Vorn am Spieß der Herr Schulz, dann der Jackli, der Marli, der Jergli, der Michal, der Hans und hinten der Veitli. So zogen die Helden aus, um Großes zu vollbringen. Wie die abenteuerliche Geschichte von den Sieben Schwaben entstand.

Türkheim - Weinstuben, Wanderhütten und Wellness-Hotels, Grillteller und Apotheken sind nach ihnen benannt, eine Frisbee-Mannschaft und ein Amateur-Theater. Preise werden in ihrem Namen vergeben, Narrenzünfte tragen ihn, und für den Tourismus ist der Dummenschwank zu einer Art Gütesiegel geworden. „Wo Bayern schwäbisch schwätzt“, westlich von Augsburg, radelt man auf der „Sieben Schwaben Tour“ 220 Kilometer um den Naturpark und streift dabei das Städtchen Türkheim. Dies ließ sich 2007 beim Deutschen Patentamt „Sieben Schwaben“ als Wortmarke eintragen und taufte das Geburtshaus von Ludwig Aurbacher, dessen Volksbüchlein den Stoff in seine populäre Form brachte, Siebenschwabenhaus. Den Autoaufkleber gibt es für zwei Euro im Rathaus.

 

Selbst an ganz unerwarteten Orten kann man den Sieben Schwaben begegnen: als stählerne Skulpturengruppe von Hans-Georg Damm auf dem Fehrbelliner Platz, wobei die Hellebarde in Richtung Willmersdorfer Rathaus weist. Und im fernen Dresden heißt eine Grund- und Mittelschule Sieben-Schwaben-Schule.

Unzählige Variationen existieren von der Geschichte. Den meisten ist sie aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm bekannt, in der „Die sieben Schwaben“ durch die Welt ziehen, um Abenteuer zu suchen und große Taten zu vollbringen. Sie haben sich einen langen Spieß machen lassen, den sie miteinander anfassen und so bewaffnet und sicher hintereinander gehen. Einer für alle, alle für einen. Der vorderste ist der Herr Schulz, der zweite der Jackli, der dritte der Marli, der vierte der Jergli, der fünfte der Michal, der sechste der Hans und der siebente der Veitli.

Die Flucht vor der Hornisse

Den ersten Schrecken jagte ihnen eine Hornisse ein, deren Brummen der Herr Schulz für eine Trommel hielt und daraufhin gleich Reißaus nahm. Bei seiner Flucht sprang der Herr Schulz über einen Zaun und genau auf die Zinken eines Rechen, der vom Heumachen liegen geblieben war. So fuhr ihm der Stiel ins Gesicht, er meinte, es habe ihm jemand eins übergebraten. Die anderen sechs kamen herzu und schrien „Gibst du dich, so geb ich mich auch!“ Schließlich bemerkten sie, dass überhaupt kein Feind da war, und „verschwuren sich untereinander, damit sie nicht verspottet würden, so lange davon stillzuschweigen, bis einer unverhofft das Maul auftäte“.

Nach Tagen begegneten sie einem Hasen, der in der Sonne schlief, die Ohren in die Höhe gereckt und die großen gläsernen Augen starr offen. Da erschraken sie bei dem Anblick des grausamen und wilden Tieres, trauten sich aber nicht zu fliehen, weil das Ungeheuer ihnen nachsetzen und sie verschlingen könnte. Also beschlossen sie, den Kampf aufzunehmen, machten sich Mut und gingen schließlich laut schreiend auf den vermeintlichen Drachen los. Davon erwachte der Hase und sprang eilig davon. Voller Freude rief der Herr Schulz: „Potz, Veitli, lueg, lueg, was isch das? / das Ungehüer ischt a Has.“

Auf den glücklichen Ausgang dieses Abenteuers folgt bei den Grimms ein ganz märchenuntypisches Ende. Die sieben Schwaben wollten die Mosel überqueren und riefen einem Mann am gegenüberliegenden Ufer zu, wie sie hinüberkommen könnten. Der Mann verstand sie wegen der Entfernung und ihrer Sprache nicht und fragte in seinem Trierischen Dialekt: „Wat? wat!“ Der Herr Schulz meinte, er solle waten, ging voran und versank in Schlamm und Wellen, nur sein Hut trieb noch auf dem Wasser. Die anderen sechs hörten einen Frosch quaken und meinten, sie würden von ihrem Genossen auch zum Waten aufgefordert, sprangen ins Wasser und ertranken – „also dass ein Frosch ihrer sechs ums Leben brachte, und niemand von dem Schwabenbund wieder nach Hause kam“.

Ein Meistersang des Hans Sachs

Nach eigenen Angaben haben Jakob und Wilhelm Grimm die Geschichte über „Die sieben Schwaben“ auf der Basis mehrerer Quellen bearbeitet: Die früheste ist ein Meistersang des Nürnbergers Hans Sachs von 1545. Bei ihm sind es neun namenlose Schwaben, die übers Land ziehen, dem schlafenden Hasen – dem „Ragenor“ – begegnen, den sie als Untier erlegen wollen und mit ihrem Lärm aufwecken. Der läuft in den Wald, die Helden lassen ihren Spieß fallen, fliehen und ertrinken.

Clemens Brentano hat dies zu einem gereimten Lied in „Des Knaben Wunderhorn“ mit dem Titel „Die Schwäbische Tafelrunde“ umgedichtet. Auch hier sind es noch neun Schwaben, und nur der vorderste am Spieß trägt einen Namen: Jokel. Ein Missverständnis (oder eine Schlampigkeit) ist bei der Übertragung passiert, denn aus der Anrede des Hasen bei Hans Sachs – „Ragenor, anher gang!“ – wird nun eine Aufforderung – „Du Ragenohr, geh du voran!“ –, als sei er einer der Männer. Nachdem sie das „Haasen Panner“ (das „Hasenpanier“, also die Flucht) ergriffen haben, landen sie am See und gehen jämmerlich zugrunde. Und die Moral von der Geschicht lautet: „So richt ein Frosch neun Schwaben hin / Die schier besiegt ein Haasen / Drum hassen Schwaben immerhin / Die Frösch und auch die Haasen.“

Bei Hans Wilhelm Kirchhof, der Mitte des 16. Jahrhunderts unter dem Titel „Wendunmuth“ gesammelte Schwänke und Fabeln veröffentlichte, pilgern neun Schwaben nach Trier. Gegenüber Hans Sachs ist neu, dass ein Insekt, „roßkeffer oder hurnusseln“ für eine Trommel, der „gestanck deß blindtschleichen seines gesellen“ (nämlich dessen Furz) für Pulverdampf und der Rückschlag des Rechenstiels für einen Feind gehalten werden.

Die dritte von den Brüdern Grimm genannte Quelle ist ein Anfang des 19. Jahrhunderts bei Friedrich Campe in Nürnberg erschienenes „Fliegendes Blatt“, auf dem sich nun sieben redliche Schwaben mit den Namen Veitli, Michall, Hans, Jergly, Marty, Jäckly und Schultheis angesichts des Hasen Mut zusprechen, schließlich erkennen: „das ungeheuer ischt nur a has!“ Ähnliche Einblattdrucke gab es auch schon früher.

Schwabenstreiche

Die umfassendste, bis heute gültige Darstellung findet sich in Albrecht Kellers „Die Schwaben in der Geschichte des Volkshumors“ von 1907, in dem ein Kapitel der „Geschichte von den sieben Schwaben“ gewidmet ist, ein weiteres den Schwabenstreichen im 16. bis 18. Jahrhundert.

Schwaben ist, so hat es der Volkskundler Hermann Bausinger formuliert, ein offener, nie genau abgegrenzter Begriff. Je nach Perspektive waren damit Württemberger und Badener, Elsässer oder Deutsche insgesamt gemeint. Das im 10. Jahrhundert entstandene Herzogtum Schwaben reicht auf alten Karten in der Nord-Süd-Erstreckung von der alten Stammesgrenze gegen die Franken zwischen Rastatt und Ellwangen bis zum rätischen Chur und Chiavenna, es schließt im Westen das ganze Elsass ein und hat seine Ostgrenze am Lech.

Nach dessen Zerfall ändert sich die Wahrnehmung: Die Menschen in Schwaben, die jahrhundertelang für tapfer und kampfbereit, gebildet und vornehm gegolten hatten, büßen dieses Image mehr und mehr ein, sie werden zu deutschen Nationaldeppen, zur komischen Figur.

Schwabenstreiche sind zum geflügelten Wort geworden. Nach dem Grimmschen Wörterbuch hat der thüringische Märchensammler Johann Karl August Musäus diesen Begriff geprägt, laut Albrecht Keller war es der badische Regierungsrat Hektor von Günderode in seiner Reisebeschreibung von 1781: „Hauptzüge des Nationalkarakters sind ganz eigener Witz und vermeinte Klugheit, woraus die sogenannten Schwabenstreiche entstehen“.

Schwaben am Spieß

Durch seine Ballade „Schwäbische Kunde“ machte Ludwig Uhland den Begriff dann wirklich populär – und legte wohl den Grundstein für dessen dialektische Verwendung. Denn inzwischen kann der Schwabenstreich ebenso eine törichte, ungeschickte Handlung bezeichnen wie eine wagemutige und zielorientierte, die intellektuelle Fähigkeiten voraussetzt. Siehe die Verwendung des Ausdrucks für die Protestaktionen gegen Stuttgart 21.

„Die Geschichte der sieben Schwaben, welche zusammen mit einem Spieß auf einen Hasen losgehen, hat seit undenklichen Zeiten in ganz Deutschland eine Berühmtheit bekommen, wie kaum eine andere Sage“, heißt es in der Nachbemerkung zu einer rund siebzig Seiten langen Folge von Episoden, 1827 in München anonym in einem „Volksbüchlein“ erschienen. Ein Zufall habe ihm in einer aufgelösten Schwäbischen Reichsabtei eine Handschrift in die Hände gespielt, leider unvollständig und mit Spuren einer modernen Überarbeitung. Er halte es aber für seine Pflicht, das Buch so zu belassen, wie er es vorgefunden habe, denn „der Sprachliebhaber wird so manches schöne, bedeutsame Wort finden, von dem er wünschen würde, daß es ins Schriftdeutsche übertragen würde“. Überaus geschickt hat Ludwig Aurbacher, denn um ihn handelt es sich bei dem angeblichen Herausgeber, seine Autorschaft fiktionalisiert. Ludwig Aurbacher, 1784 in Türkheim geboren, war Professor für deutschen Stil und Ästhetik in München, ein Mann von großer Belesenheit, was zahlreiche Anspielungen und Worterklärungen belegen.

Ludwig Aurbacher gibt ihnen Namen

Seine „Abenteuer der sieben Schwaben“ und die nachfolgenden „Abenteuer des Spiegelschwaben“ wurden derart populär, dass sie bis heute immer wieder aufgelegt und vielfach bearbeitet wurden. Bei Ludwig Aurbacher sind die Männer zu ausgestalteten, wenn auch einfachen Charakteren geworden, sie erhalten Namen und werden verortet. Ihre Reise durch Schwaben lässt sich nachzeichnen. Der „Seehaas“ stammt aus Überlingen und heißt so nach einem „Unthier“, der „Nestelschwab“ nach den Schnüren (Nesteln) an seinen immer rutschenden Hosen, der „Blitzschwab“ vom Lechfeld wegen seiner – Potz-Blitz- Flüche. Der „Knöpfleschwab“ isst und kocht gern, der „Spiegelschwab“ aus Memmingen putzt seine Nase am Ärmel ab, der deshalb spiegelt, und der „Allgäuer“ aus Hindelang ist der stärkste und immer vorne dran am Spieß. Der „Gelbfüßler“ aus Bopfingen hat seinen Namen nach der Ortsneckerei mit den zertretenen Eiern – ein Beispiel für zahlreiche eingeflossene Streiche und Eulenspiegeleien.

Zahlreiche Illustratoren haben das reizvolle Sujet im 19. und 20. Jahrhundert aufgegriffen, und vieles davon war 2013 in einer Ausstellung über die „Sieben Schwaben“ im Schwäbischen Volkskundemuseum Oberschönenfeld zu betrachten. Gänzlich unbekannt aber ist die Folge von (insgesamt 14) aquarellierten Tuschpinselzeichnungen, die der Dresdner Künstler Otto Schubert um 1920 gefertigt hat. Seine Typen sind originell und überzeugend in ihrer knitzen Dreistigkeit, vermeintlich einfältig, vielleicht schalkhaft überlegen – oder, wie es bei Aurbacher heißt: „E bissele dumm ischt am End jeder, aber so dumm, wie mancher ischt doch keiner.“