Ursula Lapp zählt zu den herausragenden Unternehmerinnen der Republik. Nun wird sie 85 Jahre alt: Zeit für eine persönliche Bilanz.

Stuttgart - Weiße Bluse, rosafarbenes Kostüm: äußerst adrett wirkt Ursula Ida Lapp – und sehr präsent. Gut eineinhalb Stunden lang steht die erfolgreiche Unternehmerin aus Anlass ihres 85. Geburtstages Rede und Antwort. Sie hat eine Menge zu erzählen: über eine Bilderbuchkarriere und den rasanten Aufstieg ihrer aus dem Nichts entstandenen Firma zu einem Unternehmen von Weltformat bei Kabeln und Steckverbindungen, über Höhen und Tiefen in ihrem Leben, den frühen Tod ihres Mannes und der vor dem Hintergrund des Schicksalsschlags gegründeten Herz-Stiftung. „Man soll nicht nur an sich, sondern vor allem auch an andere denken“, sagt sie.
Frau Lapp, was haben die Cheops-Pyramide in Ägypten, der Transrapid in Shanghai und ein Spezial-U-Boot zur Erforschung des Weißen Haies gemeinsam?
Da muss ich nicht raten: Überall dort sind Leitungen aus unserem Hause verbaut. Wie übrigens weltweit in Maschinen, Aufzügen, Gebäuden, bei Windparks und Fotovoltaikanlagen, eben dort, wo Kabel und Steckverbindungen benötigt werden.
Mit scheinbar so banalen Produkten macht die Lapp-Gruppe heute mehr als 820 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Wie geht das?
Kabel ist ja nicht gleich Kabel. Als wir 1959 angefangen haben, wurden einzelne Drähte, Adern, die allenfalls schwarz oder rot markiert waren, mühsam verbunden. Mein Mann hat auf seinen Dienstreisen für seinen damaligen Arbeitgeber mitbekommen, dass es deshalb regelmäßig Schwierigkeiten gab, Maschinen elektrisch richtig anzuschließen. Unsere Idee war es dann, die Kabel mit bestimmten Farben zu codieren, sie robuster und flexibler zu machen. Das war absolut neu, das gab es nicht. Mit dieser Idee bin ich aufs Amtsgericht marschiert, um unsere erste Firma anzumelden.
Gegründet haben Sie die Firma, Ihr Mann war als Angestellter beschäftigt. Haben die Beamten damals nicht gestutzt?
Diese Lösung war rein pragmatischer Natur, wobei die Sachbearbeiter schon skeptisch waren. „Wissen Sie“, habe ich denen gesagt, „ich bin der schwäbischen Sprache nicht richtig mächtig, aber ich kann schaffen wie die Schwaben. Das wird funktionieren.“ Und es hat funktioniert. Man kann nämlich vieles, wenn man nur will.
Angefangen haben Sie ganz klein in einer Garage in Ihrem gemeinsamen Haus im Rosental in Vaihingen. Wie sind Sie überhaupt nach Stuttgart gekommen?
Aufgewachsen sind wir beide, mein Mann und ich, in Benshausen in Thüringen. Dort haben wir uns auch kennengelernt und geheiratet. In den Westen gegangen sind wir, weil mein Mann aus Angst vor den Russen nicht in Ostdeutschland bleiben wollte. Er hatte die tiefe Sorge, dass das Gebiet dauerhaft besetzt bleiben und die DDR als Staat keine gute Zukunft haben würde. Seine Schwester war schon in Pforzheim. Und so kamen wir als Aussiedler in die Gegend hier, die uns gleich gut gefallen hat – vielleicht auch, weil der nahe Schwarzwald und der Thüringer Wald sich ähneln.
Ihr Mann ist nach der Ausreise zeitlebens nicht mehr nach Thüringen zurückgekehrt und hat es abgelehnt, in osteuropäischen Staaten Niederlassungen aufzubauen.
Er war als Kriegsgefangener mehrere Jahre in Sibirien interniert. Diese Zeit hat ihn sehr geprägt. Wir können nur ahnen, was er dort erlebt hat, denn viel geredet hat er nie darüber. Nur ab und an hat er Bemerkungen fallen lassen, dass Schweinefutter im russischen Straflager ein Genuss gewesen wäre. Aber als er wieder da war, hat nur eines für ihn gezählt: der Blick nach vorn.