Ein Diplomverwaltungswirt wirft öffentlichen Verwaltungen Diskriminierung vor – und hat reihenweise Erfolg.

Kreis Ludwigsburg - Weit mehr als 60 öffentliche Verwaltungen hat ein 48-jähriger Diplomverwaltungswirt bereits verklagt – davon gut ein Dutzend aus der Region Stuttgart. Auch wenn jedes Verfahren ein bisschen anders ist, eines haben sie alle gemeinsam: der schwerbehinderte Mann wirft den öffentlichen Arbeitgebern Diskriminierung vor. Ausgangspunkt ist stets eine Bewerbung des 48-Jährigen, auf die die Verwaltungen keine Einladung zum Bewerbungsgespräch folgen ließen.

 

Der Diplomverwaltungswirt sieht darin laut Rechtslage einen Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat dem Mann bereits in acht Fällen recht gegeben und ihm jeweils drei Monatsgehälter Entschädigung zugesprochen. Insgesamt hat sich der Mann also zwei Jahresgehälter erstritten. Zuletzt betroffen war die Stadt Steinheim. Dort hatte die Verwaltung nach eigenem Bekunden seine Behinderung übersehen und vergessen, ihn einzuladen. Mehrere Verwaltungen haben dem 48-Jährigen bereits Rechtsmissbrauch vorgeworfen – bislang allerdings ohne juristische Rückendeckung. Allein die Tatsache, dass er sich oft bewerbe und häufig klage, spreche noch nicht für Rechtsmissbrauch, urteilten mehrere Verwaltungsrichter.

Verwaltungsgerichtshof Mannheim wird eingeschaltet

Heute entscheidet der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in zweiter Instanz über zwei der Klagen. Es geht um die Verfahren gegen die Stadt Remseck und den Rems-Murr-Kreis. Im Mai 2009 hatte sich der behinderte Verwaltungsfachmann als Kassenverwalter in Remseck beworben. Laut Susanne Barth, der Leiterin des Fachbereichs Zentrale Dienste, hatte der Mann sich zwar als Experte im neuen Haushaltsrecht (Doppik) erwiesen. Doch nach einem Bewerbungsgespräch habe man sich für einen anderen Bewerber entschieden.

Ein halbes Jahr nach der Absage habe der Mann sich erneut beworben – als Sachbearbeiter für baurechtliche Angelegenheiten. „Wir haben ihn damals nicht eingeladen, weil wir sagten, wir kennen ihn bereits“, sagt Susanne Barth. Fähigkeiten im Planungs- und Baurecht habe er in seiner Bewerbung nicht erwähnt.

Gerichte sind unterschiedlicher Meinung

Das Verwaltungsgericht Stuttgart konnte diese Argumente nachvollziehen und gab der Stadtverwaltung recht. Ähnlich hatte eine andere Kammer des Gerichts bereits zuvor zu Gunsten der Stadt Vaihingen/Enz entschieden. Die Mannheimer Richter haben heute über die Berufung des Bewerbers gegen die Stadt Remseck zu entscheiden. Anders gelagert ist die Sache bezüglich des Rems-Murr-Kreises. Hier hatte sich der 48-Jährige als Sachbearbeiter im Bereich Eingliederungshilfe für Behinderte beworben und war ebenfalls nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen worden. „Wir haben damals sogar eine schwerbehinderte Bewerberin eingestellt“, sagt ein Mitarbeiter der Kreisverwaltung. Dennoch befanden die Stuttgarter Richter das Verfahren für juristisch anfechtbar.

Anders als die Stuttgarter Kollegen urteilten zuletzt die Juristen des Verwaltungsgerichts Freiburg. Eine entsprechende Klage des 48-Jährigen gegen die Gemeinde Sasbachwalden (Ortenaukreis) wurde zurückgewiesen. Mit der Begründung, dass der 48-Jährige zu wenig Berufserfahrung habe und aus seinem wechselhaften Lebenslauf bereits geschlossen werden könne, dass er das Bewerberprofil nicht erfülle. Über dieses Verfahren, und ein Verfahren gegen die Gemeindeverwaltung Rechberghausen (Kreis Göppingen), hat im Herbst das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu entscheiden.