Der VfB-Aufsichtsratschef Dieter Hundt will weiter einen neuen Präsidenten suchen und denkt nicht an einen Rücktritt, obwohl ihm dieser Schritt auch in der Sitzung am Dienstag nahegelegt worden ist.

Stuttgart - Am Morgen danach ist Joachim Schmidt (64) dann schon ganz weit weg. Im Auftrag seines Unternehmens hatte sich der Daimler-Manager noch am Dienstagabend auf den Weg ins Ausland gemacht, wo er Dienstgespräche führen wird. Im Flieger hatte er Zeit, um über die vorangegangene Sitzung beim VfB Stuttgart nachzudenken. Als stellvertretender Aufsichtsratschef saß Schmidt mit am Tisch, als speziell über zwei Fragen diskutiert wurde: Wer soll auf der Mitgliederversammlung am 22. Juli als neuer Präsident vorgeschlagen werden? Und wer schlägt diesen Kandidaten überhaupt vor, nachdem die Stellung des dafür verantwortlichen Aufsichtsratschefs Dieter Hundt (74) erheblich geschwächt ist?

 

Antworten gab es nicht.

„Ich habe eine Verantwortung beim VfB

So stellt sich die Situation in der Clubführung immer verfahrener und verworrener dar. Hundt besitzt in weiten Fankreisen keinerlei Rückhalt mehr und dürfte am 22. Juli kaum in der Lage sein, einen Mann seiner Wahl durchzubringen. Sollte er nicht vorher zurücktreten, drohen in der Versammlung böse Turbulenzen – mit nicht vorhersehbaren Schäden für den Verein. Darauf wurde Hundt auch in der Sitzung am Dienstag eindringlich hingewiesen.

Es wurde versucht, ihm goldene Brücken für einen Abgang zu bauen. Daraufhin soll er aber nur auf positive Zuschriften verwiesen haben, die ihn täglich erreichen würden. Und er habe erwidert, dass er sich das Thema durch den Kopf gehen lasse und überlege, was zu tun sei – mehr nicht. „Ich habe eine Verantwortung beim VfB – und der versuche ich, gerecht zu werden“, sagt Hundt einen Tag später. Das klingt nicht so, als wolle er einlenken und aufgeben.

Schmidt als Notfall-Präsident

Diese Ansage nahm auch Schmidt zur Kenntnis, der bereits zuvor in VfB-Kreisen signalisiert hatte, im Notfall als Präsident zur Verfügung zu stehen (die StZ berichtete). Darin wurde er am Dienstag von seinen Kollegen im Aufsichtsrat und parallel dazu auch von Vertretern anderer Vereinsgremien ausdrücklich bestärkt. Noch lieber würde Schmidt jedoch den Vorsitz des Kontrollorgans von Hundt übernehmen – wobei dieser in beiden Fällen zuerst den Platz räumen müsste. Dann würde der Aufsichtsrat auch umstrukturiert und wohl mit Leuten besetzt wie dem alten Präsidenten Erwin Staudt, dem Puma-Deutschland-Chef Mattias Bäumer und Hartmut Jenner, dem Chef des VfB-Sponsors Kärcher.

Das wäre ein Neuanfang. Aber ehe nicht feststeht, wie es an der Aufsichtsratsspitze weitergeht, blockiert sich der VfB selber. Auch das wurde in der Sitzung erörtert. Nicht wenige Teilnehmer schüttelten den Kopf, weil eine Personalberatung auf Provisionsbasis beauftragt wurde, den Präsidenten zu suchen. Auch über den Sinn einer vom Club eingesetzten Findungskommission gab es geteilte Meinungen. Die Präsidentenfrage zu lösen sei doch Aufgabe des Aufsichtsrats, sagten Aufsichtsratsmitglieder. So diffus ist die Lage inzwischen.

Bewerberkreis von acht Personen wurde präsentiert

Das weiß Hundt, der auf dem Laufenden ist, was die Stimmung im Verein betrifft. Konsequenzen hat er bisher keine gezogen. Beim VfB heißt es, er wolle möglicherweise so lange im Amt bleiben, bis man sich auf einen Präsidentschaftskandidaten geeinigt habe – aber sicher ist auch das ganz sicher nicht. „Wir haben eine Aufgabe zu erledigen und einen Kandidaten für das Präsidentenamt zu finden. Was danach passiert, ist heute kein Thema“, sagt Hundt.

Ein Bewerberkreis mit angeblich acht Personen wurde in der Sitzung präsentiert. Außer dem einstigen HSV-Chef Bernd Hoffmann kam keiner aus dem Fußball, sondern aus der Politik und der Wirtschaft wie der frühere baden-württembergische Sozialminister Andreas Renner, der Bietigheimer OB Jürgen Kessing oder der ehemalige Stuttgarter City-Manager Hans H. Pfeifer. „Wir haben interessante Bewerber“, sagt Hundt dazu, „der Präsident muss für alle Gruppierungen vermittelbar sein und braucht eine Affinität zum Fußball.“ Wegen Letzterem haben Renner und Co. aber eigentlich keine Chance.

Doch alles hängt an Hundt. Der Club muss warten, was er plant und was geschieht. Deshalb verpasst Schmidt gerade auch kaum etwas, wenn er nicht vor Ort beim VfB ist.