Ob die EnBW in Stuttgart zu hohe Preise verlangt, ist vorerst nicht zu klären. Die Vergabe der Energiekonzessionen verzögert sich. So bleibt das Verhältnis von Stadt und EnBW gespannt: Beim Strom ist eine Partnerschaft möglich, sonst wird prozessiert.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Sie sind in einer eigenartigen Beziehung gefangen, die Stadt Stuttgart und die Energie Baden-Württemberg (EnBW): In drei wichtigen Fragen rund um Wasser und Müll läuft oder droht eine gerichtliche Auseinandersetzung; umgekehrt will die EnBW, gerne auch gemeinsam mit den Stadtwerken Stuttgart, die Konzessionen für Strom und Gas von der Stadt erhalten. Sie küssten und sie schlugen sich – der leicht abgewandelte Titel von Truffauts Filmklassiker trifft die Konstellation nicht schlecht. Teilweise sind die Entscheidungen nun in die Ferne gerückt. Wir bilden den Stand der Debatten ab.

 

Der Streit um den Wasserpreis

Im August 2012 hat die EnBW den Preis für das Trinkwasser in Stuttgart gleich um 9,3 Prozent erhöht – der Kubikmeter Wasser kostet seither 2,562 Euro (der Einkaufspreis für die EnBW liegt wohl bei 50 Cent). Die Stadt sieht darin einen deutlich überhöhten Preis, und die Landeskartellbehörde scheint dem beizupflichten: Im Februar diesen Jahres deutete das beim Umweltministerium angesiedelte Amt an, dass die EnBW ihr Monopol in Stuttgart missbrauche. Die Bürger hoffen seither auf die Rückzahlung eines gewissen Anteils.

Blick nach Calw

Doch seit Februar herrscht Funkstille. Frank Lorho, der Sprecher des Umweltministeriums, rechtfertigt dies damit, dass man bei einem parallel laufenden Verfahren in Calw abwarte, ob der Bundesgerichtshof (BGH) die Nichtzulassungsbeschwerde des Kartellamtes annehme. Es sei für das weitere Vorgehen in Stuttgart von Bedeutung, so Lorho, ob die Sichtweise des Kartellamts bestätigt werde oder nicht. Der vorherige Versuch, einen Vergleich mit den EnBW abzuschließen, sei gescheitert.

Der Energieversorger sieht die Preiserhöhung nach wie vor als gerechtfertigt an. Die EnBW habe fünf Jahre lang den Preis stabil gehalten: Andere Unternehmen erhöhten halt jährlich, heißt es aus der EnBW. Dass der Preisanstieg früher moderat war, hat die Stadt Stuttgart der EnBW vor vier Jahren gar noch schriftlich in einer Gemeinderatsvorlage bestätigt. Als damals beide im Hochzeitsfieber waren und sie sich beim Betrieb des Wassernetzes zusammentun wollten, schalt die Stadt ihre eigenen früheren Neckarwerke, weil sie den Wasserpreis in den 1990er Jahren jährlich im Schnitt um 4,8 Prozent erhöht hätten, die EnBW später aber nur um 2,7 Prozent.

Bürgermeister Michael Föll wartet „wöchentlich“ auf eine Entscheidung des Kartellamts – zu seinen Gunsten. Er wird warten müssen: Die Pressestelle des BGH teilt auf Anfrage mit, dass in der Calwer Sache nicht vor Mitte 2014 entscheiden werde.

Streit um den Kaufpreis

Vom Wert des Wassernetzes

Dieser Bescheid hat großen Einfluss auf den zweiten Wasserstreit: Stuttgart will nach einem Bürgerbegehren das Wassernetz wieder selbst betreiben und es deshalb der EnBW abkaufen, allerdings nur zum sogenannten Ertragszeitwert in Höhe von etwa 160 Millionen Euro; bei der Berechnung dieses Wertes spielt der Wasserpreis eine wichtige Rolle. Die EnBW verlangt dagegen den Sachzeitwert, der bei 600 bis 750 Millionen Euro liege. Anfang April 2014, so teilte Michael Föll nun mit, komme es zum ersten Verhandlungstermin in dieser Sache. Die Klageerwiderungsschrift, die die EnBW vorgelegt habe, umfasse 600 Seiten.

Heute gilt die damalige Zahl intern als Schnellschuss

Die EnBW ist in dieser Angelegenheit in einer peinlichen Situation. Denn 2009, als EnBW und Stadt beim Wasser gemeinsame Sache machen wollten, hatte man sich bereits auf einen Wert von 160 Millionen Euro geeinigt. Damals habe die Stadt schnell eine Einigung gewollt, erinnert man sich bei der EnBW; der Preis sei deshalb nur hochgerechnet worden. Heute gilt die damalige Zahl intern als Schnellschuss.

Michael Föll argumentiert aber anders: Bezahlt habe die EnBW, als sie selbst das Netz im Jahr 2001 erworben habe, nur etwa den Preis, den die Stadt jetzt bereit wäre zu zahlen. Alles darüber sei eine „ungerechtfertigte Bereicherung“. Zudem würde es in Deutschland nie wieder einen Besitzerwechsel bei Wassernetzen geben, wenn der Sachzeitwert gelte: „Dann wäre kein Wassernetz mehr wirtschaftlich zu führen“, so Föll. Aus diesem Grund hat das Urteil auch bundesweite Bedeutung. Die EnBW argumentiert umgekehrt, dass ein Wassernetz doch wert sein müsse, was man für Rohre, Hochbehälter und Pumpen heute zahlen müsste, wenn man sie gebraucht im jetzigen Alter erwerbe – das seien mehrere hundert Millionen Euro, wie die Stadt in einem internen Gutachten selbst errechnet habe. Allein die Anteile an den Zweckverbänden bei Bodensee- und Landeswasserversorgung sind wohl 120 Millionen Euro wert.

Kein Öl ins Feuer

Im Übrigen legt die EnBW Wert auf die Feststellung, dass sie in Stuttgart einen guten Job mache: Die Störungen im Wassernetz seien gegenüber der NWS-Zeit um durchschnittlich 20 Prozent zurückgegangen. Auch bemüht sich Steffen Ringwald, der Chef der EnBW-Regional-AG, kein Öl ins Feuer zu gießen: Man werde die notwendigen Investitionen weiterführen, bis klar sei, wem das Wassernetz künftig gehöre. Und man werde, solange das Kartellverfahren laufe, keine Preise erhöhen.

Ärger wegen der Müllmenge

Jüngst ist nun ein dritter Konflikt hinzu gekommen. Die EnBW betreibt das Müllheizkraftwerk in Münster und kann von Stuttgart, dem Rems-Murr-Kreis und dem Kreis Esslingen erwarten, dass sie 225 000 Tonnen Restmüll im Jahr anliefern; tun sie das nicht, müssen sie trotzdem den Preis für die gesamte Menge bezahlen. In Stuttgart sinkt der Restmüll aber ständig, die Stadt liegt heute weit unter jenen 110 000 Tonnen, die sie auf jeden Fall bezahlen muss. Gespräche mit den EnBW, den Vertrag zu ändern, seien nicht erfolgreich gewesen, sagte Technikbürgermeister Dirk Thürnau. Die Stadt erwägt deshalb eine Klage.

Nun wieder völlig offen

Partner bei Strom und Gas?

Trotz dieser inhaltlichen Differenzen will die EnBW bei Strom und Gas eine Partnerschaft mit der Stadt eingehen. Am 6. Dezember hätten die sechs verbliebenen Bewerber um die Strom- und Gaskonzessionen, darunter die EnBW, ihr Angebot abgeben sollen, doch die Stadt hat den Termin nun um einige Wochen verschoben. Auch hier zieht es sich also. Ob wie geplant im Januar oder Februar entschieden werden kann, ist nun wieder völlig offen.

Formal dürfen die Verfahren um Wasser, Müll und Strom nichts miteinander zu tun haben. Aber klar ist auch: Die Stromkonzession ist der Juwel im EnBW-Diadem, das das Unternehmen auf keinen Fall verlieren will – EnBW-Chef Frank Mastiaux lässt sich regelmäßig berichten, wie es in Stuttgart aussieht. Ein EnBW-Erfolg beim Strom ergäbe auf jeden Fall eine neue Sachlage. Würde sie auch die Verhandlungen bei Wasser und Müll beflügeln?