Bevor er Kabarettist wurde, studierte Dieter Nuhr Kunst, es zog ihn zur Fotografie. Die Leidenschaft ist geblieben: In der Stuttgarter Galerie Küper zeigt er „Arbeiten aus anderen Welten“.

Stuttgart - „Suchen Sie den Witz“, sagt Dieter Nuhr. „Er ist nicht da.“ Nuhr gehört zu den beliebtesten Kabarettisten Deutschlands, er scherzt auf RTL und ARD, steht auf vielen Bühnen; sein Witz hat viele Preise abgeholt. Nun tritt Nuhr als bildender Künstler auf, in der Stuttgarter Galerie Matthias Küper, und weist allen Humor schelmisch weit von sich: Jene Fotoarbeiten auf Leinwand, die die Wände füllen, sagt er, seien seine andere, seine ganz ernste Seite.

 

Tatsächlich sind die großformatigen Weltfragmente, die Nuhr ausstellt, nicht komisch, sondern nachdenklich, ästhetisch – in den kleinen, handgeschriebenen Legenden, die der Künstler den Bildern beigibt, scheint sich aber manchmal doch ein Augenzwinkern zu verstecken. „Große Teile der Welt“, heißt es da einmal, „wirken aus der Ferne symmetrisch und geordnet, aber wenn man genauer hinschaut, sieht alles ganz anders aus.“ Ein spielerischer, leichter Satz, den Nuhr auch auf der Bühne sprechen könnte, bevor er sich absurderen Erkenntnissen zuwendet. In der Galerie Küper führt dieser Satz aber nicht hin auf Wirrnisse in Politik und Zeitgeschehen, sondern steht neben einem schlichten Fenster, das Nuhr in Mexiko fotografierte: Symmetrisch in der Tat, in einer erdig getönten Wand. Die kleinen Dinge, die verstreut auf dem Fensterbrett liegen, sind es, die die Aufmerksamkeit wecken.

Der Blick aufs Detail ist entscheidend

Dieter Nuhr reist leidenschaftlich. „Ich bin zwei bis drei Monate im Jahr unterwegs“, sagt er. Auf seinen Reisen fotografiert er, mit geschickt abstrahierendem Auge. Manch eines seiner Motive möchte man für ein Arrangement halten, aber es ist doch ein gefundener, entdeckter Moment einer anderen Kultur. Die Arbeiten, die Nuhr in seiner ersten Stuttgarter Ausstellung zeigt, entstanden in den vergangenen zwei Jahren, in Mexiko, Japan, Georgien, Lettland, Indien und Bolivien. Er hat die Zimmer einfacher Menschen fotografiert, Türen, die ins Nirgendwo oder in andere Räume führen, Bügeleisen, Gardinen oder Verschläge, mit Maschendraht überzogen. Er lässt seine Fotografien auf Stoffe drucken, die ihnen eine matte Oberfläche, malerische Wirkung geben. Kleinere Formate überträgt er selbst.

Bevor Diether Nuhr Kabarettist und also berühmt wurde, studierte er Kunst, an der ehemaligen Folkwang-Schule in Essen. Schon damals zog es ihn zur Fotografie hin – und zum Humor. „In den 80er Jahren“, sagt er, „haben alle gemalt und waren extrem humorlos.“ Dieter Nuhrs Linie war das nicht; sein Erfolg lag anderswo. Künstlerisch produktiv war er seither fortwährend, umso interessanter, dass er den Witz nun ganz aus dieser Arbeit verbannt. Aber Kabarett und Kunst sind für ihn doch zwei Seiten der selben Medaille: Der Blick aufs Detail ist hier wie dort zentral. Und lachen ist, mit etwas Glück, manchmal vielleicht auch eine Art, laut nachzudenken.

„Die Dinge, die ich fotografiere“, sagt Nuhr, „sagen etwas aus über die Lebensweise in den Ländern, in denen ich war. Es sind Relikte einer Kultur, die ich gefunden habe. Sie schaffen für mich eine Distanz zu meiner eigenen Kultur.“ Einen distanzierten Blick setzt auch der Kabarettist ein – in einer anderen Tonlage. Galerist Matthias Küper begegnete Dieter Nuhr zuerst in einer Galerie in Essen und war von seinen Bildern augenblicklich angetan. „Dieter Nuhr“, sagt er, „ist jemand, der uns Ausgleich schafft und die Welt zeigt.“ Im September wird Küper auch in seiner Galerie in Peking eine Ausstellung mit den Werken Nuhrs eröffnen – in Stuttgart sind die „Arbeiten aus anderen Welten“ noch bis zum 11. April zu sehen.