Dirk Niebel (FDP) setzt auf eine Agentur, die bei anderen fragwürdigen Besetzungen schon tätig war und gerät damit ins Kreuzfeuer der Kritik.  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Dirk Niebel (FDP) war schwer in der Defensive. Vehement wehrte sich der Entwicklungshilfeminister vorige Woche im Bundestag gegen den Vorwurf, er versorge in seinem Ressort systematisch Parteifreunde mit lukrativen Posten. "Nur weil jemand liberal ist", empörte er sich, "ist er noch lange nicht geisteskrank und muss von öffentlichen Ämtern ferngehalten werden."

 

Besonders in Bedrängnis geriet Niebel wegen des Falls der ehemaligen Ettlinger Oberbürgermeisterin Gabriela Büssemaker (FDP), die er aus 133 Bewerbern als Chefin einer neuen Servicestelle für kommunale Entwicklungshilfeaktivitäten ausgewählt hatte. Den Verdacht, dass es sich um ein abgekartetes Spiel handelte, hatte die Siegerin selbst befeuert: Fast zeitgleich mit der Stellenausschreibung berichtete sie in einem Interview von einem neuen Job, über den sie aber noch nicht sprechen dürfe. Es sei um eine andere Stelle im Bereich der erneuerbaren Energien gegangen, behauptet sie inzwischen, ohne dies freilich zu belegen. Selbst Parteifreunde halten das für eine Schutzbehauptung, mit der Büssemaker ihren Förderer Niebel aus der Schusslinie zu bringen versuche. Der Minister gibt an, er habe ihr nie etwas zugesagt oder zusagen lassen.

Unter dem Dauerfeuer der Opposition zückten Niebel und seine Staatssekretärin Gudrun Kopp einen vermeintlichen Trumpf: Mit dem Verfahren sei eigens eine "externe Agentur" beauftragt worden. "Das mag Ihnen umso deutlicher die Unabhängigkeit bei dieser Personalvorauswahl zeigen", betonte Kopp. Es handele sich um eine Beratungsfirma, "derer sich auch die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg bedient", sekundierte Niebel. Auf Nachfrage nannte sein Ministerium Ross und Reiter: es gehe um Dr. H. & Partner in Stuttgart, der zuständige Geschäftsführer sei Achim D.

"Statisten für Alibiveranstaltung"

Doch dieser Schuss könnte auch nach hinten losgehen. Tatsächlich nutzt die Regierung Kretschmann-Schmid gerade die Dienste von H. - aber bei einer Stellenbesetzung, die mindestens so vorentschieden wirkte wie im Fall Büssemakers. Im Auftrag von Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) fahndete D. nach zwei neuen Geschäftsführern für die Wirtschaftsfördergesellschaft Baden-Württemberg International, kurz BWI. Die gut dotierten Positionen wurden ausgeschrieben, es meldeten sich angeblich 180 Bewerber, doch deren Chancen waren wohl von vornherein gering. Schon lange vorher hatten die Koalitionspartner intern ausgemacht, wer die beiden Jobs bekommen solle: der frühere Grünen-Landeschef Andreas Braun und der Ministerialrat Jürgen Oswald (SPD).

In Politik und Wirtschaft war das kein Geheimnis, man hätte die beiden auch direkt berufen können. Doch Schmid wollte offenbar den Anschein der Ämterpatronage vermeiden und schaltete H. ein. Die Berater sichteten und siebten, sechs Kandidaten kamen in die vorletzte, drei in die letzte Runde. Und siehe da: aus dem Trio wählte der Aufsichtsrat - wie allgemein vorhergesagt - Braun und Oswald aus. Die Dritte im Bunde, eine Dame, hatte plangemäß das Nachsehen. Dass der Grüne später wieder absprang, ist für Schmid peinlich. Einer der Gründe: zwischen den Kompetenzen des Geschäftsführers laut Ausschreibung und laut der geltenden BWI-Geschäftsordnung gab es wesentliche Unterschiede.

Vor drei Jahren war H. (Projektleiter: ebenfalls D.) schon einmal an einer Stellenbesetzung beteiligt, die erhebliche Turbulenzen auslöste. Damals, noch zu Zeiten der schwarz-gelben Regierung, wurde ein Geschäftsführer für die Tourismus-Marketing-Gesellschaft TMBW gesucht. Hinter den Kulissen rangelten die Strippenzieher von CDU und FDP, nach außen sollte es "das wohl fairste und transparenteste Verfahren" in der Landesgeschichte sein, wie der damalige Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) behauptete. Tatsächlich wurde die Besetzung mit einem branchenfremden Journalisten politisch entschieden. Eine hochangesehene Fachfrau aus Frankfurt, die es bis in die Endrunde geschafft hatte, zog ihre Bewerbung erbost zurück. Begründung: sie wolle sich nicht als Statistin für eine Alibiveranstaltung missbrauchen lassen.

Wer im Geschäft bleiben will, muss irgendwie mitspielen

Erst bei Pfister, dann bei Schmid, nun bei Niebel - zum dritten Mal ist H. nun schon an einer Personalsuche beteiligt, die als pure Farce erscheint. Für die eigentlich angesehene Beratungsgesellschaft, die regelmäßig im öffentlichen Bereich tätig ist, wird das allmählich zum Problem. Sie gerät in den Ruch eines Dienstleisters, der willig mithilft, nicht ganz saubere Verfahren sauber aussehen zu lassen. Zu den konkreten Fällen darf der Geschäftsführer D. nichts sagen. Allgemein konstatiert er, die Auftraggeber hätten ihm weder Vorgaben gemacht noch Einfluss auf sein Vorgehen genommen. Er treffe allerdings nur eine Vorauswahl, die Entscheidung liege bei anderen. Beim Großteil seiner Fälle, das ist D. wichtig, gebe es keine solche Turbulenzen. Tatsächlich vermittelte er wiederholt auch schon politikferne Führungskräfte auf politiknahe Posten. Zwischen dem Auftrag von Pfister und dem von Niebel existiert übrigens noch eine Parallele: Zuständiger Abteilungsleiter war in beiden Ministerien jeweils der gleiche FDP-Mann; nach dem Wahlsieg der Liberalen wechselte er von Stuttgart nach Bonn.

Als Garant für ein sauberes Verfahren, wie es Politiker gerne darstellen, taugen Personalberater schon wegen ihres Eigeninteresses nicht: Wer im Geschäft bleiben will, muss irgendwie mitspielen. Für die Suche nach Büssemaker bezahlte das Entwicklungshilfeministerium fast 60.000 Euro an H., die Besetzung der beiden BWI-Posten soll noch erheblich lukrativer sein. Niebels schärfster Gegenspieler im Bundestag, der SPD-Abgeordnete Sascha Raabe, spricht von einem "teuren Scheinverfahren auf Kosten der Steuerzahler". Wegen des Verdachts auf Untreue hat er den Minister daher bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.

Was der Sozialdemokrat Raabe wohl nicht wusste oder bedacht hat: nach der gleichen Logik könnte er auch Anzeige gegen seinen baden-württembergischen Parteifreund Nils Schmid erstatten.

Entwicklungshilfeminister im Kreuzfeuer der Kritik

Angriff Wegen seiner Personalpolitik im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) muss Dirk Niebel nicht nur viel Kritik, sondern auch Spott einstecken. Er bemühe sich derzeit "nach Kräften um den Nachweis, dass frühere Berufe einen Politiker nachhaltig prägen können", spottete etwa der Berliner "Tagesspiegel". Der Hintergrund: nach einigen Jahren als Fallschirmjäger hatte der 48-Jährige längere Zeit als Arbeitsvermittler gearbeitet. Nun, heißt es, vermittele er eben Parteifreunde auf Ministeriumsposten.

Abwehr Niebel wehrt sich vehement gegen den Vorwurf, er würde sein Ministerium zum Zwecke der Versorgung von Liberalen aufblähen. Tatsächlich erhält das Ressort etwa 180 neue Stellen und zwei zusätzliche Abteilungen. Durch den Umbau der Entwicklungshilfeorganisationen würden unter dem Strich aber 300 Stellen eingespart. Es handele sich um „eine der größten Entbürokratisierungsmaßnahmen, die es jemals in Deutschland gegeben hat”, sagt der Minister.