Das alte und traditionelle Geschäftsmodell des Konzerns gibt es nicht mehr. Doch wie soll das neue Modell für die EnBW aussehen? Auf diese Frage will EnBW-Chef Frank Mastiaux Antworten geben.

Stuttgart - Das traditionelle Geschäftsmodell der EnBW ist unverändert unter Druck.“ So hatte der Konzern die Pressemitteilung über das vergangene Geschäftsjahr überschrieben. Auf der Hauptversammlung listete EnBW-Chef Frank Mastiaux die massiven Veränderungen in der Energiebranche auf, von denen nicht nur die EnBW, sondern auch die großen Konkurrenten Eon, RWE und Vattenfall betroffen sind: Rückgang der Stromproduktion in zentralen Großkraftwerken, Ausbau der dezentralen Erzeugung aus erneuerbaren Quellen, eine stagnierende bis sinkende Nachfrage nach Elektrizität und Kunden, die Strom nicht nur konsumieren, sondern auch selbst erzeugen wollen. Bei den Karlsruhern kommt hinzu, dass sie wegen des hohen Kernkraftanteils besonders stark vom Atomausstieg betroffen sind.

 

Wie die EnBW angesichts dieser Rahmenbedingungen in Zukunft Geld verdienen will, hat Mastiaux erst grob skizziert. „Bis jetzt waren von ihm vor allem Managervokabeln wie Prozessoptimierung, Performancesteigerung oder Portfoliomanagement zu hören“, sagt ein Analyst. Was über die Reformpläne bis jetzt an die Öffentlichkeit gedrungen ist, bezieht sich vor allem auf organisatorische Veränderungen. So will Mastiaux – wie schon sein Vorgänger Hans-Peter Villis – den weitverzweigten Konzern übersichtlicher gestalten und die Entscheidungswege verkürzen. Die Zahl der Tochtergesellschaften soll deutlich sinken, wodurch etliche Manager- und Aufsichtsposten obsolet würden.

EnBW will verstärkt in Windkraft investieren

Für kommenden Montag hat die EnBW zu einer Pressekonferenz eingeladen, bei der Konzernchef Mastiaux über das Konzept berichten will, das er vergangene Woche dem Aufsichtsrat vorgestellt hat. Dabei soll es um „die zukünftige Strategie, ihre Umsetzung und die dafür notwendige Neuaufstellung des Unternehmens gehen“. Beobachter erwarten konkretere Hinweise auf das neue Geschäftsmodell. Schließlich ist seit Mastiaux’ Amtsantritt bereits ein knappes Dreivierteljahr vergangen.

An Fragen herrscht kein Mangel. So ist bis jetzt unklar, wie viel Strom künftig aus welchen Quellen kommen soll. Fest steht nur, dass die verbliebenen Atomkraftwerke Philippsburg II und Neckarwestheim 2 2019 und 2022 vom Netz gehen. Zum Ausgleich der dadurch wegfallenden Strommenge müssen trotz steigender Ökostromproduktion auch neue konventionelle Kraftwerke gebaut werden – die sich wegen des Einspeisevorrangs für Ökostrom derzeit oft nicht wirtschaftlich betreiben lassen. Um die eigenen regenerativen Kapazitäten zu steigern, will die EnBW verstärkt in Windkraft investieren. Doch der Ausbau im Land kommt nur langsam voran, und die Projekte auf hoher See sind mit hohen Risiken befrachtet.

Mit Dienstleistung lässt sich nicht so viel Geld verdienen

Angesichts sinkender Erlöse aus der Stromerzeugung stellt sich auch die Frage, mit welchen Dienstleistungen die EnBW die Einnahmeausfälle kompensieren könnte. Ein Beispiel ist die Konzeption und Betreuung dezentraler Energieprojekte von Kommunen oder Genossenschaften So haben die Karlsruher im Allgäustädtchen Leutkirch (Kreis Ravensburg) im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts einen Solarpark gebaut. Auch Energieberatung und Contracting – also das Energiemanagement sowie die Umsetzung von Sparmaßnahmen bei Unternehmen und anderen Großkunden – könnten ausgebaut werden.

Der Saarbrücker Ökonom Uwe Leprich bezweifelt aber, dass sich mit Dienstleistungen so viel Geld verdienen lässt wie in der Welt der Großkraftwerke. „Das bringt bei Weitem nicht das, was das alte Geschäftsmodell gebracht hat“, meint der Professor, der im Jahr 2011 ein Gutachten über die EnBW verfasst hat. Zudem gibt es auf dem Feld der Energiedienstleistungen etliche Wettbewerber. „Die sind oft schneller und näher an den Kunden dran“, sagt ein Branchenkenner.

Kommunale Versorger sind schlecht auf die EnBW zu sprechen

Ein weiterer Punkt, zu dem von Mastiaux Antworten erwartet werden, ist das Verhältnis zu den Stadtwerken. Viele kommunale Versorger sind schlecht auf die EnBW zu sprechen. „Das Vertrauen ist auf ganzer Ebene zerstört“, sagt ein Vertreter der Stadtwerke. Ein zentraler Konfliktherd ist die wachsende Zahl von Kommunen, die ihre Verteilnetze wieder selbst betreiben wollen. „Hier versucht die EnBW vielerorts mit allen juristischen Tricks die Übergabe hinauszuzögern – unter Missachtung der politischen Willensbildung vor Ort“, heißt es beim Verband kommunaler Unternehmen. Ein Bürgermeister, der in so einen Streit verwickelt sei, werde dann kaum zu begeistern sein, andere Dienstleistungen bei der EnBW einzukaufen, sagt ein Verbandssprecher. Dabei könnte der Konzern gerade bei der Koordination der kommunalen Verteilnetze auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, meint Leprich.

Unklar ist auch, was die EnBW mit ihrer Übertragungsnetztochter Transnet vorhat. Ein Verkauf könnte dem Konzern einerseits je nach Schätzung zwischen mehreren hundert Millionen bis eine Milliarde Euro einbringen – zusätzliches Geld für Investitionen in regenerative und konventionelle Kraftwerke. Andererseits aber ist der Netzbetrieb aufgrund staatlich garantierter Renditen ein stabilisierender Faktor.

Selbst wenn es Mastiaux gelingen sollte, auf die genannten Fragen überzeugende Antworten zu finden, wird es nach Einschätzung fast aller Fachleute kaum möglich sein, das Erlösniveau zu halten. Das laufende Sparprogramm Fokus, dem bis Ende 2013 rund 1350 Stellen zum Opfer fallen, dürfte daher nicht das letzte seiner Art sein. Ein Branchenvertreter drückt es drastisch aus: „Die EnBW kann in Zukunft nur konkurrenzfähig sein, wenn sie statt heute knapp 20 000 noch 5000 Mitarbeiter hat.“ Betriebsbedingte Kündigungen sind allerdings bis 2016 ausgeschlossen.

Die EnBW und die Landespolitik

Je 46,75 Prozent der EnBW-Aktien liegen beim Land Baden-Württemberg und beim Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW), der neun Landkreisen gehört.

Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD), der für das Land im Aufsichtsrat sitzt, wollte sich vor der offiziellen Vorstellung der neuen EnBW-Strategie nicht zu Details äußern.

Der FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke führt das lange Warten auf die neue Strategie der EnBW vor allem darauf zurück, „dass die Landesregierung selbst kein klares energiepolitisches Konzept hat“. Selbst wenn die angepeilten zehn Prozent Strom aus Windkraft erreicht würden, ließen sich damit die verbliebenen zwei Atomkraftwerke nicht ersetzen, sagt der Oppositionspolitiker.

Der Saarbrücker Ökonom Uwe Leprich sieht die Landesregierung bei der EnBW in einer schwierigen Position. Einerseits wolle sie die dezentrale Versorgung und kommunale Strukturen stärken – was dem Geschäft der EnBW eher schadet. Andererseits müsse sie darauf achten, dass der für einen hohen Preis von der alten Landesregierung gekaufte EnBW-Anteil nicht noch mehr an Wert verliere.