Seine Bank hat am EnBW-Deal Millionen verdient. Am Freitag sagt Dirk Notheis, der Deutschlandchef von Morgan Stanley, nun vor dem U-Ausschuss aus.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Beim letzten Mal musste er einen halben Tag warten und durfte dann noch nicht aussagen, weil die Anhörung seines Freundes Stefan Mappus länger als geplant dauerte. Für einen wie ihn, der gerade irgendwo auf der Welt viel Wichtigeres zu tun hätte, muss das ein Tort gewesen sein; „Zeit ist Geld“ gilt in seinem Gewerbe schließlich erst recht.

 

An diesem Freitag wird Dirk Notheis, der Deutschlandchef der US-Investmentbank Morgan Stanley, nun gleich als erster Zeuge gehört. Der Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal will seine Rolle als „Dealmaker“ ausleuchten, die bereits durch Mappus’ Aussage klarer wurde: Bei ihm liefen alle Fäden zusammen, er verhandelte mit den Franzosen, er übermittelte dem Ministerpräsidenten auch die Einschätzungen der Anwälte von Gleiss Lutz. „One Face to the Customer“, ein zentraler Ansprechpartner für den Kunden, heißt das in der Sprache der Strippenzieher.

Die CDU-Vorständler lauschten ehrfürchtig

Schon Mappus kam vor dem Ausschuss nicht ernsthaft in Bedrängnis, obwohl seine Aussage viele Zweifel weckte. Den eloquenten Notheis in die Enge zu treiben dürfte den Regierungsfraktionen noch schwerer fallen. Er werde die Abgeordneten „schwindlig reden“ erwarten Weggefährten, so wie er das bei seinen zuletzt seltenen Auftritten im CDU-Landesvorstand tat. Da referierte der Investmentbanker aus der großen, weiten Welt der Finanzmärkte, und seine Parteifreunde aus der Provinz lauschten andächtig-ehrfurchtsvoll.

Die landespolitische Bühne, die er einst als Chef der Jungen Union bespielte, war Notheis schon lange viel zu eng geworden. Doch den Kontakt zur Politik ließ er nie abreißen – teils wohl aus echter Leidenschaft, teils sicher aus beruflichem Kalkül. Politisch vernetzt zu sein ist in seinem Geschäft unabdingbar, und der Ettlinger gilt als bestens vernetzt, weit über die CDU hinaus. Er habe nicht nur exzellente Kontakte, loben ihn einstige Kollegen, sondern verstehe wie kaum ein anderer, daraus Aufträge für seine Bank zu generieren.

Als Kind nannte man ihn „Bundeskanzler“

Das Interesse an der Politik erwachte in dem Arztsohn (Jahrgang 1968) schon früh. Als Kind habe er den Spitznamen „Bundeskanzler“ erhalten, verriet er einmal in einem Interview, weil er Erwachsene bereits mit sieben oder acht Jahren in politische Diskussionen verwickeln wollte. Mit zwölf stürzte er sich in seinen ersten Wahlkampf, klebte Plakate für Franz-Josef Strauß. Der frühe Aufstieg zum Landeschef des CDU-Nachwuchses war da nur folgerichtig. Immer wieder wurde Notheis für politische Ämter gehandelt, aber seine berufliche Karriere – und die damit verbundene Unabhängigkeit – war ihm wichtiger. Mit 27 Jahren wurde er per Sondergenehmigung Direktor bei der damaligen SGZ-Bank. 1999 wechselte er zu Morgan Stanley, wo er etliche Börsengänge erfolgreich begleitete; nur bei der Bahn machte ihm die Politik letztlich einen Strich durch die Rechnung. Zehn Jahre später, 2009, beförderte die Bank ihn zum Deutschlandchef.

Unter allen seinen politischen Kontakten war ein ganz besonderer: der zu seinem einstigen Beisitzer im JU-Landesvorstand, Stefan Mappus. Schon früh förderte er die Karriere des Pforzheimers, in Wahlkämpfen half er mit Rat und Tat, bis zuletzt blieb er ihm ein enger Berater. Ohne Notheis’ Unterstützung, sagen CDU-Leute, hätte es Mappus – weniger weitblickend, aber deutlich risikofreudiger als sein Freund – nicht so schnell so weit gebracht.

Zwei Freunde spielen sich die Bälle zu

Bis heute kursieren in der Partei zwei Versionen, wie es der JU-Chef schaffte, den Jungabgeordneten mit 32 Jahren als Verkehrsstaatssekretär ins Kabinett Teufel zu bringen. Variante eins: Der einstige Ministrant, der stets seine hohen ethischen Ansprüche herausstrich, habe bei dem Spaichinger Katholiken einfach einen Stein im Brett gehabt. Variante zwei: Der CDU-Nachwuchs habe Teufel im Zusammenhang mit dessen Ambitionen, Vizechef der Bundespartei zu werden, subtil unter Druck gesetzt. Ein altgedienter Abgeordneter kann sich noch lebhaft daran erinnern, wie Teufel getobt habe, er lasse sich nicht erpressen. Am Ende habe er sich dann doch der Einsicht gebeugt, dass er auf die Unterstützung der Jungen angewiesen sei.

Mehrfach spielten sich Mappus und Notheis in der Folge die Bälle zu – mal mehr, mal weniger sichtbar. Beim CDU-Bundesparteitag 2004 in Düsseldorf etwa kämpfte der Politiker gegen einen Antrag, der vorsah, Netz und Betrieb der Bahn zu trennen. Das war ganz im Sinne seines Bankerfreundes, der gemeinsam mit dem damaligen Bahn-Chef Hartmut Mehdorn für den Börsengang mit Schienennetz warb. Wenig später wurde Notheis heiß für einen Vorstandsposten bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) gehandelt. In der CDU hatte er starke Unterstützer, doch im Sparkassenlager und innerhalb der Bank gab es erhebliche Vorbehalte; auch die Finanzaufsicht soll sich, wegen formaler Probleme, quergelegt haben. Der Investmentbanker verkündete schließlich, er wolle gar nicht wechseln. Sogar als EnBW-Chef war der Überflieger einmal im Gespräch, aber dann doch nicht vermittelbar.

Auszeit als Spendensammler für die CDU

Die Gratwanderung zwischen Politik und Wirtschaft gelang Notheis meist reibungslos. Nur einmal erregte er mehr Aufsehen, als ihm wohl lieb war: als er sich im Bundestagswahlkampf 2005 eine Auszeit im Job nahm, um für die CDU bei Unternehmen um Parteispenden zu werben. Für den Freundschaftsdienst soll ihn der damalige CDU-Generalsekretär Volker Kauder gewonnen haben. Formal war das wohl unangreifbar, aber trotzdem kamen Fragen auf, ob Notheis von dem Einsatz nicht auch geschäftlich zu profitieren hoffe.

Dass gute Taten oft mit Hintergedanken vollbracht werden – diese Erkenntnis war Notheis keineswegs fremd. Schon 1994 in seiner Doktorarbeit („Ansatzpunkte und Strategien zur Akquisition von Unternehmensspenden“) hatte er illusionslos die Motive der Geldgeber beleuchtet. Gespendet werde in der Regel nicht aus altruistischen Gründen, sondern weil es indirekt der Gewinnmaximierung der Unternehmen oder dem eigenen Nutzen des Entscheiders diene. Parteispenden blieben in der Dissertation übrigens ausgeblendet, weil für die eigene Regeln gälten.

Letztlich fühlte sich Notheis in der rationalen Welt der Wirtschaft wohl besser aufgehoben als in der schwerer kalkulierbaren Politik. Da gebe es „irrationale vertikale Mobilitätsmechanismen“, sagte er einmal in der ihm eigenen, zuweilen etwas hochgestochenen Sprache. Es könne „nicht nur sehr schnell rauf- oder auch wieder runtergehen, sondern auch aus unerfindlichen Gründen“. Im Fall seines Freundes Mappus war er am schnellen „Runter“ durchaus nicht unbeteiligt.