In der kasachischen Hauptstadt Astana treffen die Konfliktparteien direkt aufeinander. Ob das Ziel erreicht wird, das Blutvergießen endgültig zu beenden, ist allerdings offen. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Astana - Am Montag beginnt in der kasachischen Hauptstadt Astana die neue Syrienkonferenz, auf die sich Russland, die Türkei und der Iran verständigt haben. Nach neun Monaten Pause treffen Regime und wichtige Teile der bewaffneten Opposition wieder aufeinander, während sich das militärische Kräfteverhältnis durch den Assad-Sieg in Aleppo entscheidend verändert hat. Anders als in Genf werden sich beide Seiten erstmals Auge in Auge gegenübersitzen – an einem gemeinsamen Konferenztisch. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu dem Treffen:

 

Was sind die Motive der Initiatoren?

Russland, die Türkei und der Iran stecken hinter der Initiative. Vor allem in Ankara, das bisher das Lager der Rebellen stützte, hat sich in den letzten Monaten ein Gesinnungswandel vollzogen. „Wir müssen pragmatisch und realistisch sein“, sagte der türkische Vizepremier Mehmet Simsek auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. „Die Lage vor Ort hat sich so dramatisch verändert, dass die Türkei nicht länger auf eine Lösung ohne Assad pochen kann.“ Priorität sei nun, das menschliche Leiden zu beenden. Der Iran und Russland stehen hinter dem Assad-Regime. Sie ziehen jedoch nur bedingt an einem Strang. Russland möchte seine Machtbasis in Syrien befestigen, aber nicht weitere Jahre in die Kämpfe hineingezogen werden. Der Kreml schloss jetzt mit Damaskus einen langfristigen Vertrag für die Marinebasis in Tartus und den Fliegerhorst in Latakia. Der Iran dagegen möchte den Krieg weiterführen bis zu einem endgültigen militärischen Sieg. Denn auf dem Schlachtfeld sind es vor allem die von Teheran bezahlten schiitischen Milizen sowie die libanesische Hisbollah, die die Hauptlast tragen.

Welche Haltung hat Damaskus?

Diktator Baschar al-Assad fühlt sich bereits als Sieger und ist nach der Rückeroberung von Aleppo weniger denn je zu Kompromissen bereit. Er hoffe, dass sich die Rebellen in Astana bereit erklärten, die Waffen niederzulegen im Gegenzug zu einer Amnestie, sagte er in einem Interview mit dem japanischen Fernsehen. Auch von einer nationalen Übergangsregierung, die alle politischen Gruppen umfasst, will er nichts wissen. Das Institut einer Übergangsregierung gebe es in der syrischen Verfassung nicht, erklärte er. Assad kontrolliert etwa 35 Prozent des syrischen Territoriums, in dem zwei Drittel der bisher nicht geflohenen Bevölkerung leben. Die zehnköpfige Delegation des Regimes führt der syrische UN-Botschafter Baschar al-Jaafari.

Sind die Rebellen schon geschlagen?

Die Rebellen haben mit dem Verlust von Aleppo eine Niederlage erlitten. Weitere 700 000 Menschen sind von der syrischen Armee in 15 Hungerenklaven eingeschlossen, um sie zur Kapitulation zu zwingen. Die Aufständischen kontrollieren etwa 13 Prozent des Landes, unter ihrer Herrschaft leben 12,5 Prozent der Syrer. Angereist sind 14 Vertreter ihrer wichtigsten Kampfverbände mit 21 politischen Beratern. Politisch sind die Rebellen nach wie vor nicht bereit, den Fortbestand des Assad-Regimes zu akzeptieren. Und so schraubte die russische und türkische Konferenzleitung im Vorfeld die Erwartungen herunter. Es gehe in erster Linie darum, den Waffenstillstand zu befestigen.

Wo bleiben die Kurden?

Auf Druck der Türkei sitzen die syrischen Kurden nicht mit am Tisch, obwohl ihre YPG-Milizen im Kampf gegen den Islamischen Staat die Hauptlast tragen. Die Kurden kontrollieren etwa 20 Prozent Syriens, in denen 12,5 Prozent der Bevölkerung leben. Die Türkei geht inzwischen selbst auf syrischem Territorium mit Bodentruppen gegen die Terrormiliz vor. Sie will verhindern, dass die zurückeroberten IS-Gebiete an die syrischen Kurden fallen, die zu Vorkämpfern eines unabhängigen Kurdistans werden könnten. Ein Angriff auf Raqqa jedoch wird ohne die disziplinierten kurdischen Kämpfer nicht möglich sein, zumal das Assad-Regime weder die Kraft noch den Willen hat, die Kalifatszentrale zurückzuerobern.

Welche Rolle spielt die internationale Gemeinschaft?

Die Vereinigten Staaten sind nach Astana eingeladen, auch wenn der Iran dagegen energisch protestiert hat. Die Europäer lassen sich durch ihre Botschafter vertreten. Der Syrienvermittler der Vereinten Nationen, Staffan de Mistura, reist als Beobachter an und lobte das Treffen als „eine gute Initiative“. Er hofft, dass die Gespräche in Kasachstan die Grundlage legen für eine Fortsetzung in Genf, die der UN-Diplomat für den 8. Februar terminiert hat.