In einem Positionspapier machen Abgeordnete der Grünen Vorschläge zur digitalen Arbeitswelt. Analog zum Mindestlohn für Angestellte fordern die Grünen eine gesicherte Vergütungsbasis für Selbstständige.

Berlin - Wirtschafts- und Sozialpolitiker der Grünen-Bundestagsfraktion fordern Regierung und Tarifpartner auf, die Bedingungen in der digitalen Arbeitswelt zu verbessern. In einem Positionspapier sprechen sich die Parlamentarier dafür aus, entsprechend dem gesetzlichen Mindestlohn für angestellte Arbeitnehmer branchenspezifische Mindesthonorare für Selbstständige auf den Weg zu bringen. „Dumpinghonorare dürfen in der modernen Arbeitswelt keinen Platz haben“, heißt es in dem Papier, das die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kerstin Andreae zusammen mit Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitikern der Fraktion verfasst hat. Das Papier liegt der Stuttgarter Zeitung vor. Studien hätten gezeigt, dass im Jahr 2012 fast ein Drittel der 2,5 Millionen Solo-Selbstständigen in Deutschland weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienten. Da mit dem digitalen Wandel Beschäftigte öfters von einer Festanstellung in die Selbstständigkeit wechselten, müssten Mindestbedingungen geschaffen werden.

 

Die Grünen fordern Gewerkschaften und Arbeitgeber auf, Mindestarbeitsbedingungen und Honorare für Selbstständige zu vereinbaren und diese Gruppe in Tarifabschlüsse einzubeziehen. Die Abgeordneten plädieren auch dafür, das Tarifvertragsgesetz zu ändern. Es müsse geprüft werden, ob ein allgemein gültiges Mindesthonorar für Selbstständige notwendig sei. Vorbild sei dafür sei der gesetzliche Mindestlohn.

Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimme

Mit den Vorschlägen wollen die Grünen die Debatte um die Digitalisierung der Arbeitswelt voranbringen. Die Grünen sehen im Wandel große Chancen: Die Digitalisierung könne die Arbeitswelt positiv verändern. Beschäftigte könnten dort arbeiten, wo sie wollten und über den Zeitpunkt der Arbeit häufig selbst entscheiden. „Nicht mehr Ort und Zeit sind entscheidend, sondern Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung“, heißt es in dem Papier. Dies schaffe Freiräume für eine humane und ökologische Arbeitswelt. Gleichwohl werfe die Digitalisierung auch neue Fragen auf. Sie könne dazu führen, dass Beschäftigte ständig verfügbar sein und mehr arbeiten müssten. Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimme. Viele Menschen versuchten ihr Glück als Selbstständige in der digitalen Wirtschaft und seien dabei nicht ausreichend gegen Arbeitslosigkeit und Krankheit abgesichert. Zudem mangele es an finanzieller Absicherung im Alter. Die Politik müsse darauf achten, dass die geltenden Sozial- und Arbeitsstandards für alle Beschäftigten und in allen Branchen angewendet würden.

Die Grünen kritisieren, dass die Bundesregierung trotz Ankündigungen viele Antworten schuldig bleibe. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) habe zwar für Ende nächsten Jahres ein Weißbuch zur digitalen Arbeit angekündigt. Bisher habe die Ministerin aber nur Fragen zur Digitalisierung aufgeworfen. Das sei ein Armutszeugnis, sagte Andreae. Die Politik müsse im Interesse der Beschäftigten und des Standorts Lösungen vorlegen.

Mehr Angebote zur Weiterbildung gefordert

Die Grünen fordern neue Anstrengungen bei der Aus- und Weiterbildung. Insbesondere in der Produktion würden Berufe für Geringqualifizierte durch Automatisierung wegfallen. Davon sei in Deutschland jeder zehnte Arbeitsplatz betroffen. Der Schlüssel liege in einer besseren Weiterbildung. In Deutschland böten aber nur etwas mehr als die Hälfte der Betriebe Weiterbildung an und erreichten 40 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Vor allem Ältere, Migrantinnen und Geringqualifizierte bleiben außen vor. Die Arbeitgeber müssten mehr tun. Die Tarifpartner sollten in stärkerem Maß Angebote wie die Bildungsteilzeit ermöglichen. Auch die Bundesagentur für Arbeit könne als zweite Säule ihrer Tätigkeit Arbeitnehmer bei der Weiterbildung beraten. Dies hat auch Ministerin Nahles vorgeschlagen.

Aus Sicht der Grünen bedürfe es einer klaren Definition von Selbstständigkeit. Immer mehr Menschen arbeiteten formal selbstständig, seien aber auf Basis von Dienst- oder Werkverträgen wie Angestellte eingesetzt. Der Gesetzgeber müsse diese Scheinselbstständigkeit verhindern. Auch die betriebliche Mitbestimmung müsse ausgeweitet werden. Würden Arbeiten über Online-Plattformen ausgeschrieben, solle eine Art Interessensvertretung für die Auftraggeber eingeführt werden. Handlungsbedarf sehen die Grünen auch bei der sozialen Absicherung. Die Sozialversicherungen müssten so weiterentwickelt werden, dass alle Erwerbstätigen ausreichend abgesichert sind. Es sei zu prüfen, ob sich Auftraggeber Selbstständiger künftig an der Finanzierung der Sozialversicherungsbeiträge beteiligen müssten.