Die Discount-Idee der Brüder Albrecht hat den deutschen Lebensmitteleinzelhandel revolutioniert. Mittlerweile setzt sie sich auch im Ausland durch und beschert deutschen Händlern gute Zuwächse. Aldi wächst am stärksten in den USA und in Großbritannien.

Stuttgart - Aldi ist so deutsch wie Fußball. Mit diesem Vergleich versuchte sich Anfang der Woche ein Kommentator dem Phänomen des Discounters zu nähern, der mit Karl Albrecht gerade den letzten seiner beiden Gründerväter verloren hatte. Der Vergleich hinkt natürlich, denn während sich die Mehrzahl der Bundesbürger nach der erfolgreichen Weltmeisterschaft wieder für zwei Jahre vom deutschen Volkssport ab- und anderen Dingen zuwendet, genießt Aldi dauerhaft die Gunst seines getreuen und kaufkräftigen Publikums. 

 

„Die können hinstellen was sie wollen, mittlerweile wird alles gekauft“, sagt Michael Gerling. Der Leiter des Kölner EHI Handelsinstituts meint damit vor allem das Angebot von Produkten aus dem sogenannten Nonfood-Bereich. Fernseher, Mobilfunkverträge, Reisen; dem Experten fällt auf Anhieb nichts ein, was der Discounter nicht schon irgendwann in den Mittelgang zwischen Tiefkühltruhen und Regale geschoben hätte. Und alle anderen – Discounter, aber längst auch Supermärkte – tun es Aldi nach. Genauso ist es bei den Preisen für Lebensmittel. Reduziert Aldi Butter, Eier oder Mehl, zieht die Branche binnen kurzer Zeit nach.

Die Deutschen geben ihr Geld lieber für Reisen aus

Aldi habe das Discount-Prinzip – auf Überflüssiges konsequent zu verzichten – nicht nur erfunden, so Gerling, sondern in Deutschland auch in der ohnehin preissensiblen Gesellschaft verankert und zur Perfektion getrieben. Dass die Deutschen heute im europäischen Vergleich am wenigsten für Lebensmittel ausgeben, ist nach Ansicht des Handelsfachmanns kulturell bedingt: „Wir kaufen uns lieber ein neues Handy oder geben unser Geld für Reisen aus.“ Aldi hat von diesem Hang zur selektiven Sparsamkeit profitiert, ihn aber sicherlich auch im eigenen Sinne befördert.

Über fünf Jahrzehnte hinweg konnte der Discount-Dinosaurier mit seiner Strategie die eigene Führungsposition behaupten und weiter wachsen. Nach Ansicht des Fachmannes gibt es nur zwei Wege, um im Wettbewerb mit den Aldi Süd und Aldi Nord zu bestehen: entweder nachahmen oder total abgrenzen. Den ständigen Preisrunden setzt sich hierzulande vor allem der Aldi-Hauptkonkurrent Lidl aus, aber auch die Supermarktketten Rewe und Edeka schicken ihre Töchter Penny und Netto in dieses ständige Hase-und-Igel-Spiel.

Supermärkte grenzen sich durch Service ab

Die Mutterkonzerne setzen dagegen vor allem auf die Abgrenzungstaktik, in dem Sie mehr Service (Frischetheken), größere Angebotspaletten und Verkaufsflächen bieten. Die Kosten eines Supermarktes liegen heute um bis zu 50 Prozent über denen eines Discounters. Von jeher ein Dorn im Auge sei den Betreibern von Supermärkten zudem ein Paragraf in der deutschen Baunutzungsverordnung, der Discounter bevorteilt und dem EHI-Leiter zufolge den Erfolg von Aldi, Lidl & Co. maßgeblich befördert hat: Demnach gelten für Märkte mit weniger als 1200 Quadratmetern Grundfläche geringere Auflagen als für größere Handelsflächen. „Dabei kann ein Discounter auf 1000 Quadratmetern viel mehr Umsatz als ein Supermarkt mit 1500 Quadratmetern machen.“

Die Albrecht-Brüder machten sich schon früh daran, mit ihren Märkten international zu expandieren; heute erzielt Aldi dort die höchsten Zuwächse. In den USA waren sie bereits Mitte der 70er Jahre aktiv, allerdings zunächst in schlechteren Lagen, erklärt Gerling. Die Marke habe zudem anfangs ein ähnliches Imageproblem gehabt wie in Deutschland: „Die Kunden dachten, was so billig ist, kann doch nicht gut sein.“ Erst nach und nach habe sich herumgesprochen, dass nicht an der Qualität der Produkte, sondern vor allem an den sonstigen Kosten gespart wird.

Aldi ist fest im US-Einzelhandel verankert

Mittlerweile sei Aldi fest in der US-Handelslandschaft verankert, allerdings hat dies einige Jahrzehnte gedauert, und die Discounter haben noch nicht ansatzweise so hohe Marktanteile wie im Heimatmarkt. „Die Dominanz der Discounter ist nirgendwo so groß wie in Deutschland“ (Gerling).

Einen regelrechten Boom verzeichnen Aldi und Lidl gerade in Großbritannien, wo die Discounter bereits einen Marktanteil von rund neun Prozent haben. Den beiden Urgesteinen des deutschen Einzelhandels gelingt es offenbar, einen Kulturwandel bei den eigentlich wenig preisbewussten Briten zu bewirken. „Sie prägen Märkte“, sagt Gerling; mit einem Prinzip, das Theo und Karl Albrecht in den 60er Jahren etablierten. Hiesige Branchengrößen wie Sainsbury, Asda (Walmart) und Tesco geraten gehörig unter Druck. Sie müssten ihre Kunden mittlerweile davon überzeugen, dass die eigenen Produkte nicht schlechter sind als die von Aldi, sagt der Handelsexperte: „Sie müssen Aldinativen schaffen.“

Die beiden Aldis dominieren den Markt. Klicken Sie auf die Grafik für eine größere Ansicht