VW soll nun Millionen von Dieselmotoren sauber machen. Für die Ingenieure ist dies eine gewaltige Herausforderung.

Stuttgart - Die VW-Techniker stehen vor einer Herkulesaufgabe: Wie sollen sie die verschiedenen Motorvarianten des intern EA 189 genannten Diesels so nachrüsten, dass er nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Alltagsbetrieb die gesetzlichen Normen erfüllt? Derzeit werde „mit Hochdruck“ an den erforderlichen technischen Lösungen gearbeitet, heißt es beim VW-Konzern. Damit wolle man im Januar fertig sein und dann mit der – natürlich kostenlosen – Nachbesserung der Fahrzeuge beginnen. „Die technischen Lösungen können sowohl Software- als auch Hardware-Maßnahmen sein“, erläutert das Unternehmen in einer Pressemitteilung und ergänzt: „Diese werden momentan für jede betroffene Baureihe und jedes betroffene Modelljahr entwickelt.“

 

Das hört sich lapidar an, dürfte aber technisch eine gewaltige Herausforderung sein. Wie schwer es der Konzern bei der Nachbesserung hat, zeigt das misslungene Beispiel aus den USA. Dort hatte VW auf Drängen der Umweltbehörde EPA die Software der beanstandeten Dieselmotoren verändert. Die pusteten daraufhin auch tatsächlich weniger Schadstoffe in die Luft – aber es waren immer noch deutlich mehr als erlaubt. Deshalb ließ die US-Behörde eine unabhängige Institutionen weiter nach den Ursachen für die unzureichende Abgasreinigung suchen. Dabei fanden die Amerikaner den mittlerweile berüchtigten „Schalter“, der dafür sorgte, dass die Motorabgase auf dem Prüfstand besser gereinigt wurden als im Alltagsbetrieb.

Motoren auf Prüfstand-Bedingungen getrimmt

Nun lässt sich diese als kriminell eingestufte „Schalter-Software“ sicherlich ohne allzu große Schwierigkeiten abschalten. Die Frage ist allerdings, wie man dann die mit dieser Schummelsoftware ausgerüsteten Dieselmotoren so sauber bekommen will, dass sie nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Alltag die Grenzwerte einhalten. Oder ihnen zumindest so nahe kommen, dass die Behörden den technischen Änderungen bei der Abgasreinigung zustimmen können.

Das Problem ist, dass die Motoren seit vielen Jahren darauf getrimmt wurden, auf dem Prüfstand die Grenzwerte einzuhalten. Die Vorgaben für die Prüffahrt sind dabei eher lasch, weshalb in Zukunft ein realitätsnäherer Fahrzyklus Vorschrift werden soll. Im Alltagsbetrieb pusten viele Motoren teilweise erheblich mehr Abgas in die Umwelt, wie die praxisnäheren ADAC-Ecotests in den vergangenen Jahren ergeben hat. Dort waren bei einer Reihe von Herstellern mit verschiedenen Modellen teilweise erhebliche Überschreitungen der Grenzwerte festgestellt worden.

Erhebliche Abweichungen auf der Straße

Auch Dieselmotoren, welche die neueste, seit 1. September gültige Euro-6-Norm erfüllen sollten, halten die Grenzwerte offenbar häufig nicht ein. Zumindest kam der ökologisch orientierte europäische Verkehrsverband Transport und Umwelt (T&E) bereits Mitte September zu diesem Ergebnis. Bei der Überprüfung von 23 Autos „auf der Straße“ hielten gerade einmal drei Fahrzeuge die Normen ein. Der Vorwurf des Verbandes: in Europa würden kostengünstige und rückständige Abgasfilter zum Bau von Neuwagen benutzt. In den Vereinigten Staaten würden die entsprechenden Dieselmodelle von den Herstellern mit einer besserer Abgasnachbehandlung ausgerüstet und produzierten deshalb auch weniger Emissionen. Der Verband gibt die Kosten für die Hersteller, die sie für ein modernes Diesel-Abgasreinigungssystem bezahlten müssen, mit etwa 300 Euro pro Fahrzeug an.

Es ist schwer genug, einen neuen Motor so zu bauen, dass er die bestehenden Grenzwerte einhält. Die Aufgabe wird nicht leichter, wenn es nun wie bei VW gilt, einen fertig entwickelten Motor so umzutrimmen, dass er sozusagen im Nachhinein regelkonform arbeitet. Das ist deshalb so schwierig, weil alles fein aufeinander abgestimmt ist: die Einhaltung der Vorschriften beim bisherigen Prüfstand-Fahrzyklus wie auch die maximale Motorleistung beim Bergauffahren, beim Überholen und bei hohen Geschwindigkeiten auf bundesdeutschen Autobahnen. So könnte bei einem Software-Update mit dem Ziel, dass der Motor weniger Stickoxide ausstößt, auch die Leistung leiden.

Mehr Spritverbrauch für saubere Abgase

Ein weiterer Konflikt: auch der Spritverbrauch darf nicht allzu sehr durch die verbesserte Abgasreinigung steigen. So nehmen bei einem effektiven Motor mit den Verbrennungstemperaturen im Motor auch die NOx-Werte zu. Andererseits muss etwa der Rußkatalysator regelmäßig freigebrannt werden, wobei die dazu erforderlichen erhöhten Temperaturen über die zusätzliche Einspritzung von Kraftstoff erreicht werden. Auch werden die Abgase schneller sauberer, wenn der Motor nach dem Kaltstart etwa dank einer verbrauchsintensiveren Spriteinspritzung flotter hochgeheizt wird.

Schließlich sollte auch die Lebensdauer der Katalysatoren angemessen lang sein – was insbesondere in den USA dank strenger Vorschriften für die Mindesthaltbarkeit eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die Motorbauer ist. Deshalb müssen die Kats auch groß genug dimensioniert sein, um die geforderte Laufleistung zu bringen – und das dauerhaft. Dass dies prinzipiell geht, zeigen die entsprechenden Reinigungssysteme in Lastwagen, die Hunderttausende Kilometer halten.

Eine ganze Reihe von Zielkonflikten

Es gibt also gleich eine ganze Reihe von Zielkonflikten, die bei der Nachbesserung berücksichtig werden müssen – und die technisch nur schwer unter einen Hut zu bringen sind. Mehr Verbrauch bedeutet auch einen höheren CO2-Ausstoß, und merklich weniger Leistung dürfte bei den Kunden für Ärger sorgen. Zudem müssen die zahlreichen Länder, in denen der Diesel nun nachgebessert wird, unterschiedlich bedient werden. So müssen zum Beispiel in Kalifornien bei der neuesten, der schärfsten Norm 70 Milligramm NOx pro Meile eingehalten werden, was 43 Milligramm pro Kilometer entspricht. In Europa sind es 80 Milligramm.

Dem Vernehmen nach wollen die VW-Ingenieure den 2,0-Liter-Diesel allein mit einem Software-Update auf Vordermann bringen. Beim 1,6-Liter-Diesel dürften zusätzliche Einbauten erforderlich werden, die bis zu einem Jahr auf sich warten lassen könnten. Konkrete Angaben, welche Komponenten in der Abgasreinigung erweitert oder neu eingebaut werden könnten, gibt es nicht. Und beim 1,2-Liter -Motor sind die Lösungsoptionen noch völlig offen.

VW setzt auf fortschrittliche SCR-Technik

Wie gut VW diese gewaltigen technischen Herausforderungen in den kommenden Monaten meistern wird, bleibt abzuwarten. „Ich weiß nicht, wie kreativ die Leute sind“, meint zum Beispiel Patrik Sotic, der bei der schweizerischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA in der Abteilung Fahrzeugantriebsysteme tätig ist. Dabei sind gerade beim Diesel die Probleme am größten. Sotic formuliert das so: „Man muss einfach viel Technik einbauen, und das kostet ordentlich Geld.“ Dabei kann er sich einen generellen Seitenhieb auf den Diesel nicht verkneifen, wenn er anmerkt, dass dies bei einem gasbetriebenen Motor alles viel einfacher sei.

Immerhin will der VW-Konzern nun für Europa und Nordamerika vollständig „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ auf die fortschrittliche SCR-Technologie mit Harnstoffeinspritzung umsteigen (siehe Grafik). „Nur noch die umwelttechnisch besten Abgassysteme werden in den Diesel-Fahrzeugen zum Einsatz kommen“, heißt es in einer VW-Mitteilung. In den USA hatte das offenbar nicht gereicht, schließlich verfügte der von den Umweltbehörden gerügte „Schummelpassat“ über diese Technik. Auch die Nachbesserung von VW mit einer verstärkten Harnstoffeinspritzung machte den dort eingebauten Diesel nicht sauber genug für die US-Vorschriften. Der geprüfte BMW-Geländewagen soll dagegen auch im Alltag die Grenzwerte weitgehend eingehalten haben. Es geht also – vorausgesetzt, die Ingenieure rüsten die dem Motor nachgeschaltete „chemische Abgasfabrik“ ordentlich auf.