Im Neukauf am Plieninger Wollgrasweg ist die Diebstahlrate seit Einzug der Flüchtlinge ins benachbarte Heim kurzzeitig angestiegen. Ein Anwohner sieht davon den ganzen Ort bedroht. Eine Sichtweise, die nicht alle teilen.

Plieningen - Warum wird Plieningen kaputt gemacht?“, fragt ein Anwohner des Plieninger Flüchtlingsheims in einem Brief an unsere Zeitung. Er bezieht sich damit auf die Diebstahlrate, die im Neukauf am Wollgrasweg 23 „enorm in die Höhe geschnellt“ sei, und schreibt weiter, dass „inzwischen die Hälfte der Bewohner des angrenzenden Asylheims im Supermarkt Hausverbot erhalten haben“. Seinen Namen möchte er nicht der Öffentlichkeit preisgeben, er befürchtet andernfalls Aktionen, die sich gegen ihn richten. Als Konsequenz der Diebstähle im Neukauf befürchtet er auf Nachfrage einen Anstieg der Preise, durch den das Geschäft dann die Verluste wieder reinzuholen versuche.

 

Christoph Gängel, Marktleiter im Neukaufs, bestätigt dass die Zahl der Diebstähle seit September, Oktober 2014, also seit es das Flüchtlingsheim gibt, angestiegen sei und es sich bei den Dieben meist um Asylheimbewohner handele. Gängel spricht von geschätzten 30 Menschen aus den Flüchtlingsunterkünften Im Wolfer, die inzwischen Hausverbot haben, weil sie etwas gestohlen haben. Dabei handele es sich um Menschen aller Altersgruppen und um Waren „querbeet“. Mittlerweile hätten die Diebstähle nachgelassen – ein Umstand, den Gängel damit begründet, dass sie „die meisten Asylheimbewohner ja schon erwischt“ hätten.

Bezirksvorsteherin ist unaufgeregt

„Die Menschen sind ja lernfähig, das heißt, wenn die Diebstähle angezeigt werden, lassen sie es auch bleiben“, sagt Plieningens Bezirksvorsteherin Andrea Lindel. Der Zusammenhang zwischen den Delikten und dem Wohlergehen des Ortes, den der Anwohner herstellt, erschließt sich Lindel nicht: „Wo viele Menschen sind, gibt es Ladendiebstähle. Wenn das einen Ort kaputt machen würde, wäre die Innenstadt ja schon längst zu.“ Eine andere Sache wäre es laut Lindel, wenn etwa die Einbruchszahlen anstiegen, die kriminellen Delikte also ins Private vordrängen. Dass es die Mitarbeiter im Laden schlaucht, steht für Lindel außer Frage. Sie rät dem Marktleiter neben Anzeigen auch zum Gespräch mit der Leitung des Flüchtlingsheims.

Das ist bislang noch nicht geschehen, doch die Flüchtlingsbetreuer von der Evangelischen Gesellschaft (Eva) haben das Thema auch so auf dem Schirm. Stefan Greuling, der zusammen mit seiner Kollegin Elisa Schwegler die Flüchtlinge betreut, sagt dazu: „Wir kriegen die Schreiben von der Polizei oder Staatsanwaltschaft, und weil es die Vordrucke nur auf Deutsch oder höchstens noch auf Serbisch gibt, übersetzen wir sie für die Betreffenden.“ Dass aber schon rund 30 Menschen aus dem Flüchtlingsheim beim Klauen im Neukauf erwischt wurden, wie Marktleiter Gängel berichtet, ist Greuling neu.

Es gibt keine Sonderrechte

Die Zahl ändert aber auch nichts an seiner grundsätzlichen Haltung: „Es ist kein Geheimnis, dass es Eigentum gibt und man sich nicht einfach bedient. Das gilt meines Erachtens in allen Ländern.“ Wenn es einmal aus Unwissenheit geschehe, müssten daraus Lehren gezogen werden; Sonderrechte gebe es keine. Aber auch wenn es für Greuling aus Einzelhandelsperspektive völlig verständlich ist, dass die Diebstähle ärgerlich sind, sieht auch der Sozialpädagoge den Frieden Plieningens nicht in Gefahr: „Es ist in erster Linie ein Problem zwischen Konsument und Anbieter.“

Wie Bezirkschefin Lindel verweist Greuling darauf, dass es sich „in Anführungszeichen nur um Eigentumsdelikte“ dreht und ein negativer Einfluss auf die Gemeinschaft erst dann entstünde, wenn etwa jemandem die Handtasche geraubt werden würde „und man Angst haben müsste, auf die Straße zu gehen“. Er gibt außerdem zu bedenken, dass es einzelne Vorfälle sind, die einzeln behandelt werden müssten. „Wir sind ein großes Haus, und wenn sich ein paar Leute nicht an die Spielregeln halten, sollte das nicht auf alle anderen zurückfallen.“ Die Flüchtlingsunterkunft neben dem Plieninger Hallenbad beherbergt derzeit 146 Menschen.

Vor den Feiertagen ist Stefan Greuling an den Neukauf-Marktleiter Christoph Gängel herangetreten, und in diesem Monat setzen sie sich zusammen, um über die Diebstähle zu sprechen. Und die Fragen des täglichen praktischen Lebens in Deutschland wollen die Betreuer in naher Zukunft ohnehin verstärkt angehen. Bislang galt es erst einmal, das Dringlichste zu erledigen, denn Asylbewerber in Deutschland zu sein, bedeutet laut Greuling zunächst Papierkrieg. So steht zum Jahresbeginn neben der Verkehrserziehung beispielsweise auch das Thema „Ware – Geldwert“ auf der Agenda, denn „die Preise sind hier natürlich ganz andere, als in den Herkunftsländern“, sagt Greuling.

Kommentar von Eveline Blohmer