaffneten Kampf gehindert werden können.