Die Sterne blicken am Freitag im Stuttgarter Club Cann auf 25 Jahre Bandgeschichte zurück. Ganz zum Ende werfen sie die Discokugel an. Tanzt der Sänger Frank Spilker wirklich wie eine Schrankwand?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Die Sterne sind die die Phase ihrer Karriere eingetreten, in der andere Musiker ihre Songs covern, man diese Covers auf ein Album packt und damit anlässlich 25-jährigen Bandbestehens auf Tour geht. Im Fall der Hamburger heißt dieses Album "Mach's besser", was natürlich ein schöner Titel mit zwei Ebenen ist (die letzte Platte?). Er ist dieser Band insofern angemessen, als viele ihrer Songs zwei Ebenen haben. Außerdem treten Die Sterne auf der Bühne ja mit großer Lust und demonstrativ aus der Bühnensituation heraus und versucht somit gleich gar nicht, irgendwelche Pop-Illusionen zu erzeugen wie andere, auch auf die Fassade und die Optik konzentrierte Künstler.

 

All das lässt sich am Freitag auch beim in den Club Cann verlegten Konzert  beobachten. Der ist hübsch gefüllt, mehr jedenfalls als es das Wizemann gewesen wäre, wo das Konzert ursprünglich hätte stattfinden sollen. Man kann trotzdem erstaunlich leicht von ganz hinten nach ganz vorne zur Bühne durchspazieren wo einige für Die-Sterne-Verhältnisse sehr junge Konzertbesucher mit solchen im typischen Die-Sterne-Alter (irgendwas zwischen Mitte dreißig und Ende vierzig) tanzen. Frank Spilker jedenfalls klärt im Verlauf des Konzerts auf, dass "Fickt das System" (erschienen 1992) eigentlich bloß ein Song über Sex sei (zweite Ebene!). Außerdem abstrahiert er seine eigene Bühnenperformance, indem er einen Konzertbericht des "Kölner Stadtanzeigers" zitiert: "Frank Spilker, auch im Alter von 50 noch schlaksiger Beinahe-Zweimetermann, bewegt sich eher mit der Geschmeidigkeit einer Schrankwand, stoppt ab, legt dann eine Hand auf den Mikrofonständer und steht still." 

Geh' in die Disco

Spilker kann darüber lachen, zumindest ein bisschen, und Die-Sterne-Fans erwarten vom Frontmann ja auch keinen Moonwalk. Sondern die Nummern, für die diese Band steht: "Die interessanten", "Was hat dich bloß so ruiniert", "Scheiß auf deutsche Texte" und so weiter. Nur, und die Frage ist angesichts der Retrospektive-Tour, auf der wir uns befinden, natürlich berechtigt: Wofür stehen Die Sterne eigentlich? "Intelligente Texte" ruft es jetzt typischerweise aus dem Wald heraus. Wer die gesamten anderthalb Stunden Konzert in den Blick nimmt, ergibt sich musikalisch ein etwas weiteres Bild. Die Sterne haben nämlich nicht nur (am Freitag souverän vorgetragene) rumpelnde Indie-Songs mit charmant-abgerockter Attitüde im Angebot, sondern eben auch ihr 2010 erschienenes Album "24/7", Motto: "Wohin zur Hölle / Mit den Depressionen / Ich geh' in die Disco / Ich will da wohnen." 

Mit diesem Album brachen Die Sterne vor sieben Jahren aus der allgemeinen Erwartungshaltung aus; es fügt dem Sound der Band gewissermaßen eine zweite Ebene hinzu und auch am Freitag strahlen die Songs von "24/7" besonders hell - übrigens auch, weil zu "Convenience Shop" endlich die riesige Discokugel im Cann beleuchtet wird. Zu einem pumpenden Basssound und dem Bum-Tschak der vom Tontechniker völlig irr überdrehten Snaredrum tanzen Die Sterne, tanzt das Publikum wie eine einzige Schrankwand und es ist ein großer Spaß, eben weil es egal ist, wie oder wie gut man hier tanzt.

Frank Spilker hat dem "Kaput Mag" vor einiger Zeit ein bemerkenswertes Interview gegeben. Da sagt er unter anderem, dass Die Sterne "vielleicht ihren Zenit überschritten" hätten; es geht in dem Gespräch um den Abschied von dem Musikbusiness, wie man es noch kannte, als Die Sterne ihre ersten Erfolge feierten. Die Fans werden älter, einige bleiben an einem Freitagabend vielleicht eher bei ihren Kindern als sie, mit großen Kopfhörern als Gehörschutz, ins Cann mitzubringen. Aus den Sternen wird keine Stadionband mehr. Wichtiger aber, und das ist das Fazit des Abends im Cann: Die-Sterne-Songs, egal ob aus den Neunzigern oder ihrer Discophase, waren nie Jugendhymnen - deshalb altern sie besser als vieles anderes, was im Pop so nostalgisch herumschwirrt. Falls die Band sich noch einmal zu einem kalkulierten Bruch wie damals mit "24/7" durchringen kann, wird es bis zur "Mach's gut"-Tour noch ein ganzes Weilchen dauern.


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