Selten sind Straßen und Bahnen so leer wie in der vierten Ferienwoche in Stuttgart. Doch es gibt auch das Gegenteil – und manche Überraschung.

Stuttgart - Es ist eine volle Arbeitswoche mit fünf Werk- und null Feiertagen. Und doch herrscht – zumindest subjektiv betrachtet – Ausnahmezustand in Stadt und Region: Straßen und Bahnen sind so leer wie selten, Cafés und Fußgängerzonen dagegen voll. Wir haben einen augenzwinkernden Blick auf acht Orte geworfen – mit zum Teil erstaunlichen Erkenntnissen.

 

Leere Autobahnen

Dieses Gefühl ist unbeschreiblich. Morgens um halb neun auf der Baustellenautobahn 8 zwischen Dreieck Leonberg und Kreuz Stuttgart die auf den flexiblen Schildern vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h zu erreichen, das geht nur einmal im Jahr: in der vierten Sommerferienwoche. Kein Stau, nicht mal ein Hauch von stockendem Verkehr – das ist der Stoff, aus dem Pendlers Träume sind. Doch Vorsicht: Wer vor lauter Glückshormonen die Augen schließt, läuft in der nächsten Sekunde Gefahr, dem Vordermann in den Hintern zu knallen – und damit Auslöser des nächsten Staus zu sein.

Volle Plätze

Voll, aber nie eng. Belebt, aber nie hektisch. Das können nur wenige Plätze in der Stadt bieten. Es sei denn, es handelt sich um einen Geheimtipp. So wie der Platz im Hospitalviertel. Es wundert nicht, dass ausgerechnet eine der größten gastronomischen Spürnasen sich dort etabliert hat. Die Rede ist von Ex-Wasenwirt Klaus Schöning, der in seinem „Pasta Baby“ mittags schon mal selbst in der Küche mit anpackt. „Hier ist es um die Mittagszeit immer voll“, sagt er zufrieden. Selbst jetzt, da die Mädchen des benachbarten Gymnasiums St. Agnes ausgeflogen sind und der Hospitalhof im Sommer-Dornröschenschlaf ist. Silvia Korkmaz, die Geschäftsführerin des Hospital-Viertelvereins, nickt eifrig und bestätigt: „Dieser Platz ist immer lebendig.“ Nirgendwo, so glaubt Korkmaz, könne man in der Stadt so schön verweilen und sich niederlassen – auch dank der vielen blauen Stühle. Jene sind Spiegelbild des Platzes: In der Regel gut besetzt, aber nie ganz belegt.

Leere Freibäder

Dienstag, 22. August, 8.30 Uhr, Freibad Vaihingen Rosental. Die Sonne strahlt aus einem tiefblauen Himmel, die Luft ist noch etwas kühl, das 24 Grad warme Wasser im Schwimmerbecken funkelt deshalb doppelt verführerisch und wird von exakt sechs Menschen nur leicht gewellt. Es ist still, das Rascheln der Blätter in den Bäumen das einzige Geräusch. Hallo, es sind doch Ferien, wo sind die Leute? Mutmaßlich im Urlaub oder noch im Bett, auf jeden Fall nicht da. Wie auch immer, es ist wunderbar. Einfach herrlich – Bahnen ziehen wie im Privatpool. Mittwoch, 23. August 9 Uhr. Fast das gleiche Bild. Es ist sogar noch wärmer, aber nur ein paar Leute mehr. Und die sind von der Polizei, die hier immer mittwochs zum Schwimmtraining lädt. Aber trotzdem hat es im Wasser noch Platz. Im Juli könnte man an so einem Tag maximal um einen Stehplatz im Pool bewerben. Ach, die Schulen könnten ruhig noch länger geschlossen bleiben.

Volle Museen

Gähnende Leere ist für die Museen Stuttgarts dieser Tage wohl ein Fremdwort. Nichts mit vergessenen Gängen und verstaubten Aquarellen – der August bringt Leben in die Ausstellungshallen. „Das Museum ist eher voller geworden“, resümiert Peter Schaller, Sprecher des Hauses der Geschichte. „Wir haben jeden Tag dreistellige Besucherzahlen, das ist für den August sehr gut.“ Und auch seine Kollegen sind euphorisch. Für das Landesmuseum ist der August Hochsaison, in der dritten Ferienwoche kamen sogar 1500 Besucher. „Und das, obwohl die Bahn auf dem Weg zur Arbeit immer leerer wird“, sagt Ulrike Reimann von der Pressestelle des Museums.

Leere Stadtbahnen

Der Schweiß tropft, ein Rinnsal schlängelt sich das Rückgrat entlang. Gerade so hat es mal wieder zur Stadtbahn gereicht, ohne Rennen geht es komischerweise nie. Egal, wann man losgeht. Doch dann naht die Erlösung. Eine gelbe Klimaanlage auf Schienen. Wohl temperiert. In den Ferien muss man sich auch anders als sonst nicht zwischen die Mitfahrer drängeln, nein, man findet sogar einen Sitzplatz. Der Körper kühlt herunter, so lassen sich auch 30 Grad in Stuttgart ertragen. Vielleicht sollte man einfach noch ein Stückchen weiterfahren.

Volle Fußgängerzonen

„Gente. Quanta Gente.“ Der Ausruf klingt wie ein Stoßgebet. Massimo aus Turin hätte nie gedacht, dass er in Stuttgart Slalom laufen muss. So viele Leute (Gente) hat er bei seinem Städte-Tripp zu Mercedes und Co. nicht erwartet. Vor allem nicht so viele Landsleute. In dem Sprachengewirr, das wie eine Kakofonie durch die Königstraße hallt, dominiert derzeit das Italienische. Aber fast alles ist vertreten. Englisch sowieso. Nur Schwäbisch spricht kaum noch einer. D’ Stadt, wie der Stuttgarter sagen würde, ist zur Ferienzeit vor allem Touristen-Boomtown. Vielleicht sollten die Statistiker, die regelmäßig Passanten auf der Einkaufsmeile zählen, mal in den Sommerferien vorbeischauen. Dann stünde Stuttgart in der Rangliste der Flanier- und Einkaufsstraßen garantiert an der Spitze.

Leere Kinos

Gut, der französische Film „Der Wein und der Wind“ wird wohl kein Blockbuster werden, aber schöne Bilder gepaart mit einer passablen Familiengeschichte hat er doch. Das Ganze in einem geräumigen, aber nur von einer Handvoll Gleichgesinnter bevölkerten Kino wie dem Caligari in Ludwigsburg – das ist ein kühles Vergnügen im Sommer. Zumal in der Barockstadt noch bis Samstag die Weinlaube stattfindet. Dort kann man das im Film Gesehene direkt danach in die Realität umsetzen.

Volle Amtsstuben

Die Nachbarn liegen an fernen Gestaden, die Straßen sind frei, angesichts dieser Leere kann der lästige Behördengang nicht lange dauern. Immerhin übernimmt das Bürgerbüro in Vaihingen die Autoabmeldung und erspart so den zähen Weg zur Zentralstelle nach Feuerbach. Um 8.30 Uhr öffnet das Bezirksrathaus. Wer fünf Minuten später mit zwei 17 Jahre alten Kennzeichen eintrudelt, der hat an diesem Mittwoch ein besonderes Erweckungserlebnis: 23 (!) Leute haben eine Wartemarke gezogen und sich auf Stühlen und der Treppe mehr oder weniger bequem platziert. Gibt es hier und heute etwas umsonst? Haben die Leute in den Ferien nichts anderes zu tun, als aufs Rathaus zu rennen? 23 Gongs und knapp 45 Minuten später ist man die verbogenen Schilder los. An den Schaltern wird zügig gearbeitet, und nur 7,40 Euro Gebühr für die ultimative Trennung vom alten Diesel versöhnen für die Wartezeit.